Brrrm, brrrm, brrrm, und dann setzte der Panzer in die Parklücke
John Z. DeLorean ist am vorvergangenen Samstag an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben.
Ich kannte den Namen, ehrlich gesagt, nur aus Back to the Future. Aber seit ich die Karre, den inzwischen legendären DeLorean DMC 12, das erste Mal gesehen habe, lässt mich das fiese 80er Jahre-Design nicht mehr los. Ich mag die eckigen Konturen, dieses klaren Punkt, den das Auto setzt. Kein Schnickschnack, kein abgerundeter Mädchencharme, nein, harte Kanten, straffe Linien, fertig, aus.
Ich mag Autos. Ich schreibe sogar beruflich über sie. Das hätte ich mir zu Anfang meiner Werberkarriere zwar nie vorstellen können, aber sobald ich mein erstes Mailing für einen (Achtung, Synonym- und Pathos-Alarm) großen deutschen Autobauer getextet hatte, wusste ich: Das isses. Scheiß auf Anzeigen und Fernsehspots – ich will die Langstrecke schreiben. Ich will mir Kataloge ausdenken, die auf 60 Seiten über Motoren, Drehmomente und Fahrspaß schwärmen. Ich will über die definierten Linien des Fahrzeugkörpers sabbern, über die aufregenden Lackfarben, über die sinnliche Haptik im Innenraum, über die Dynamik der Beschleunigung und das Glücksgefühl des Vorwärtskommens. (Und wenn ich beruflich über die Schnuckis schreibe, habe ich intelligentere Adjektive auf Lager. But not now.)
Ich kann mich an eine Präsentation eines neuen Auto-Modells erinnern, zu dem wir den Katalog machen sollten. Die Karre war noch nicht fertig; es waren nur zwei Modelle ohne Motor da, allerdings schon in Originalgröße, lackiert und zum Reinsetzen und Alles-Anfassen. Wir saßen also mit dem Kunden bei Kaffee und Schnittchen in einem abgedunkelten Raum, in dem unter zwei weißen Tüchern verborgen das neue Auto stand. Zuerst durften die Designer über ihre Inspirationen sprechen und uns Bilder zeigen von Motiven und Dingen, mit denen sie sich beschäftigt hatten, bis sie auf die neue Linienführung des Autos gekommen wären. Dann erzählte der Kunde etwas über die Käuferstruktur und was überhaupt alles so toll an dem Fahrzeug wäre. Dann durften die Ingenieure ihr Baby von der technischen Seite vorstellen, und dann endlich wurden die Tücher hochgehoben – und Anke konnte sich nicht entscheiden, ob sie lieber den schwarzlackierten oder den silbernen gleich mitnehmen wollte.
Es war so fantastisch, ein niegelnagelneues Auto anzufassen, auch wenn es streng genommen noch kein richtiges Auto war. Der Lack war so unberührt wundervoll, alles blitzte und blinkte, und natürlich war es vor allem einfach geil (es gibt kein besseres Wort), ein Auto zu sehen, das sonst noch niemand gesehen hatte. Ich bin über eine Stunde lang um die beiden Modelle rumgeschlichen, habe zärtlich das Heck (nach Innenraum mein Lieblingsfeature bei jeder Karre) vom silbernen Fahrzeug gestreichelt, habe mich ehrfürchtig in das schwarze gesetzt und über das jungfräuliche Cockpit gelächelt und habe jedem der Designer persönlich gesagt, dass dieses Modell das schönste sei, was die Firma je rausgehauen habe.
Inzwischen ist das Auto längst im Handel. Und ich muss gestehen, ich schaue ihm immer noch jedes Mal hinterher, wenn es an mir vorbeifährt. Genau wie jedem anderen Modell, für das ich gearbeitet habe. Es ist eine ganz seltsame – und, wenn man rational darüber nachdenkt, eine ziemlich bescheuerte – Vertrautheit, die mich mit dem jeweiligen Auto verbindet. Aber wenn man wochenlang die Heckleuchten angeguckt hat, um irgendwas über sie zu sagen oder die Felgen oder den Motor, dann entwickelt man irgendwann das automobile Stockholm-Syndrom, wo man die Karre einfach nur noch heiraten möchte.
Das Spannende an Werbung ist ja, dass man zu allem, mit dem man sich gezwungenermaßen 24 Stunden am Tag auseinandersetzt, eine ganz besondere Beziehung aufbaut. Um ein Produkt richtig zu bewerben, muss man einfach wissen, was es ausmacht, was es anders macht, wie es sich anfühlt etc. Und je länger man über alle Produktbesonderheiten nachdenkt, desto größer wird die Bindung zwischen Werber und Beworbenem. So geht es mir jedenfalls. Ich finde grundsätzlich das Auto am schönsten, über das ich gerade nachdenke. Ich bin grundsätzlich davon überzeugt, die ehrlichste Bank der Welt zu kennen, wenn ich gerade Copys für sie schreibe, oder das leckerste Bier oder den besten Fernseher. Wenn ich nicht selbst an das glaube, was ich gerade schreibe, wird das auch kein Konsument tun. Das führt zwar bei mir dazu, dass ich ziemlich betriebsblind durch die Gegend texte, aber wahrscheinlich hat der jeweilige Kunde nichts dagegen.
Auf jeden Fall arbeite ich am liebsten für Autokunden. Alles andere mache ich gern bis mittelgern, aber richtig Spaß macht mein Job, wenn ich über technische Raffinessen und Polsterstoffe schreiben darf, über Beschleunigungswerte und Sonderausstattungen. Und wenn ich einmal ganz, ganz doll reich bin, kaufe ich mir jede Karre, für die ich jemals was geschrieben habe. Und dazu den DeLorean, weil ich ihn seit 20 Jahren haben will, obwohl ich doch weiß, dass meine Rückenschmerzen in ihm garantiert nicht besser werden.
Tja, bei Autos kann ich das absolut nachvollziehen. Frage mich aber, wie es Ihren Kolleginnen und Kollegen dabei geht, wenn sie profanere Gebrauchsgüter betexten müssen. Ob dieses Stockholm-Syndrom auch bei Küchenrollen oder Haftreinigern auftritt.
Als Journalist bin ich natürlich auch nicht völlig gefeit gegen sympathisierende Anwandlungen dem Berichterstattungs-Gegenstand gegenüber. Aber da gibt es ja die unausgesprochene (und oft ignorierte) Verpflichtung, auch die andere Seite zu berücksichtigen. Und bisweilen tröstet mich die Möglichkeit ungemein, irgendwas oder irgendwen so richtig in die Tonne zu
tretenschreiben. Auch wenn das in der Praxis selten vorkommt…mark793 am 29. March 2005
Ein sehr nützlicher Einblick, Anke. Er hilft auf seine Weise, Werbung und PR voneinander abzugrenzen: Ein PR-Text richtet sich ja nicht direkt an den Verbraucher / Käufer, sondern an einen Vermittler – meist Journalist. Und deshalb braucht er viel sachliche Distanz, um nicht als Werbung im Papierkorb zu landen.
(Ich würde ja behaupten, dass vor zu großer Autobegeisterung geschützt ist, wer wie ich in einer Autostadt geboren wurde und aufwuchs. Doch dann schaue ich meinen Kühlergrill-diskutierenden Bruder an und weiß, dass das nicht stimmt.)
kaltmamsell am 29. March 2005
Falls es dich mal in den Süden der Republik verschlägt.
http://www.museum-sinsheim.de/000040B5AC80_D9A05548_00000B20_0001.html
Tobias Müller am 29. March 2005
In einem früheren Leben sah ich auch manchmal Autos, die bis dahin noch nicht viele gesehen hatten, sprach mit Designern und Technikern, um anschließend darüber zu schreiben. Und jedes Mal erfasste mich- der von Frau Gröner beschriebene Haben-wollen-Reflex, weil ich irgendwie selber glaubte, was ich an Unsinn schrieb, über gewölbte Flächen und präszise Fugenverläufe und Fenstergrafiken wie Kunstwerke.
Was bei mir aber ganz anders ist: Sobald die Autos auf der Straße waren, hatten sie ihren Reiz völlig verloren. Was war und bin ich froh, keinen TT zu besitzen, den ich schon fast im Voraus bestellt hätte, in der ersten Euphorie. Was ich sehr bewundere: Wie man diese Autos nach dem fünften und zehnten Mal noch spannend, gar anders und einmalig finden kann, noch ein bestes, schönstes, stärkstes Auto der Welt, na und, und ich bin mir sicher, Frau Gröner, Audi würden Ihre BMW-Texte ebenso so gut gefallen (oder umgekehrt, ich weiß ja nicht), wenn sie statt Hinterrad- einfach Allradantrieb schreiben, und nicht einmal ahnen, dass sie ursprünglich für den Feind verfasst wurden. Mir sind ja inzwischen sterbenslangweilige Autos wie der Touran am liebsten (sofern sie nur schwarz sind), weil sie nicht schöner, stärker, besser sein wollen als ich selbst es bin.
Tankwart am 30. March 2005