words in progress
Die alten Kinokarten durch die Hände gleiten lassen, nochmal nachfühlen, ob man wirklich im Kino war, sich erinnern, dass man in viele Filme aus einem blödsinnigen, irrealen Pflichtgefühl gegangen ist
– den unbekannten Lesern gegenüber, weil man ja nach dem Film planmäßig zum iBook fährt, rennt, bloß keinen Gedanken verlieren auf dem Weg nach Hause, neuerdings gerne mit dem Bus ins Kino, weil man danach ins Moleskine erste Fetzen schreiben kann und nicht bis zum iBook warten muss, sich an Zitate erinnern, an Bilder, an Momente, die besonders waren, an alles, was schön ist und neu und unbekannt und aufregend, dann diese unfassbaren Augenblicke zusammenfassen, dauert inzwischen fast immer genau eine Stunde, eine Kritik, eine Stunde, die Schwierigkeit, den ersten Satz zu finden, der in den Text hineinlockt und den letzten, der den Leser wieder entlässt, der Mittelteil, nicht zu opulent, aber doch ausführlich durchdacht, nicht zuviel verraten, nicht zuwenig, soll’s jetzt lustiglaunig werden oder doch eher faseligfilosofisch, da ist sie wieder, meine Lust am Worteerfinden, passt das denn überhaupt, ist das nicht zuviel von mir, muss ich mich nicht völlig zurücknehmen, wenn ich be-schreibe, ist ja schließlich das fertige Werk eines anderen, das ich seziere, muss ich nicht Abstand halten, kann ich so nah rangehen, kann ich mich mit einbringen, wenn nicht, wozu dann das alles, wozu sollte ich sonst schreiben, wozu sollte ich mich an alles erinnern, was weh getan hat
– dem anzuhäufenden Popkulturwissen gegenüber, man will ja schließlich wissen, was passiert, man muss Tagesschau gucken und Spiegel Online lesen und salondotcom und die völlig zugestopfte Blogroll, lesen, begreifen, hinterfragen oder doch bloß die Augen aufreißen und hoffen, dass ein paar der Buchstaben im Hirn bleiben, damit man schlau klingt, wenn man sich mit neuen Bekanntschaften unterhält oder total clevere Referenzen in seine Texte einfließen lässt oder lustige Ideen für Kunden entwickelt, nimm alles mit, lies mehr, guck mehr, mach mehr, probier mehr, nicht abschalten, dranbleiben, tuned stayen, weitergucken, weiterschlucken, weiterspucken bis dahinten über die Ziellinie, kannst du sie sehen, ich finde den Horizont schon nicht mehr vor lauter Worten und Bildern und Lärm
– mir selbst gegenüber, zwar weiß ich viel, doch möcht’ ich alles wissen und alles anfassen und alles essen und alles erleben, bloß nicht stehenbleiben, bloß nichts verpassen, bloß nichts vergessen, weiteratmen, schnellschnell, zackzack, ein, aus, rein, raus, lauf weiter, guck weiter, mach weiter, könnte ich glücklicher sein, wenn ich weniger wüsste, könnte ich zufriedener sein, wenn ich nicht immer irgendetwas nachjagen müsste, einem Ideal, einem Wissensstand, einem Fähigkeitsgrad, einer Optik, einer Summe, könnte ich einfach mal stehenbleiben und sagen, das ist es jetzt, mein Leben, so und nicht anders, nichts soll sich ändern, alles soll so bleiben, kann ich nicht, weiß ich ja, anywhere but here, anytime but now, anyone but me und selbst in den Momenten, in denen ich alles habe, in denen mir alles gehört, in denen mir nicht mal eine winzige Kleinigkeit einfällt, die ich mir wünschen könnte, selbst dann höre ich nicht auf, mir winzige Kleinigkeiten zu wünschen, und so merke ich gar nicht, dass alles schon da ist, was ich mir gewünscht habe, dass ich bin, was ich immer sein wollte, dass ich so glücklich bin, dass ich schon wieder unglücklich bin
wozu das alles, keine Ahnung, aber jetzt hab ich die Karte schon gekauft und das Licht geht aus und ich will den Leuten, die immer noch reden, eine reinhauen und da kommt das Produktionslogo und der Vorspann, Gesichter flackern, Leben werden erzählt und ich merke, wie ich lächele, bei jedem verdammten Film, es erwischt mich immer wieder, blödes Kino, blöde Filme, Flucht vor sich selbst, Flucht zu sich selbst, I salute you, I need you
I love you.