Reaktionen

Was mir den gestrigen Vormittag versaut hat, habe ich bereits aufgeschrieben. Was mich dann abends richtig wütend gemacht hat, waren die Kommentare im Lawblog und einige Mails, die bei mir aufliefen. Ich verlinke nicht nochmal zum Lawblog, der Link ist im gestrigen Eintrag, und ich habe nach dem zehnten (oder so) Kommentar nicht mehr rübergeklickt, weil ich mir das nicht auch noch antun wollte. Wird wahrscheinlich unter „memmig“ abgebucht; ich nenne es Selbstschutz. (Edit: Danke, katjaberlin: „immer diese verhärmten, ungebumsten maskulinisten“.)

Was mich so wütend gemacht hat: Dass die Kommentatoren und (einige) Mailschreiber mich zum zweiten Mal klein gemacht haben. Indem sie mir das Recht absprechen, mich verletzt und beschämt zu fühlen. Indem sie es als hysterische Überreaktion einer Feministin hinstellen (das Wort funktioniert prima als Schlüsselreiz), wo der nette Mann doch nur die arme, dicke Frau anflirten wollte (die offensichtlich nicht alleine wohnt). Eine Mailschreiberin hat es sehr schön ausgedrückt: „Grenzen werden nicht von demjenigen bestimmt, der sie übertritt.“

Ich hoffe, mir wird niemand widersprechen, wenn ich sage: Er hat sich schlicht und einfach nicht korrekt in seiner Funktion als Postbote verhalten. Sein Job ist es, mir ein Paket zu überreichen, wenn’s geht, pünktlich und wenn der Tag richtig gut ist, auch noch höflich. Es ist nicht sein Job, mich anzuflirten, ganz gleich wie gut er gerade gelaunt ist und wie total sympathisch er mich spontan findet. Ich bin Kundin des Unternehmens, das er gerade dienstlich vertritt, und auf dieser Basis erwarte ich einen professionellen Umgang miteinander. Nicht mehr und nicht weniger. Ich will nicht geduzt werden und ich will ums Verrecken nicht um die Lieferung bitten müssen, die er mir gerade in seiner Funktion als Postbote, herrgottnochmal, zu überreichen hat. Wenn das ein Pizzabote gewesen wäre, würde ich bei dem Laden nie wieder was bestellen. Bei der Post habe ich diese Möglichkeit leider nicht.

Wie ich persönlich auf seinen nicht-professionellen Umgang reagiere, liegt natürlich bei mir. Ich hätte das ganze schulterzuckend ignorieren, mich noch ein wenig ärgern und mir im Geiste all die schlagfertigen Bemerkungen zurechtlegen können, die ich ihm besser direkt gesagt hätte anstatt hilflos „Bitte?“ zu stammeln, als er mir mein Paket reichte, um es dann wieder wegzuziehen. Hätte ich machen können. Habe ich aber nicht, weil ich überfordert von der Situation war. Weil ich einfach nicht darauf vorbereitet war, wie hier mit mir umgegangen wird. Klar wissen die Kommentatoren da drüben alles besser, aber – und ich wiederhole mich da gerne – ich habe das Recht, mich so zu fühlen wie ich mich eben gefühlt habe. Und niemand kann mir das absprechen, indem man mir gönnerhaft sagt, der wollte doch bloß flirten.

Ich war selbst von der Heftigkeit meiner Reaktion überrascht: dass mir, direkt nachdem ich die Tür geschlossen habe, die Tränen in die Augen schossen und ich selbst erstmal nachspüren musste, was da eigentlich gerade so verletztend war. Aber ich habe gelernt, eben nicht alles einfach abzutun und zu schlucken und zu vergessen, sondern mich ernst zu nehmen. Und das hat dazu geführt, dass ich meine erste Beschwerdemail abgeschickt habe. Auch das fanden die weiblichen Mailschreiber völlig in Ordnung, die meisten männlichen eher überzogen und sinnlos. (Edit, circa vier Stunden nach Online-Stellen dieses Beitrags: Inzwischen sind fast gleich viele Mails von Männern und Frauen aufgelaufen, die beide das Verhalten des Postboten unter aller Sau fanden. Das ruiniert die Statistik, und ich freue mich sehr darüber.)

Das Negative an der Situation: Es scheint schwerer zu sein, als ich dachte, auf Alltagssexismen hinzuweisen, weil das sofort mit „Stell dich nicht so an“ abgebügelt wird. Das Positive: Jetzt bin ich sauer. Fühlt sich deutlich besser an als verletzt.

Trotzdem würde ich mich an meiner eigenen Haustür ganz gerne wieder einfach wohl fühlen.

Edit, 30.07., 13.55: DHL hat gerade angerufen und sich für den Zusteller entschuldigt. Danke dafür.