Closer
Closer (Hautnah, USA 2004, 98 min)
Darsteller: Julia Roberts, Jude Law, Natalie Portman, Clive Owen
Kamera: Stephen Goldblatt
Drehbuch: Patrick Marber, nach seinem gleichnamigen Bühnenstück
Regie: Mike Nichols
Closer beginnt mit einem Song von Damien Rice; die ersten Zeilen verraten eigentlich schon den ganzen Film: “And so it is, Just like you said it would be.” Die vier Personen, die sich in Closer aufeinander zu- und wieder voneinander wegbewegen, sprechen die ganze Zeit miteinander und erzählen sich, wie schön die Liebe sei. Aber es fühlt sich nie so an, als ob sie wirklich wüssten, wovon sie reden, obwohl sie es sich doch so sehr wünschen.
Natalie Portman spielt Alice, eine Stripperin, in die sich Dan (Jude Law), ein Journalist und Möchtegernschriftsteller, verliebt. Eben noch haben die beiden sich kennengelernt – wir sehen sie bei ihren ersten Flirtversuchen, bewundern Alices Unkonventionalität und Dans verlegenes Werben –, da macht der Film schon den ersten Zeitsprung. Es ist ein Jahr später, die beiden sind ein Paar, Dan hat wirklich ein Buch geschrieben und braucht nun Fotos von sich für den Umschlag. Die Fotografin Anna (Julia Roberts) macht seine Aufnahmen, die beiden sind sofort voneinander fasziniert, und damit beginnt ein langjähriges Hin- und Her zwischen den dreien und Annas noch hinzukommenden Ehemann Larry (Clive Owen). Beide Paare geben vor, sich zu lieben und erliegen doch den Reizen des jeweils anderen.
Closer lebt von seinen Dialogen. Eigentlich lebt Closer ausschließlich von seinen Dialogen, denn fast alles, was passiert, wird uns erzählt. Oder erzählt und gezeigt, aber selten gibt es mal eine Minute auf der Leinwand, in der einfach Dinge passieren anstatt dass darüber geredet wird. Aber genau das macht auch den Reiz des Films aus; anstatt sich auf Action und bunte Bilder zu verlassen (oder auf seine nicht unattraktiven Hauptdarsteller), macht der Film das gesprochene Wort zum Mittelpunkt. Die einzelnen Charaktere definieren sich über ihre Sprache, über das, was sie sagen, aber auch über das, was sie nicht sagen. Die Frage stellt sich auch, wenn das Thema Untreue zur, genau, Sprache kommt: Muss man dem Partner alles sagen? Sollte man? Darf man? So fragt Dan zum Beispiel: “What’s so great about the truth?”
Dadurch, dass sich die vier alles sagen, verletzen sie den anderen dauernd und konsequent. Gleichzeitig schafft die Wahrheit natürlich eine neue Gelegenheit, das Beziehungsgeflecht ein weiteres Mal neu zu knüpfen, jetzt, wo man das alte durch die Wahrheit hinter sich gelassen hat. Die Dialoge klingen sehr ausgefeilt und seltsam wahr, obwohl die meisten Sätze so sicher nicht gesagt werden würden, vor allem nicht mitten im schönsten Beziehungskrach. Aber sie klingen alle wohlüberlegt, so als ob die Figuren eher an einer Vorstellung von Liebe, einer Vision, eines Entwurfs ihres Lebens und Zusammenseins interessiert wären als an der Wirklichkeit, mit der sie sich auseinandersetzen müssen.
Im Laufe des Films verschieben sich die Schwächen und Stärken der Charaktere und damit auch, was sie sagen und wie sie es sagen. War zum Beispiel Alice anfangs unabhängig und stark, wandelt sie sich durch die Beziehung zu Dan zu einer klammerigen, schwachen Frau. Strippt sie aber für Larry, hat sie wieder die Oberhand und kann ihm diktieren, was sie will. Larry selbst ist anfangs nur das Anhängsel von Anna, klingt pseudo-draufgängerisch und ist doch in Wirklichkeit ein armes Würstchen. Nur in einer Szene darf er stark sein, und das ist auch die, die mir persönlich am besten gefallen hat: Larry gesteht Anna, dass er auf seiner Geschäftsreise mit einer Prosituierten geschlafen hat – ob sie ihn jetzt verlassen wolle? Worauf Anna fast erleichert meint, dass das schon okay sei und ob er einen Tee wolle. Natürlich vermutet Larry richtig, dass sie eine Affäre mit Dan habe, und er beginnt sie nach Details ihrer Liebesnächte auszufragen: wo sie es getan hätten, ob sie gekommen sei, wie er schmecken würde. Ich fand es sehr spannend, den Megastar Julia Roberts über so etwas Profanes wie den Geschmack von Sperma reden zu hören; komischerweise hatte ich seit langem mal wieder das Gefühl, ihr eine Rolle abzunehmen. Wahrscheinlich, weil die Diskussion sich so echt anfühlte, weil man, wenn man verletzt ist, eben Blödsinn fragt und eigentlich gar keine Antwort hören will, man aber trotzdem fragt. Vielleicht um des Fragens willen, um den Abschied hinauszuzögern, ich weiß es nicht. Dass er all das eigentlich gar nicht hören will, wird auch Larry klar und er beendet das Gespräch schlicht und passend: “Thank you for your honesty. And now fuck off and die.”
Clive Owen ist der einzige, der nicht ganz blutleer daherkommt. Man nimmt ihm ab, wenn er verletzt ist; wenn Jude Law dagegen Tränen vergießt, sieht das alles gestellt aus, eben passend zu seiner Figur, die auch von ihren Geschichten lebt anstatt von der Wahrheit. Natalie Portman gelingt es, beide Seiten von Alice glaubhaft darzustellen, auch wenn es mich nicht überwältigt hat. Julia Roberts hat sicherlich den unsympathischsten Charakter erwischt, und ich fand es sehr schön zu sehen, dass bei der spröden Anna der übliche Roberts-Schnulzen-Charme versagt und sie dadurch wirklich mal eine echte Person darstellen darf – und das auch noch hinbekommt (trotz sehr undankbarer Kostüme).
Zum Schluss bekommt jeder die Beziehung, die er sich herbeigeredet hat. Ob diese nun gut ist oder schlecht, wissen wohl nur die Figuren selbst. Closer entlässt einen etwas erschöpft, weil man in zwei Stunden mehr Beziehungsarbeit abbekommen hat, als man eigentlich in zwei Jahren haben möchte. Und dummerweise haben es die Charaktere trotz ihrer Eloquenz nicht geschafft, mich auch nur für einen von ihnen zu begeistern. Ich fand den Film gut, ich fand ihn angenehm abgehoben, nicht so runtergedummt wie das meiste, was an Filmdialogen eben da ist, aber ein bisschen mehr Wärme hätte nicht nur den Personen, sondern auch dem ganzen Film gut getan. Über Herzensangelegenheiten zu reden, ist gut und schön. Aber sie nachempfinden zu können, wäre noch besser gewesen.
hört sich furchtbar kompliziert an, der film.
ix am 16. January 2005
Der film hört sich gar nicht so kompliziert an, im Gegenteil sehr interessant. Ich war ja schon sehr gespannt auf den Kommentar von Frau Gröner über Julia Roberts, die sie ja offensichtlich nicht zu ihren Favoriten zählt – übrigens zu Recht, meiner Meinung nach – war dann aber auch positiv überrascht von dem insgesamt positiven Endruck. Ich hab den Film noch nicht gesehen, aber es sieht so aus, als ob ich ihn sehen sollte. Bisher hatten Frau Gröner und ich doch sehr oft einen ähnlichen Geschmack. Allerdings ist es bei Filmkritiken bei ihr eh meistens so, dass wenn man scrollen muss um sie ganz zu lesen, dann war der Film meistens gut, abgesehen von ganz wenigen, die sie in der Luft zerissen hat und das auch genüsslich in die Länge gezugen hat. Da war man meistens aber eh schon vorbereitet drauf.
Günther am 16. January 2005
Also ich bin jetzt auch neugierig geworden und werde mir den mal auf die “noch anschauen”-Liste setzen. Habe gerade gesehen, dass Herr Owen und Frau Portman den Gloden Globe bekommen haben.
Olly am 17. January 2005
sehr unterhaltsam sind auch die diskussionen bei imdb, ob denn ehrenwerte schauspielerinnen wie julia roberts und natalie portman so unglaublig obszöne frauen spielen dürfen…
… passend da der einwand eines mitdiskutierers, dass frau roberts ja ihre weltkarriere als pretty woman prostituierte begonnen hat (aber über richard, den galante gentleman, wurde uns auch nicht der geschmack seines spermas verraten!)
mo am 17. January 2005
Warum sind die Menschen in solchen Filmen eigentlich immer so außergewöhnlich schön?
Rally am 20. January 2005
wären sie gewöhnlich hässlich, würde ihnen wohl keiner das abnehmen, was sie versuchen den zuschauern zu vermitteln.
“was? DER kriegt keine ab? kann doch gar nicht sein…” – “jaja, liebe ist komplizierter als du denkst.”
sa?cha am 23. January 2005
Wow, da spricht mir eine aus der Seele. Ich habe über Patrick Marber’s (auch Drehbuch) Bühnenvorlage meine Hausarbeit geschrieben und war bereits von den gedruckten Worten derart fasziniert und auch mitgenommen. Dementsprechend war ich auf die Verfilmung, die Versprach dem Original sehr nahe zu kommen, sehr gespannt und wurde nicht enttäuscht. Auch wenn die Charektere allesamt nun wirklich keine Identifikationsfiguren sind, so wird der ein oder andere in ihren Worten doch eine Menge Wahrheit finden und dadurch vielleicht durchaus bestürzt zurückgelassen. Insgesamt wird die gesamte Geschichte stark durch den Gegensatzt “Fantasie” und “Nähe” geprägt. Eine Fantasie von den Perfekten Partner wird hier durch zunehmende Nähe zerstört, weshalb sich die Charaktere nie “close” sondern nur “closer” kommen. Stattdessen flüchten sich die Protagonisten in den nächsten Seitensprung.
Die Starpower des Films wird wahrscheinlich einige in die Kinos gezogen haben, die mit dieser Art stoff nicht unbedingt rechnen. Wer aber durchhällt wird echt mit einen Beindruckenden Film belohnt.
Jay am 30. August 2005