We will rock you Who let the dogs out Keep on running oder: Warum Frau Gröner diese Songs in den nächsten zwei Wochen nicht mehr hören will
Frau Gröner war nämlich beim American Football und ist jetzt taub. Genauer gesagt war Frau Gröner beim Spiel der Hamburg Sea Devils („Gooooo, Sea Devils, ready to rock, ready to roll“ – wenn ich den Vereinssong richtig verstanden habe) gegen Düsseldorf Rhein Fire, meine heimlichen Lieblinge der NFL Europe, weil die die schönsten Trikots haben. Und viel bessere Cheerleader („Pyromaniacs“) als die langweiligen Sea Pearls.
Ich war vor ungefähr 15 Jahren das letzte Mal in einem Fußballstadion, und das nicht mal zum Fußball. Genesis spielten damals im Niedersachsenstadion, und ich Weichei hatte Tribünenkarten, nachdem ich das Erlebnis Innenraum bei Michael Jackson nicht sonderlich genossen hatte. Ich erinnere mich, dass man wahnsinnig weit weg vom Geschehen saß. Umso mehr war ich über das Innere der AOL-Arena (formerly known as Volksparkstadion) begeistert, wo ich auch auf der Tribüne saß, aber trotzdem das Gefühl hatte, fast direkt am Rasen zu sitzen. Die Ränge sind ziemlich steil angeordnet, so dass man vielleicht etwas weiter oben sitzt als in „klassischen“ Stadien, aber dafür eben auch näher dran.
Die NFL Europe ist so eine Art Trainingslager für US-Talente, die in der Sommerpause der NFL ein bisschen Spielpraxis kriegen sollen. Und deshalb wurden vor dem Spiel sowohl die deutsche als auch die amerikanische Hymne angestimmt. The Star-Spangled Banner wurde vierstimmig und sehr schmissig von einer mir nicht bekannten Boygroup aus Hamburg dargeboten. An der deutschen Hymne versuchte sich laut Stadionsprecher ein Tenor, der seit 30 Jahren an der Hamburger Oper singt. Wahrscheinlich hat er in dieser Zeit noch nie das Deutschlandlied singen müssen, denn er hat es trotz Zettel in der Hand nicht geschafft, den Text fehlerfrei hinzukriegen. „Sind des Glückes Unterpfand“ ist aber auch ne echt schwere Zeile. Und die Melodie ist auch nicht ohne, ich weiß. (Oh Mann.)
Ich habe mich im Publikum recht wohl gefühlt, auch weil ich zum ersten Mal nicht das Gefühl hatte, mein Shirt erklären zu müssen. Zur Feier des Tages habe ich mein Indianapolis Colts-Shirt mit der 18 getragen. Generell waren neben vielen Blue Devils– und Sea Devils-Shirts viele Trikots von NFL-Mannschaften vertreten. Direkt vor mir saß ein Minnesota Viking, und drei Reihen weiter unten saßen die St. Louis Rams friedlich neben den San Francisco 49ers. Das Publikum kam mir jünger vor als ich den gemeinen deutschen Fußballfan einschätze, aber da kann ich mich irren. Da ein Football-Spiel ungefähr drei Stunden dauert, kann man doppelt so viel Bier in sich reinkippen als beim anderthalbstündigen Fußballmatch, was dazu führte, dass der Rückweg zur S-Bahn ziemlich lautstark von den üblichen Deppengesängen begleitet wurde, womit alle Unterschiede zum Fussi-Publikum wieder dahin wären.
Apropos Deppengesänge. Ich als Rudeltier fand es sehr schön, dass nach jedem Spielzug ein bisschen Schunkelmusik über die Lautsprecher kam, um das Publikum ja nicht zur Ruhe kommen zu lassen. Und natürlich, damit die Cheerleader einen Rhythmus zum Mithüpfen hatten. In der Ãœberschrift habe ich schon ein paar der Knaller aufgelistet, bei denen man schön mitgrölen konnte. Auch immer gerne durchs Stadion gejagt wurden Song 2, Kids, Let’s have a party, Highway to hell und – mein Liebling – bei gelungenen Spielzügen der Düsseldorfer Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern.
Ansonsten habe ich mich über die zwei debilen Maskottchen der Vereine amüsiert, die drei Stunden lang an den Seitenlinien rumgehüpft sind (the Studentenjob from hell), mich über die äußerst sauberen Toiletten gefreut und über den Mann mit der mobilen Zapfanlage auf dem Rücken, der per Schlauchpistole die 0,5l-Becher (im vollen Zustand stapelbar – dass ich das noch erleben darf) füllte. In den letzten 15 Jahren hat sich das Gebahren im Stadion doch arg gewandelt. Als ich vor 100 Jahren mit meinem Papa in Hannover mal Irland gegen UdSSR geguckt habe, musste man noch stundenlang am Getränkewagen anstehen. In der AOL-Arena rannten die ganze Zeit freundliche Verkäufer mit allerlei Backwerk und Zuckerzeug direkt vor meiner Nase rum. Kein Wunder, dass so viele Fans den obligatorischen Sportfan-Bierbauch vor sich hertragen. (Nein, mein Bauch ist ein Filmfan-Eisbauch.)
Wer dieses Erlebnis auch mal genießen möchte, kann das zum Beispiel am 30. April um 19 Uhr (Kick Off) tun. Dann empfangen die Sea Devils die Cologne Centurions und kriegen wahrscheinlich auf die Fresse. Macht aber nix. Das Spiel war mir vorgestern auch irgendwann egal. Ich fand’s einfach nett, ein bisschen mit der Masse mitzusingen, beim Touchdown hysterisch rumzuhüpfen und mir die Finger wund zu klatschen und den Cheerleadern bein Puschelschwingen zuzugucken. Ich bin in zwei Wochen wieder dabei. Und dann zieh ich mein Brett Favre-Shirt an.
(Ach so, Devils – Rhein Fire: 31:24.)
Irland gegen die UdSSR? 1988? Da war ich auch! Ebenfalls mit Vater.
Seitdem erzähle ich immer die Hammer-Anekdote, wie ich bei der La-Ola-Welle (so heißt die in deutschen Fußballstadien, erklär’ mir bitte niemand, daß “la ola” allein schon “die Welle” heißt) begeistert die Arme hochgerissen und aufgesprungen bin und mich dann gewundert habe, daß um mich herum alle anderen immer noch stehen und jubeln. So hatte ich das einzige Tor des Spiels verpaßt. Dachte ich jedenfalls bis eben. Das WWW weiß es besser: Das Spiel ist tatsächlich 1:1 ausgegangen.
Dabei wollte ich doch schreiben, wie öööde Football im Vergleich zum superspannenden Fußball ist … aber wenn ich ein Tor verpasse und das noch nicht einmal mitkriege … Oh Mann.
Lord John Marbury am 18. April 2005
Es gab 1988 bereits die “La-Ola-Welle”? In Hannover? Glaub’sch net.
Und überhaupt, warum schaut man in Hannover (Zugegeben, ich war erst 2x in Hannover, ideale Stadt für einen Suizid …) Irland gegen UdSSR? Das ist ja fast wie Bulgarien gegen Kolumbien auf der Alm?
jo am 18. April 2005
Weil das Spiel innerhalb der EM 88 stattfand, und da war eben auch Hannover Spielort.
Anke am 18. April 2005
Eben nicht, in Bielefeld reicht’s höchstens zur U21-Europameisterschaft.
Im übrigen … (krachend setzt eine Mariachi-Gruppe ein) … MEXICO MI AMOR, MI AMOR …
Lord John Marbury am 18. April 2005
Mein “eben nicht” bezog sich selbstredend auf Jo’s Kommentar.
@Frau Gröner: Werden Sie in zwei Wochen auch so ein neckisches Schaumstoff-Käsedreieck auf dem Kopf tragen?
Lord John Marbury am 18. April 2005
Leider kein Cheese Hat am Start. Ich warte auf Pappfische oder Seesterne zum Aufsetzen oder Piratentücher oder ähnlichen Schnickschnack der Sea Devils. Wo, wenn nicht in einem Stadion, kann man sich noch ungestraft zum Klops machen.
Anke am 18. April 2005
Rheinfire hat gewonnen? Sehr gut :D
Ich war vor einer halben Ewigkeit auf Schalke, ich glaube, sie spielten gegen Frankfurt Galaxy (oder irgendwelche Schotten?! Hmpf.), und war auch ganz – verwirrt. Ein Spiel, bei dem pausenlos Musik läuft, wo außerhalb des Spielfelds mehr passiert als auf dem Rasen selbst, und dann ständig diese Kanonenschüsse.. Aber Spaß gemacht hat es doch sehr.
Eva am 18. April 2005
Äh, nein, Rhein Fire hat verloren …
Anke am 18. April 2005
Ein Brett Favre Shirt? Allen Ernstes?Ich hoffe, das war ein Scherz.
wasweissich am 18. April 2005
Zu Rhein-Fire gibt es eine schöne inoffizielle Website: http://www.fireplanet.de. Dort gibt es viele Info zur Historie und auch unser aller heimlicher Star, Manni Burgsmüller, ist dort löblich in seinem letzten Einsatz erwähnt. Mit 52 – in Worten: “zweiundfünfzig” – Jahren hat er sein letztes Spiel gemacht und Liga-Geschichte geschrieben!
Leider ging das Spiel mit 20:26 gegen Berlin Thunder in der damaligen Betonschüssel verloren.
Was wäre wohl passiert, wenn “Uns Uwe”, Fußballidol und Hamburger Ehrenbürger die Hamburg Sea Devils verstärkt hätte?
YccmJ am 19. April 2005