Moon
© Sony Pictures
Moon (Moon, UK 2009, 97 min)
Darsteller: Sam Rockwell, Kevin Spacey, Dominique McElligott, Kaya Scodelario
Musik: Clint Mansell
Kamera: Gary Shaw
Drehbuch: Nathan Parker & Duncan Jones
Regie: Duncan Jones
In Moon ist Sam (Sam Rockwell) seit fast drei Jahren einziger Bewohner einer Raumstation auf dem Mond. Er überwacht den Abbau von Helium-3, der zurzeit wichtigsten Energiequelle der Erde. Dafür muss er täglich mit seinem Rover zu einem riesigen Abbaugerät fahren, das sich im Schritttempo über den Mond fräst, und die Ausbeute zur Erde schicken. Sein einziger „Kumpel“ auf der Station ist ein sprechender Computer, Gerty, der in mehreren Ausführungen um ihn herumfährt, von der Decke hängt, ihm das Essen wärmt und ihn mit sonor-beruhigender Stimme fragt, wie’s ihm so gehe und ob er über etwas reden möchte: “It might help to talk about it.”
Sam hat noch zwei Wochen vor sich, bis er endlich seine Frau und seine junge Tochter wiedersehen kann, mit denen er seit dem Beginn seines Jobs nicht gesprochen hat. Die direkte Funkverbindung zur Erde ist gestört, und er bekommt daher nur aufgezeichnete Botschaften, die er ebenso nur als Aufzeichnung beantworten kann.
Das Leben auf der Station geht seit Jahren seinen Gang: Sam macht seinen Job, joggt auf dem Laufband, bastelt an einem Modell einer Kleinstadt, redet mit den Pflanzen, die er gleichzeitig liebevoll beprüht und die mit klassischer Musik beschallt werden, lässt sich von Gerty per Flowbee die Haare schneiden und zählt die Tage, bis der Job rum ist. Es wird Zeit, dass er nach Hause kommt, denn seit einer kleinen Weile sieht er seine Frau bei sich im Quartier, eine andere unbekannte Frau auf der Station, die Botschaften seiner Frau scheinen auf einmal zusammengeschnitten zu sein – kurz: Er ahnt, dass es seiner geistigen Gesundheit zuträglich wäre, endlich auf die Erde zurückzukehren.
Bei seinem nächsten Ausflug zum Abbaugerät sieht er wieder die junge Frau, diesmal mitten auf dem Mond, er konzentriert sich, starrt – und kracht mit seinem Rover in das Abbaugerät. Es wird dunkel. Er verliert das Bewusstsein. Und wacht auf der Krankenstation wieder auf. Seltsamerweise ohne das Pflaster, das er sich vor ein paar Tagen nach einer Brandwunde draufgeklebt hatte. Seine Beine wollen ihn nicht tragen, auch wenn Gerty ihm versichert, er sei nur ganz kurze Zeit krank gewesen. Und er kann sich partout nicht an den Unfall erinnern, der ihm angeblich zugestoßen sein soll.
Um es kurz zu machen: Sam ahnt, dass irgendwas faul ist, schnappt sich den zweiten Rover und fährt zum Abbaugerät, wo er den ersten Rover unberührt vorfindet. Und in ihm – findet er sich selbst. Ist der zweite Sam sein Klon? Ist er selbst ein Klon? Der Zuschauer weiß genauso wenig, was er von den beiden Sams halten soll, die sich gegenüberstehen und beide behaupten, seit drei Jahren hier zu sein. Komisch nur, dass der eine Sam weitaus verbrauchter aussieht als der andere.
Moon nimmt sich eine ganze Weile Zeit, die seltsame Situation zu etablieren. Aber genau das macht den Film so dicht: Man „kennt“ Sam einfach und weiß, dass der zweite nicht der echte sein kann. Oder etwa doch? Genau wie Sam auf der Station fragen wir uns, was zum Teufel dort oben los ist. Und bis wir die Auflösung serviert bekommen, dürfen wir Sam Rockwell bei einer sehr ordentlichen Schauspielleistung zusehen.
Obwohl er den gleichen Menschen spielt, fühlt sich jeder Sam anders an. Der eine, jüngere, ist recht jähzornig, was der „alte“ Sam wissend kommentiert: “I used to be like you.” Was der jüngere natürlich nicht versteht, denn er ist ja schließlich der echte Sam und das Wrack da drüben nur ein alter Klon. Make-up und Kostüme lassen die beiden auch anders aussehen, aber ich behaupte, man hätte die beiden auch unterscheiden können, wenn sie genau gleich ausgesehen hätten, so überzeugend stellt Rockwell seine beiden Sams dar.
Der fürsorgliche Computer wird im Original von Kevin Spacey gesprochen, dessen samtige Stimme immer gerne einen beängstigenden Unterton hat, wenn er will, was die Enge der Station und die Einsamkeit noch bedrohlicher macht. Zusätzlich kommuniziert Gerty per Smileys auf seinem Display, die die ganze Lächerlichkeit dieser Situation – ein Rechner, der menschlichen Kontakt ersetzen soll – wunderbar auf den Punkt bringen.
Die Frage, die sich schon nach wenigen Minuten stellt und die immer bohrender im Hinterkopf wird, je länger der Film dauert: Wieso tut sich ein einzelner Mensch das an? Und welches Unternehmen verlangt dieses Opfer von einem Menschen? Auch das wird Sam und Sam irgendwann klar, und auf einmal sind beide nicht mehr nur ausführende Werkzeuge, die zufällig gebraucht werden, sondern sie entscheiden aktiv über ihr Schicksal.
Mir hat Moon sehr gut gefallen. Anfangs habe ich wirklich dauernd verglichen – ist das Weiß der Station das gleiche wie bei 2001? Die Work-out-Szene durch das Fenster kenne ich doch aus Lost? Und die Schrift der Displays aus Star Trek? –, aber das legt sich netterweise recht schnell, auch wenn gerade Gerty beim Vergleich mit 2001 richtig schlecht abschneidet. Da hätte ich mir doch eine andere Drehbuchidee gewünscht, denn ich glaube, sprechende Rechner auf Raumstationen können einfach nur HAL sein. Danach kann nichts mehr kommen. (Nein, auch Otto bei WALL-E nicht.) Vielleicht ist Gerty aber auch nur eine kleine Verbeugung in Richtung Kubrick, denn – das vergesse ich manchmal gerne selbst – 2001 ist schließlich schon neun Jahre her. Wenn wir den Film als reale Blaupause ansehen, ist Gerty vielleicht die logische Konsequenz daraus.
Neben Rockwells Glanzleistung fand ich die Ausstattung sehr ordentlich, keine blöden Special-Effects oder wirre futuristische Gerätschaften, die von der Story ablenken. Ich ahne, dass man als Set-Designer bei Science-Fiction-Filmen immer ganz fies juckende Finger hat, aber hier war alles wohltuend stimmig und überhaupt nicht aufgesetzt. Was die Geschichte mit den zwei Sams noch eindringlicher wirken lässt, weil sich der Rest eben so normal anfühlt.
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Bechdel-Test bestanden?
1. Es müssen mindestens zwei Frauen mitspielen, die
2. miteinander reden
3. und zwar über etwas anderes als Männer.
Es spielen zwei Frauen mit: die Tochter und die Ehefrau von Sam, die aber beide nur ein paar Sätze haben. Gerade bei Moon ist mir wieder einmal aufgefallen, dass die Hauptrolle locker auch von einer Frau hätte gespielt werden können, ohne dass die Story großartig anders wird. Und ehe jetzt wieder der Einwand kommt, der gerne von den Studios gebracht wird: Aber mit einer Frau in der Hauptrolle können sich die ganzen Kerle nicht identifizieren – als weibliche Zuschauerin wird von mir ja auch dauernd erwartet, mich mit den männlichen Hauptrollen zu identifizieren, einfach weil ich keine Alternative habe. Warum sollen Männer das nicht auch hinkriegen? Ich behaupte mal, dass sie das schaffen könnten. Ging mit Sigourney Weaver und Alien ja auch.
Was mir außerdem aufgefallen ist: die uralte Rollenverteilung. Daran knabbere ich, seit ich in der Uni vor ungefähr 15 Jahren mal ein Seminar zu Science-Fiction-Romanen belegt hatte. Wir haben die ganzen Klassiker von Asimov bis Heinlein gelesen, und in jedem verdammten Buch war die Technik so ausgefeilt wie nie, die politischen Welt- und Planetenordnungen visionär und supi, die Menschen konnten fliegen und beamen und hatten telepathische Fähigkeiten – aber Mama steht zuhause am Herd und Papa verdient im All die Kohle. Bah.
Bechdel-Test bestanden? Nope.