Uwe geht zu Fuß
Uwe geht zu Fuß erzählt von: genau, Uwe. Uwe ist mit seinen fast 66 Jahren einer der ältesten Menschen mit Down-Syndrom in Deutschland und lebt in Heikendorf, einer kleinen Gemeinde mit 8.500 Einwohnern an der Kieler Förde. Der Film beschreibt, wie sehr Uwe zum Dorf und das Dorf und seine Menschen zu seinem Leben gehören. Und das ganze auf eine respektvolle Art und ohne kitschig-rangewanzt um Toleranz zu betteln.
Der Film schafft es nicht nur, uns ein einmaliges Leben zu zeigen, sondern auch die Menschen, die es einmalig machen. Da sind zum einen die vielen Vereine, in denen Uwe ganz selbstverständlich Mitglied ist; wie zum Beispiel der Tennisclub, in dem er sogar ein eigenes Turnier ausrichten durfte – das er locker gewann, weil er mal eben bestimmte, dass er jetzt gewonnen habe. Oder der Fußballclub, bei dem Uwe seit Jahrzehnten als 1. Betreuer beschäftigt ist und für die Ausgabe der Elektrolytgetränke zuständig ist, die, wie ein Spieler vorsichtig anmerkt, manchmal etwas individuell schmecken. Was aber niemanden zu stören scheint.
Ich fand es bemerkenswert, dass sämtliche Menschen im Film mit Uwe eben nicht wie mit einem Kind umgehen, dem man alles verzeiht – wie zum Beispiel gepanschte Getränke. Stattdessen hat man stets das Gefühl, dass das eben alles Eigenarten von Uwe sind, die zu ihm gehören und die ihm niemand übel nimmt. So wie man seinen Freunden nicht übel nimmt, dass sie immer zu spät kommen oder beim Essen immer nachsalzen, ganz gleich, wie’s schmeckt. Menschen sind verschieden und haben ihre Macken, und Uwe mischt eben komische Getränke. Na und?
Uwe geht zu Fuß zeigt nicht nur die ewig beschworene Freundlichkeit von Down-Syndrom-Erkrankten, sondern auch, dass Uwe durchaus einen eigenen Kopf hat, dass er weiß, was er will und dass er klare Grenzen setzen kann. Wenn ihm etwas nicht passt, dann kriegt man das schon mit; so beschwert er sich lautstark, dass in einem seiner Geldumschläge zum Geburtstag „nurn Zehner“ drin sei. Gleichzeitig kriegt man aber auch mit, wie sehr sich Uwe über Dinge freuen kann: ein gutes Eis, ein geschenktes Hemd seines Shantychors oder dass er mal wieder kurz das Training des Fußballclubs leiten darf.
Der Film hat mich nicht nur wegen Uwe und seiner Geschichte berührt, sondern wegen der Geschichte des ganzen Dorfes. Denn es geht zwar um Uwe, aber man ahnt, dass er auch deswegen glücklich und zufrieden vor sich hinleben kann, weil seine Umwelt es ihm ermöglicht hat. Uwe geht zu Fuß beschreibt auch das enge Gefüge einer Dorfgemeinschaft. Vielleicht hat mich der Film so fasziniert, weil ich selbst auf dem Land groß geworden bin und erst in der Großstadt gemerkt habe, wie beschaulich und freundlich es ist, in einem Dörfchen zu wohnen. Der Film fängt diese besondere Stimmung wunderbar ein: die Schützenumzüge, die Dorffeste, die manchmal ungelenken Tanzvorführungen und den ehemaligen Bürgermeister auf seinem blauweißgestreiften Gartenstuhl. Da kann man herrlich Witze drüber machen – oder sich eingestehen, dass Uwe in einer Großstadt wahrscheinlich kein so gutes Leben geführt hätte.
Uwe geht zu Fuß hat mich zum Lachen gebracht, zum Weinen, zum Nachdenken und zum Innehalten, und mir ist mal wieder bewusst geworden, wie gut es mir geht und dass ich nicht verlernen darf, mich über kleine Dinge zu freuen. Wie über einen guten Film zum Beispiel.
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Der Film ist auf DVD erhältlich und läuft ab 18. Juni im Metro-Kino in Kiel. Und im Weblog von Regisseur und Autor Florian von Westerholt gibt’s noch mehr Infos und Links.