Bücher 2009, September
Terry Moore – Strangers in Paradise (Pocket Edition 1)
Der erste Teil einer x-teiligen Saga über Francine und Katchoo, zwei junge Damen aus Houston. Die beiden beschäftigen sich sehr mit den Kerlen und wie nervig diese sind oder wie nett oder wie anhänglich oder oder oder, und nebenbei können sie sich nicht so recht entscheiden, ob sie selber nicht doch vielleicht auf Frauen stehen. Strangers in Paradise ist durchaus unterhaltsam, aber leider so gehaltvoll (und von den Storylines so weltfremd) wie eine Vorabend-Soap. Hat mich nicht richtig begeistern können. (Soviel zum Thema – laut Wikipedia – „Wir machen mal nen Comic für Frauen.“ Und: Ich hab immer ein schlechtes Gewissen, wenn mir Lesergeschenke nicht so recht gefallen.)
Marcel Proust – Auf der Suche nach der verlorenen Zeit 5: Die Gefangene
Nach dem vierten Band, in dem ich dem Erzähler schon dauernd eine reinhauen wollte, ist der fünfte noch schlimmer – und bedrückender. Marcel kann sich immer noch nicht entscheiden, ob er Albertine liebt oder nicht, gesteht sich aber ein, dass er sie nur deshalb bei sich haben möchte, damit das kein anderer kann – und Albertine sagt zu allem ja, führt aber ein Doppelleben, hinter das Marcel allmählich kommt. Das Thema Homosexualität schwingt wieder bei allem mit; diesmal bekommt Charlus die Ablehnung seiner Umwelt zu spüren, während Marcel sich pennälerhaft ausmalt, was Albertine wohl mit ihren Gespielinnen macht. Der Tonfall des Buchs wird immer unangenehmer, die freudige Entdeckung seiner Umwelt weicht beim Erzähler nach und nach immer tiefergehenden Beobachtungen, die nicht nur ihm, sondern auch dem Leser allmählich an die Nerven gehen (nein, nicht auf. An). Auch in Die Gefangene treiben wir uns wieder auf einem Salon herum, der diesmal aber nicht vom üblichen Small Talk regiert wird, sondern von einem handfesten Eklat und sehr unschönen, direkten Worten. Ich war sehr überrascht, dass aus der plüschigen Recherche auf einmal ein finsteres Psychogramm geworden ist und bin gespannt auf die beiden letzten Bände.
John Berendt – The City of Falling Angels
Berendt beginnt sein „Sachbuch“ (mir gefällt hier der englische Ausdruck non-fiction besser, weil eben die Fiktion, die Erzählung, mit drin steckt) mit dem Brand des Opernhauses in Venedig 1996 und beendet es mit dem endgültigen Schuldspruch der Brandstifter und der glorreichen Wiedereröffnung 2003. Dazwischen beschreibt er den Prozess, aber einen viel größeren Raum nehmen weitere Bewohner Venedigs ein. Reiche Gönner, amerikanische Stiftungsgründer, die Mätresse von Ezra Pound, der Dichter Mario Stefani, der angeblich erfolgreichste Hersteller von Rattengift weltweit und viele weitere Personen erzählen Berendt aus ihrem Leben, und der schreibt das ganze relativ wertungsfrei auf. Mir hat Angels ein kleines bisschen weniger gefallen als das gefühlt viel dichtere Midnight in the Garden of Good and Evil, aber ich mag Berendt Stil sehr gerne, weil er immer ein Adjektiv parat hat, mit dem ich nicht gerechnet habe.
David Mazzucchelli – Asterios Polyp
Eine fantastische graphic novel. Asterios ist ein 50jähriger Architekt, von dem nie ein Gebäude gebaut wurde, weswegen er an einem College lehrt. Sein ganzes Leben ist für ihn ein Spiel der Gegensätze. Nie so simpel wie schwarz/weiß, aber sein arrogant-klares Weltbild kommt ihm ziemlich in die Quere, als er versucht, seine Ehe zu retten. Eines Tages schlägt der Blitz in sein Appartement ein; das entstehende Feuer verbrennt seinen gesamten Besitz, worauf er sich mit seinem letzten Geld eine Busfahrt in den mittleren Westen kauft und ein neues Leben als Automechaniker beginnt. Asterios Polyp erzählt nicht nur diese Geschichte, sondern auch die seiner Frau, seines toten Zwillingsbruders, einer Neuentdeckung von Orpheus in der Unterwelt, von neuen Kompositionstechniken und alten Gottheiten – und ist dabei auf jeder Seite eine optische Überraschung, obwohl alles wunderbar zusammenpasst. Und nebenbei: großartige Frauenfiguren.
(The Comic Reporter schreibt viel, viel mehr über Asterios. Und zeigt ein paar Bilder.)
Alison Bechdel – Fun Home: A Family Tragicomic
Fun Home ist eine sehr schlaue und poetische Autobiografie in Comicform, die sich auf wenige einschneidende Erlebnisse von Autorin Alison Bechdel konzentriert: ihr Coming-out, der Tod ihres Vaters, die Enthüllungen nach seinem Tod, die ihr eigenes Leben noch nachträglich beeinflussen bzw. die sie alte Erinnerungen reflektieren lässt. Das Buch fühlt sich sehr intim an; man kann Bechdel fast beim Denken und Fühlen zugucken, es scheint, als ob der Comic vor den Augen des Lesers entsteht, weil er sich so langsam und doch so zwingend entfaltet. Mir haben sowohl die Zeichnungen gefallen, die sehr detailreich waren und mich an die Ligne claire erinnert haben. Und noch mehr mochte ich den Tonfall, der erstens durch eine sehr starke weibliche Stimme beeindruckt und zweitens durch sehr kluge (manchmal etwas neunmalkluge) Anmerkungen zum großen Gatsby, Ulysses und, ja genau, dem ollen Proust, der mich schon seit Monaten begleitet.
Bryan Lee O’Malley – Scott Pilgrim’s Precious Little Life, Vol. 1
Ich bin mir nicht mehr sicher, ob das ein Leser- oder Followertipp war. Wenn ja, hab ich mal wieder ein schlechtes Gewissen, denn so toll fand ich die Wuselnase Scott mit seiner Band und seinem präpubertären Herzschmerz leider nicht. Die Zeichnungen waren mir zu beliebig (ich musste mich immer an Sommersprossen oder Frisuren orentieren, um festzustellen, wen ich gerade vor mir habe), und die Geschichte war dann auch eher ein auf 160 Menge Seiten gestreckter Facebook-Dialog („… und dann hab ich ne schräge Frau kennengelernt, für die ich meine jetzige Freundin totaaal vergessen hab.“ – „Ach was?“). Das Buch hat auch kein Ende, sondern einen Cliffhanger, aber selbst der hat mich nicht davon überzeugt, dass ich dringend die restlichen Bände kaufen müsste.