The Blind Side
The Blind Side (Blind Side – Die große Chance) erzählt die unglaubliche, aber wahre Geschichte von Michael Oher, der seit 2009 bei den Baltimore Ravens Profi-Football spielt. Als eines von zwölf Kindern einer cracksüchtigen Mutter hatte er eine Kindheit und Jugend, die ihren Namen wahrscheinlich nicht wirklich verdient hat. Ein Bekannter bringt ihn auf einer Privatschule unter, indem er seine sportlichen Talente auslobt, die sich damals rein auf seine Körpergröße und -breite beschränkten. Mithilfe aufmerksamer Lehrer_innen schafft es Oher, halbwegs im Unterricht mitzukommen. Seine häusliche Situation ist allerdings nicht ganz so rosig: Als sein Bekannter ihn irgendwann vor die Tür setzen muss, schläft er in Waschsalons, in denen er seine zwei Shirts und Hosen immer wieder wäscht. Eines Nachts läuft er frierend durch die Straßen, als Leigh Anne Tuohy (Sandra Bullock, für diese Rolle Oscar-prämiert), deren zwei Kinder auf die gleiche Schule wie Oher gehen und ihn kennen, mit der gesamten Familie an ihm vorbeifährt – dann anhält, ihn fragt, ob er einen Platz zum Schlafen habe und ihn kurzerhand mit nach Hause nimmt. Wobei „nach Hause“ bedeutet, in eine riesige Villa, denn sie und Gatte Tuohy besitzen dutzende von Fastfood-Restaurants und sind deshalb nicht ganz arm.
Spätestens hier ahnt man, wohin die Reise geht, wenn man sich nicht vorher sowieso schon den Wikipedia-Artikel zu Oher durchgelesen hat. Und wenn die Geschichte eben nur das wäre – eine Geschichte –, wäre sie fies schmalzig und komplett unglaubwürdig. Aber sie ist wahr: Aus dem für dumm gehaltenen Jugendlichen wird ein guter Schüler und College-Student, der schließlich in der NFL spielt.
The Blind Side erzählt die Story sehr geradeaus und überraschungsarm, lässt sich aber trotzdem sehr gut weggucken. Mehr dann aber auch nicht, denn der Film lebt eben von seiner Geschichte und nicht von wilden Kameratechniken oder einem tollen Soundtrack. Bullock ist kaum wiederzuerkennen als äußerst resolute Soccer-Mom, die hier eher Football-Mom ist, die den armen Coach von der Seitenlinie aus anbrüllt, wie er ihren Sohn zu trainieren habe und schließlich selbst aufs Spielfeld marschiert, um Oher zu erklären, was ein Offensive Tackle eigentlich so macht. Ihre Attitüde – ich weiß, was gut für euch ist, ob ihr wollt oder nicht – ist extrem anstrengend, aber hat ja anscheinend Früchte getragen (was sie nicht weniger anstrengend macht). Ich mochte allerdings die Gradlinigkeit der knallharten Oberfläche, die gnadenlos alle Gefühle bzw. Sentimentalitäten unterdrückt. Und der Film wird seiner Figur auch zum Schluss beim tränigen Finale nicht untreu: Auch hier darf Bullock weiter knarzig sein und muss nicht doch typisch-weiblich anfangen, vor allen zu flennen und große Reden zu schwingen. Ihre Tränen sind privat, und das ist auch gut so, und manchmal sind wenige Worte besser als die üblichen Floskeln in XXL.
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Der Bechdel-Test:
1. Es müssen mindestens zwei Frauen mitspielen, die
2. miteinander reden
3. und zwar über etwas anderes als Männer.
1. Leigh Anne, ihre Tochter, diverse Lehrerinnen, die Mutter von Michael Oher und eine Angestellte der NAACP, die allerdings nicht mit anderen Frauen redet, sondern nur mit Oher.
2./3. Leigh Anne redet logischerweise mit ihrer Tochter; sie spricht auch mit Ohers biologischer Mutter, die Lehrerinnen sprechen ebenfalls über ihn, was ich aber nicht als „über Männer reden“ bezeichnen würde. In die Kategorie fällt nur „Oh, er hat so schöne blaue Augen, ob er mich auf ein Kaltgetränk einlädt, wenn ich ihn lang genug anlächele?“
Bechdel-Test bestanden? Ja.