Collateral
Regisseur Michael Mann hat ein Händchen für schöne Settings und stimmungsvolle Bilder. Davon lebt auch Collateral, den nicht mal Tom „One face fits all“ Cruise ruinieren kann. Er kann den Film ein bisschen schlechter machen, und ein paar Szenen fallen auch sehr aus dem Rahmen der nächtlichen, grün ausgeleuchteten, fast elegischen Fahrt durch Los Angeles, aber im Großen und Ganzen ist Collateral ein sehr schöner Film geworden.
Die Story hat leider von Anfang an eine große Macke: Kein Killer würde meiner laienhaften Meinung nach einen Taxifahrer engagieren, der ihn von Job zu Job fährt. Unnötige Zwangskomplizen stören schließlich nur. Und so bemüht sich Jamie Foxx als Cabbie auch nach Kräften, Herrn Cruise bei seiner killing spree ins Handwerk zu pfuschen. Das gelingt ihm manchmal, manchmal eher nicht. Lakonische Dialoge, die fast Selbstgespräche sind, machen einen Großteil des Films aus. Manchmal gehen diese Dialoge in die Hose, so zum Beispiel, wenn die beiden gegenseitig ihr Leben analysieren. Dann doch lieber Gespräche über Moral und Professionalität anstatt über „Mein Vater war so gemein zu mir, wäwäwä“.
Collateral fühlt sich über weite Strecken an wie eine Meditation über die Stadt. Die Millionen von Menschen, die Anonymität, das Streben jedes Einzelnen nach dem großen Los und im Gegenzug das Scheitern an sich selbst, untermalt mit langen Kameraschwenks über leere Straßen, rote Ampeln und kalte Lichter. Der Film hätte so schön sein können, wenn nicht Foxx mittendrin kurz zum Gangster hätte mutieren müssen und Cruise zum Schluss nicht wie der Terminator ausgesehen hätte. Der Rhythmus des Films war damit leider dahin, und so reicht es nicht ganz für den Daumen nach oben. Aber die Grundstimmung des Films, die Einsamkeit, die kurzen Augenblicke, die alles entscheiden, das Hoffen auf den Sonnenaufgang – das hallt noch länger nach.
Die Macke lässt sich vielleicht damit erklären, dass dieser Killer innerhalb weniger Stunden mehrere Personen erledigen muss, wohlgemerkt in Los Angeles. Gut, heutzutage könnte man dank GPS selber mit dem Auto durch die Großstadt fahren, aber 1.) weiss der Taxifahrer anfangs nicht, was der Kunde vor hat und 2.) entscheidet sich der Killer aufgrund von Sympathie (denke ich) dafür, den Fahrer nicht zu töten, sondern weiterhin zu benutzen.
Aber wie Herr Mann jedes Mal diese wunderbare Großstadt Atmo rüberbringt ist genial. Komplett fehlbesetzt fand ich übrigens den mexikanischen Cop.
lars am 03. January 2005
Ich hätte noch eine Erklärung für die Benutzung des Taxifahrers: Wenn ich das richtig mitbekommen habe, erzählt einer der Cops einem anderen etwas von einem anderem Fall, in dem ein Taxifahrer spontan durch eine Stadt gefahren ist, drei Leute umgebracht hat, und am Ende sich selbst. Und der zweite Cop meint, das es Leute gegeben hätte, die noch eine zweite Person im Taxi gesehen haben wollen. Ich gehe daher davon aus, das Jamie Fox am Ende den durchgedrehten Taxifahrer geben sollte, der sinnlos 5 Menschen tötete, und sich am Ende ne Kugel in den Kopf jagt. Aber auch das ist eigentlich recht unrealistisch. Gefallen hat mir der Film trotzdem, wenn auch das Ende a) vorhersehbar und b) absolut unrealistisch war.
Dirk am 03. January 2005
Ich konnte nach dem Film einen Gedanken nicht loswerden: Was hätte daraus werden können, wenn man statt Tom Cruise einen richtigen Schauspieler genommen hätte?
Mike am 03. January 2005
Dirk hat doch genau das gesagt, was der Film als Erklärung für die Benutzung des Taxi-Fahrers sagt: Jamie Foxx sollte der Sündenbock werden am Ende. Klar ist das nicht superrealistisch, aber es entbehrt trotzdem nicht einer gewissen Logik des Selbstschutzes für den Killer. Von der Tatsache, dass kaum jemand sich besser in einer Stadt auskennt als ein Taxifahrer.
Also ich fand den Film einfach fantastisch, halte auch Tom Cruise für einen genialen Schauspieler und fand gerade die Dialoge zwischen Cruise und Foxx super gelungen, weil sie sich gegenseitig besser analysieren konnten als jeder sich selbst – nur Foxx gelang es am Ende, mit der Selbsterkenntnis auch fertig zu werden und er ist darum über sich hinausgewachsen und hat gewonnen.
Bilder, Musik und Stimmung wurde ja bereits genug gelobt, da muss ich nix mehr zu sagen :)
Micha am 03. January 2005