2008 in Büchern

Harlan Coben – Tell No One

Ach naja, Thriller halt. Witwer kriegt E-Mails von seiner toten Ehefrau, die ihn bittet, niemandem davon zu erzählen. Nee, klar. Zum Schnellweglesen auf Zugfahrten. Zum Schnellweglesen auf Zugfahrten aber recht gut.

Johannes Willms – Gebrauchsanweisung für Frankreich

So sehr mir der plaudrig-süffisante Tonfall von Wickert bei seinen Frankreichbüchern auf den Zeiger ging – die vor sich hergetragene Intellektualität von Willms ist noch nerviger. Eindeutig informativer als Wickert, aber eben auch anstrengender. Streberbuch.

Joachim Fest – Hitler. Eine Biografie

Ich kann nicht behaupten, dass es Spaß macht, eine Biografie über Hitler zu lesen, aber ich war sehr vom Fest’schen Stil fasziniert, der die immer seltsamer werdende Geisteshaltung des Gröfaz sehr nachfühlbar beschreibt. Viele Adjektive, die ich nicht vermutet habe und sehr viel Inhalt, den ich noch nicht kannte – und ich behaupte von mir, recht gut über 33–45 Bescheid zu wissen. Absolut lesenswert. Hat mich allerdings einige Monate gekostet, denn nach jeweils ein, zwei Kapiteln musste ich dringend irgendwas lesen, was bessere Laune macht.

Andreas Eschbach – Der letzte seiner Art

Typischer Eschbach. Riesenidee mit belanglosem Ende; diesmal geht’s um einen bionischen Kerl, dessen High-Tech-Innenleben allmählich versagt. Liest sich zackig weg und hinterlässt keinen schweren Kopp.

Frank Schätzing – Der Schwarm

Knapp 1000 Seiten im oder am oder auf dem Meer, dessen Bewohner auf einmal nicht mehr nett zu den Menschen sind. Zeitweilig wollte ich nicht mehr in die Badewanne, weil Wasser plötzlich eine böse Bedrohung war. Sehr spannend geschrieben, aber mit den letzten 50 teils zu langen, teils zu verquasten Seiten hat der gute Schätzing das Finale fies versaut. Hieß für mich: das Ende querlesen und das Buch ein winziges bisschen nölig ins Regal stellen.

Michael Jürgs – Der Fall Romy Schneider

Arg bemühte Mischung aus Kriminalfall bzw. journalistischer Recherche und einer klassischen Biografie. Die ist dazu auch noch superschnarchig und banal geschrieben. Klingt nach einer schlechten Serie im Stern, um die eine affige Handlung rumgestrickt wurde.

Brigitte Hamann – Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth

Gut zu lesende Biografie von Winifred Wagner, Ehefrau von Siegfried Wagner, „des Meisters Sohn“. Das Buch versucht neutral zu bleiben und Winifred weder als unverbesserliche Nazi hinzustellen noch als aufrechte Widerstandskämpferin. Es macht sehr gut den seltsamen Widerspruch deutlich, den Winifred verkörperte: Einerseits hat sie bis zu ihrem Tod 1980 gerne über ihre Freundschaft zu Hitler gesprochen, andererseits hat sie während des Dritten Reichs vielen Menschen geholfen, die sonst dem System zum Opfer gefallen wären. Leider fehlen dem Buch wichtige Details, weil die Familie Wagner bis heute die Briefe zwischen Winifred und Siegfried nicht zu Forschungszwecken freigibt. Trotzdem sehr lesenswert.

Annie Leibovitz – A Photographer’s Life

Gewagte Mischung aus den üblichen Hochglanz-Leibovitzen mit sehr intimen, privaten Bildern: ihre Eltern, Geschwister, Nichten, Neffen … und natürlich ihre Lebensgefährten Susan Sontag, die sie bis zu ihrem Tod begleitete. Auch mit der Kamera. So ein bisschen mehr Text hätte ich mir doch gewünscht, aber natürlich sagen die Bilder schon so gut wie alles.

Flix – Held

Sehr schöner Comic. ’nuff said. (der-flix.de)

Martin Gregor-Dellin – Richard Wagner: Sein Leben, sein Werk, sein Jahrhundert

Soweit ich weiß, immer noch die Biografie über Wagner (1980 erschienen). Ich hatte sie vor gefühlten 20 Jahren schon mal durchgelesen, aber ne Menge wieder vergessen bzw. konnte es noch nicht richtig würdigen, weil ich damals noch nicht alles von Wagner gesehen hatte. Hab ich inzwischen – außer Rienzi, aber was nicht in Bayreuth läuft, ist mir egal. Dellin schreibt manchmal wahnwitzig ausführlich; jede Begegnung mit wemauchimmer und jede Wanderung wohinauchimmer ist aufgeführt, was das Buch teilweise etwas langatmig werden lässt, gleichzeitig aber ein sehr dichtes Bild von Wagner und seinen Lebensumständen zeichnet. Die deutsche Geschichte bekommt einen ihr angemessenen Teil zugewiesen, genau wie Wagners Schriften neben seinen Opern. Auf das Kapitel mit seinen gesammelten Träumen, die Cosimaus brav aufgeschrieben hat, konnte ich allerdings querlesend verzichten. Trotzdem Empfehlung. Logisch.

Jutta Ditfurth – Ulrike Meinhof. Die Biografie

Man merkt Frau Ditfurth manchmal sehr die Liebe zu ihrer Titelheldin und deren politischen Auffassungen an, aber trotzdem ist das Buch ziemlich ausgewogen, soweit ich das beurteilen kann. Auf jeden Fall ist es sehr spannend und vor allem nachvollziehbar geschrieben. Denn ich muss zugeben, dass ich nie so recht verstehen konnte, wie eine Gruppe gutbürgerlicher Studenten plötzlich Lust hat, als Stadtguerilla durch die Bundesrepublik zu ziehen. Ditfurth beschreibt sehr ausführlich die politische Stimmung im Nachkriegsdeutschland und die selten bis nie stattgefundene Auseinandersetzung mit den Menschen, die eben noch ihr NSDAP-Parteiabzeichen trugen und nun feist und bequem für etablierte Parteien in der Regierung sitzen. Die subjektiv empfundene Ohnmacht von politischen Menschen wie Meinhof wird sehr deutlich spürbar, ganz besonders in den Kapiteln über die Studentenunruhen und die Tage der APO. Ich hab die knapp 500 Seiten in zwei Tagen verschlungen – und ringe gerade mit mir, ob ich den Baader-Meinhof-Komplex nochmal anfassen sollte. Scheint ja das Jahr des Mehrfachlesens zu sein.

Hape Kerkeling – Ich bin dann mal weg

Ich hab mich ewig um das Buch rumgedrückt, aber in meinem derzeitigen Biografien- und Lebensgeschichtenrausch hab ich es dann doch irgendwann in der Hand gehabt, kurz reingelesen, es gekauft – und es nicht bereut. Stilistisch ist es kein Riesenwurf, mir waren ungefähr 800 Ausrufezeichen zu viel im Buch, aber komischerweise war mir das nach 20 Seiten ziemlich egal, denn die Geschichte, die Kerkeling erzählt, ist viel zu schön, um sie sich durch ortografisches Genöle kaputtzukopfen. Denn das ist auch eine der vielen Erkenntnisse, die er auf dem 600 Kilometer langen Jakobswegs gefunden hat: Drop the thought. Weg mit dem Gedanken, der dich nervt, denn dann nervt er nicht mehr. So einfach kann das sein. Ich bin dann mal weg ist eine sehr persönliche Aufzeichnung, die ständig schwankt zwischen tiefen Einsichten in das individuelle Gotterleben und banalen Erkenntnissen über schmerzende Füße. Und genau das macht es sehr, sehr lesenswert. (Und wer beim Nachwort keine Träne verdrückt, hat kein Herz.)

Wally Lamb – She’s Come Undone

Dolores lebt in den 60er Jahren in Rhode Island, teilt sich mit ihrer geschiedenen Mutter und verwitweten Großmutter ein altes Haus und wird mit 13 vergewaltigt. Daraufhin futtert sie sich einen Schutzpanzer von 120 Kilo an und muss nun damit irgendwie im Leben klarkommen. Das Buch zerfällt gefühlt in mehrere Teile, was es für mich schwierig gemacht hat, es in seiner Gänze zu mögen. Zunächst war ich ziemlich angetan vom sehr gradlinigen, beschreibenden Stil, der mich als Leser einfach mit den Figuren alleine gelassen und mir damit Gelegenheit gegeben hat, mir selbst Gedanken zur Story zu machen. Der Bruch kommt, als Dolores in Therapie geht, denn leider hat She’s Come Undone nun nichts Besseres zu tun, als mich seitenlang an den Therapiegesprächen teihaben zu lassen, die mir nochmal die vergangenen 100 Seiten erklären. Erst als Dolores ihr Leben halbwegs im Griff hat, kehrt das Buch wieder zur alten Stärke zurück. Trotzdem bleibt der erste Teil der beste am Buch; danach wollte ich zwar noch wissen, wie es endet, aber ich habe etwas teilnahmsloser mitgelesen und -gelitten. Und die dick (haha) aufgetragenen Metaphern (z.B. strandende Wale – geht’s noch?) sind mir die ganze Zeit auf die Nerven gegangen.

Baru – Lauf, Kumpel!
Baru – Der Champion

Beim Zappen bei arte hängengeblieben, einen Beitrag über den französischen Comiczeichner Baru aufgeschnappt, comicsammelnden Kerl gefragt, ob er den kennt – woraufhin le Kerl fünf Bände Baru aus dem Regal zog. Drei davon auf französisch (ich hab’s versucht, bin aber gescheitert) und die zwei obengenannten auf deutsch. Ich fand sie sehr gut, kann sie aber nicht einordnen, da ich überhaupt keine Ahnung von Comics habe. Aber mir hat das Cineastische an ihnen gefallen, die große Geschichte und die sehr filmischen Panels. (Ich merke gerade, dass ich nicht über Comics schreiben kann.)

Marcel Proust – Auf der Suche nach der verlorenen Zeit 1: In Swanns Welt

Laut meiner eigenen Eintragung auf der ersten Innenseite habe ich dieses Suhrkamp-Taschenbuch bereits 1992 gekauft – und seitdem ungefähr fünfmal angefangen, ohne über die erste Seite hinauszukommen. Dieses Mal hat’s mich erwischt: die seitenlangen, elegischen Beschreibungen von Düften, Orten, Menschen, Geschehnissen um den namenlosen Ich-Erzähler, Monsieur Swann und den vielen, vielen weiteren Personen, die auftauchen, unglaublich viel Eindruck hinterlassen, weil sie so ausgiebig beschrieben werden, und wieder wegtauchen. Der zweite Band liegt schon auf dem Nachtisch, aber erstmal brauche ich eine Pause. Und ein Buch ohne Sätze, die über 20 Zeilen gehen. Ich weiß nicht, ob es nur der große Name ist oder das Wissen, dass man gerade ein Meisterwerk liest, aber ich habe das Buch teilweise umarmt und es nicht wieder loslassen wollen, weil es einen so einfängt, wenn man es zulässt. Die Welt fühlt sich anders an, wenn man Proust gelesen hat. Und ja, ich weiß, dass der Satz total doof ist. Aber so fühlt sich’s halt an.

Muriel Barbery – Die Eleganz des Igels

Eine ältere Concierge arbeitet in einem piekfeinen Pariser Wohnhaus und tut so, als wäre sie nicht besonders gebildet, damit alle sie in Ruhe lassen. In Wirklichkeit liest sie Tolstoi und guckt japanische Filme. Im Haus wohnt auch die 13jährige Paloma, die beschließt, sich umzubringen, weil sie keinen Sinn in ihrem Leben sieht. Bevor sie ihren Plan umsetzt, will sie aber noch die perfekte Bewegung finden und ein paar schlaue Sätze zu Papier bringen. So verkopft wie sich der Inhalt anhört, liest sich Die Eleganz des Igels auch; die Geschichte wird unterbrochen – nein, Moment, sie bekommt einen seltsamen Hintergrund durch viele, kleine philosophische Einschübe. Die sind manchmal von ergreifender Schlichtheit und manchmal völlig versponnen, so dass ich auf manchen Seiten schon das Gefühl hatte, dass die Autorin anstatt der Concierge mal kurz ihre Bildung durchscheinen hat lassen. Das tut der kleinen Story aber keinen Abbruch, denn neben dem vielen Kram für den Kopf gibt’s auch genug fürs Herz.

Sándor Márai – Die Glut

Den Titel schleppe ich seit fast vier Jahren mit mir rum – seit diesem Eintrag und dem Kommentar von emile_mo dazu. Gute Sache, denn: gutes Buch. Man dankt mit vier Jahren Verspätung.

Eric Hobsbawm – Das imperiale Zeitalter

Bisschen sehr links eingefärbt, aber das konnte man ahnen, wenn man sich die Biografie des Verfassers durchgelesen hat. Als Einstieg nicht ganz zu empfehlen, aber wenn man in der Schule mit halbem Ohr mitgehört hat, was dieser komische Imperialismus war, liest sich’s ganz gut weg. Teilweise sehr detailreich, teilweise etwas wuselig. Ich hab irgendwann nur noch die Kapitel gelesen, die mich interessiert haben und den Rest übersprungen.

Steve Dublanica/The Waiter – Waiter Rant

Das Blog Waiter Rant ist eins der wenigen, das ich vom ersten Post an verfolgt habe und bis heute lese. Klar, dass ich mir auch das erste Buch vom Kellner, der damit seine Anonymität aufgegeben hat, gekauft habe. Hm. Hätte ich vielleicht lassen sollen. Wer das Blog kennt, erfährt nicht viel Neues. Eigentlich gar nichts Neues. Ich hab’s nicht überprüft, aber die Buchkapitel lesen sich wie einige schon veröffentlichte Blogeinträge, die er auf Teufelkommraus gestreckt hat. Und seltsamerweise ist mir der Mann, den (oder dessen Blogpersönlichkeit) ich immer sehr gerne mochte, mit dem Buch ein bisschen unsympathischer geworden. Das liegt vor allem an dem Kapitel, das sich mit seinen Rauswurf aus dem Restaurant befasst, das im Blog immer The Bistro genannt wird (und inzwischen als Lanterna identifiziert wurde). Da kommt der Gute nämlich als ganz schöne Diva rüber, was im Blog ganz anders ist.

Brigitte Hamann – Elisabeth – Kaiserin wider Willen

Biografie vom Sissilein, das natürlich ganz anders war als die schnuffige Heimatfilmvariante. Ich fand das Buch nicht ganz so gelungen wie eine andere Biografie Hamanns, nämlich die von Winifred Wagner (bitte einige Zeilen weiter oben gucken), obwohl letzterer weit weniger Materialien zugrunde lagen. Elisabeth redet zwar dauernd davon, wie begabt und klug und intelligent die Kaiserin war, aber im Endeffekt bleibt dann doch nur „überspannt, depressiv, magersüchtig“ hängen. Was die Dame wahrscheinlich nicht verdient hat. Ab und zu hätte ich mir auch ein besseres Lektorat gewünscht, damit einem unglaublich aufsehenerregende Fakten nicht zweimal auf zwei aufeinanderfolgenden Seiten als unglaublich aufsehenerregend präsentiert werden. Trotzdem fand ich das Buch lesenswert, weil es genügend politische und gesellschaftliche Hintergründe liefert, um Elisabeth einordnen zu können, ohne ein überfrachtetes Geschichtsbuch zu werden.

Stefan Aust – Der Baader-Meinhof-Komplex (Neuauflage)

Kannte ich ja schon; die Originalausgabe aus den 80ern steht zuhause im Regal – und liest sich ganz genauso. Es ist zu lange her, dass ich das Buch das erste Mal gelesen habe, daher kann ich nicht sagen, was sich groß verändert hat, welche neuen Erkenntnisse nun genau in die Überarbeitung eingeflossen sind. Das Buch ist immer noch eine unglaublich dichte Sammlung an Ereignissen, Gerichtsszenen, Beschreibungen der Personen und ihrer Umstände, sowohl in Freiheit als auch im Gefängnis und vielen, vielen Zitaten, die in ihrer Gesamtheit ein sehr umfassendes Bild der RAF zeichnen. Und: Es gibt endlich Bilder. Ich mag Worte zwar sehr gerne, aber gerade bei historischen Stoffen finde ich es sehr schön, Gesichter zu den Geschichten zu haben, Momentaufnahmen, Hintergrund eben. Ich habe die Neuauflage noch nicht komplett durch, aber mir fehlt bisher ein Satz, den ich mir vom ersten Mal gemerkt hatte. Ich weiß nicht, warum ich mir ausgerechnet den gemerkt habe, aber nun gut. Baader behauptete ja immer gerne, dass die RAF Rückhalt in der Bevölkerung finden würde und zitierte gerne eine Umfrage, in der 25% der Befragten meinten, sie würden flüchtigen RAF-Mitgliedern zeitweilig Unterschlupf gewähren. Gleichzeitig spottete er aber über die Nachwuchsterroristen und Sympathisanten, die (Zitat ohne Gewähr) zwar gerne mit ner Knarre durch Deutschland rennen würden, sich aber nicht mal trauen würden, schwarz zu fahren.

Uwe Tellkamp – Der Turm

Mir hat’s gefallen, auch wenn ich gar nicht genau sagen kann, warum. Ich mochte die verschiedenen Schreibstile, die die verschiedenen Personen noch fassbarer gemacht haben. Ich mochte die Beschreibung einer, Achtung, verquast, aber passend: untergegangenen Welt, nämlich der DDR. Gleichzeitig fand ich aber einige Details ziemlich nervig, und ich weiß nicht, ob ich sie auch nervig gefunden hätte, wenn es nicht um die DDR, sondern um die BRD gegangen wäre. Wenn eine Figur sagt: „Ich habe meine Cabinet liegen gelassen“, stolpere ich darüber; erstens, weil mir die Marke nicht so geläufig ist wie z.B. Marlboro, zweitens, weil niemand sagt: „Ich habe meine Marlboros liegen gelassen.“ Oder doch? Ich würde sagen: „Ich habe meine Zigaretten liegen gelassen.“ Keine Ahnung. Jedenfalls fand ich das Ostmarkennamedropping irgendwann lästig, weil es sich des Öfteren so aufgesetzt angefühlt hat. Das ist aber auch das einzige, was ich zu bemängeln habe. Der Rest des Buchs floss fast an mir vorbei, nicht unangenehm belanglos, sondern so, als ob man eben einfach mitschwimmt. Der Turm ist schwer zu beschreiben, aber ich kann ihn wirklich empfehlen. (Mühevoll abgetippte Leseprobe)

Kathrin Passig, Sascha Lobo – Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin

Och jo. Ließ sich mal eben so weglesen, tat nicht weh, ist aber auch ehrlich gesagt nichts hängengeblieben. Oder nicht viel: Dass Rossini angeblich die meisten seiner Ouvertüren erst am Abend vor der Aufführung komponiert hat, fand ich dann doch lustig. Ansonsten war das Buch im Prinzip nichts für mich, weil ich auf den meisten Gebieten so gar nicht prokrastiniere: Was weg ist, ist weg, also fange ich sofort damit an und kann danach entspannt DVDs gucken. Für einen Lebensbereich hab ich jetzt allerdings eine prima Ausrede: Ich bin so dick, weil ich einfach nicht zum Abnehmen komme. Genau.

Tilman Rammstedt – Der Kaiser von China

Enkel Keith muss mit seinem Großvater nach China, weil der sich das gewünscht hat und Keiths Geschwister noch weniger Lust haben als er. Ob sie wirklich nach China kommen und was der Großvater da so dringend wollte, erfährt man in diesem kleinen charmanten Buch, das ich entspannt an einem Nachmittag durchgelesen habe, weil es genauso geschrieben ist wie ich Bücher geschrieben haben will, die ich an einem Nachmittag durchlesen will. Charmant eben. Nicht zu lustig, nicht zu traurig, klingt jetzt fast ein bisschen wie die Milchschnitte-Werbung, ist aber auch egal. Ich will gar nicht mehr zu dem Buch sagen, weil das schon viel zu viel verraten würde. Kaufen, lesen. Bitte. (Leseprobe vom Bachmann-Preis als PDF hier.)

Barbara Walters – Audition

Sehr schöne Autobiografie der Journalistin Barbara Walters. Ich finde bei den Lebensberichten von Frauen immer spannend, wie sie eben als Frauen wahrgenommen werden bzw. mit welchen Hindernissen sie zu kämpfen haben. So wurde auch Walters mit knapp 40 in der Today-Show (in den 70er Jahren) noch als the TODAY girl bezeichnet, weil sich die Bezeichnung woman noch nicht so recht am Arbeitsplatz durchgesetzt hatte. Kann man ja auch prima in Mad Men sehen, wie damals anscheinend die Konversationen zwischen Männlein und Weiblein stattgefunden haben. Gleichzeitig erzählt sie (natürlich) sehr viel über die gefühlt eine Million Interviews, die sie geführt hat, und über die wandelvolle Geschichte der USA in den letzten 60 Jahren. Sehr schönes Buch. Danke nochmal.

Amy Hempel – Tumble Home – A Novella and Short Stories

Die titelgebende Novelle hab ich nicht mal komplett durchgelesen, obwohl sie gerade 90 Seiten lang war, aber nach geschätzten 40 davon wusste ich immer noch nicht, worum es eigentlich geht und wo die Reise hinwill. Die Kurzgeschichten waren ähnlich, aber die hatten immerhin noch sehr präzise Beobachtungen zu bieten, die aus drei Seiten gefühlt ein ganzes Kapitel machen. Dafür hat sich’s dann doch gelohnt, aber empfehlen würde ich das Büchlein leider nicht. Leseprobe: die komplette Geschichte Housewife:

„She would always sleep with her husband and with another man in the course of the same day, and then the rest of the day, for whatever was left to her of that day, she would exploit by incanting, “French film, French film.” “

Heinz Zednik – Mein Opernleben

Zednik hat im Jahrhundert-Ring den Mime gesungen und ist mir dadurch im Gedächtnis geblieben. Sein Buch Mein Opernleben ist leider keine wirkliche Autobiografie, denn man erfährt über den Mann recht wenig, dafür aber umso mehr über den Sänger bzw. wo er gesungen hat, was er gesungen hat und mit wem er zusammengearbeitet hat. Das ganze liest sich allerdings eher wie eine Aufzählung und nicht wie eine spannende Geschichte. Ein paar interessante Details gab’s immerhin, wie zum Beispiel seine Meinung zum Regietheater (die Musik und der Text sind wichtiger als das Drumrum – jenau), aber im Großen und Ganzen fand ich das Werk leider nicht ganz so schön wie ich es mir erhofft hatte.

Earthrise. Der Guardian erinnert daran, wie am 24. Dezember 1968 dieses Foto entstanden ist.

„Forty years ago this Christmas the first human beings reached the moon. But their historic feat is better remembered for an image of what they left behind – planet Earth.

Looking back from more than 200,000 miles away, the crew of Apollo 8 saw Earth floating “like a Christmas tree ornament lit up in space, fragile-looking”. They pointed their cameras through smeared porthole windows and began snapping. It seems almost incredible now, but nobody thought to take a photo of Earth until they saw it, because nobody had seen it before.

One of those photos, an Earthrise over the grey and inhospitable lunar horizon, has become one of the most reproduced and recognised pictures of our planet. LIFE magazine selected it as one of 100 photographs that changed the world; more recently it featured in an Oscar-winning film about climate change, An Inconvenient Truth.

“That one picture exploded in the consciousness of humans,” said Al Gore, the film’s Nobel prize-winning narrator and campaigner. “It led to dramatic changes. Within 18 months of this picture the environment movement had begun.” “

Mehr im Apollo 8 Flight Journal. Via Wortfeld.

How Jewish is Hollywood? von Joel Stein aus der L.A. Times, via Arts & Letters Daily.

„I have never been so upset by a poll in my life. Only 22% of Americans now believe “the movie and television industries are pretty much run by Jews,” down from nearly 50% in 1964. The Anti-Defamation League, which released the poll results last month, sees in these numbers a victory against stereotyping. Actually, it just shows how dumb America has gotten. Jews totally run Hollywood. (…)

As a proud Jew, I want America to know about our accomplishment. Yes, we control Hollywood. Without us, you’d be flipping between “The 700 Club” and “Davey and Goliath” on TV all day.

So I’ve taken it upon myself to re-convince America that Jews run Hollywood by launching a public relations campaign, because that’s what we do best. I’m weighing several slogans, including: “Hollywood: More Jewish than ever!”; “Hollywood: From the people who brought you the Bible”; and “Hollywood: If you enjoy TV and movies, then you probably like Jews after all.” “

„892: Sigurd the Mighty of Orkney strapped the head of a defeated foe to his leg, the tooth of which grazed against him as he rode his horse, causing the infection which killed him.“

List of unusual deaths aus der Wikipedia. Vorsicht, teilweise sehr unlustige Schilderungen von Folter. In diesem Zusammenhang mal wieder erwähnenswert: die Darwin Awards.

(via LukasGezwitscher)

Bohemian Rhapsody performed by 25 of the most annoying voices in the music industry“. Rick Miller, via SvenK. Und bei Minute 2 hört man auch prima, warum man beim Diphthongsingen immer schön auf dem ersten Vokal bleiben sollte.

Okay, Weihnachten ist jetzt durch, aber ich lache immer noch – seit einem Jahr, um genau zu sein – über die Brömseklötens aus dem Erzgebirge.

„His career was not all adulation. He had a dry patch in the 1960s, when he felt he did not speak with the accent of the time, and by the 1980s the all-powerful New York critics (whom he loathed) seemed to be tired of him. Constantly, critics objected to his blatant stage moralising: “like neon signs”, one wrote, “in a diner window.”

Mr Miller was unapologetic. He had a purpose, he confessed, even beyond teaching. Though he seemed to be didactic, he was in fact asking questions: “How can we be useful?” “Why do we live?” He was, he once admitted, “in love with wonder … the wonder of how things and people got to be what they are.” The aim of each of his plays was to discover which commitment or challenge his main character would accept, and which he would walk away from: “that moment when out of a sky full of stars he fixes on one star.”

Aus dem Nachruf auf Arthur Miller aus dem Economist – den ich aus dem Kerl’schen Weihnachtsgeschenk habe: Book of Obituaries, die alle im Economist veröffentlicht wurden.

Die Nachruf-Kolumne erscheint seit 1995, und eine Empfehlung auf dem Rücktitel erklärt ganz gut, warum man diese Kolumnen auch ruhig in Buchform lesen sollte:

„There is no chariot as elegant for a final send-off as The Economist obit. Each one is a literary marvel, a dazzling ride through an era. The subjects are lucky (except for the death part): they cross to the other side in incomparable style.” (Marilyn Johnson, Autorin von The Dead Beat: Lost Souls, Lucky Stiffs, and the Perverse Pleasure of Obituaries)

“Bugsy, whaddaya doin’?”

“Just decoratin’ this here Christmas cake, boss.”

Cake Wrecks, via Textguerilla. (Es gibt anscheinend wirklich für alles ein Blog. Großartig.)

„Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt. Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war, damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.

Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.“

Ich wünsche euch allen ein friedliches, fröhliches, besinnliches, schönes, gesegnetes Weihnachtsfest. Danke fürs Lesen.

NichtLustig-4-Trailer. Via Isa.

Golfer’s Delight präsentiert die schönsten Golfmomente der Saison.

2008 revisited

(2007, 2006, 2005, 2004, 2003, 23. Dezember)

1. Zugenommen oder abgenommen?

Mir egal. Ausnahmsweise.

2. Haare länger oder kürzer?

Nothing ever happens.

3. Kurzsichtiger oder weitsichtiger?

4. Mehr Kohle oder weniger?

Mehr. Wieso hab ich mich nicht früher selbständig gemacht, wieso, wieso, wieso?

5. Mehr ausgegeben oder weniger?

Erst weniger, dann mehr. In den ersten Monaten der Selbständigkeit konnte ich noch nicht richtig einschätzen, was von dem Geld auf meinem Konto wirklich mir gehört und wonach das Finanzamt, die Krankenkasse, die KSK und sonstwer seine Finger noch ausstrecken will. Daher habe ich anfangs wieder ein braves 50er-Jahre-Hausfrauenhaushaltsbuch geführt – und erschreckt festgestellt, wieviel Geld ich im Monat zu Starbucks oder in die Videothek trage, aber auch wie wenig in Klamottenläden oder zum Friseur, bis ich so halbwegs im Gefühl hatte, wo ich finanziell stehe.

Außerdem musste ich mich an das seltsame Gefühl gewöhnen, dass nicht mehr kurz vor Monatsende die Zahl auf dem Konto automatisch nach oben geht. Was mir in den ersten zwei Monaten ein bisschen Atemnot verursacht hat. Inzwischen geht’s, auch weil ich das Glück hatte, nur in Agenturen zu arbeiten, die eine anständige Zahlungsmoral haben. Ich kenne auch freie Kollegen, die gerne mal drei Monate auf ihr Geld warten.

Anfangs hatten mir die meisten Selbständigen geraten: „Leg von allem 50 Prozent zurück und guck dir gar nicht erst die Umsatzsteuer an, die gehört dir eh nicht.“ Guter Rat, aber ich bin inzwischen dazu übergegangen, mir eine Art Gehalt zu zahlen (was ungefähr da liegt, wo es auch zu meiner Zeit als Angestellte lag) und den Rest auf ein Tagesgeldkonto zu packen. Und so freue ich mich jetzt, am Ende des Jahres, über ein angenehm gefülltes Konto – was natürlich dazu geführt hat, dass so ziemlich jede DVD-Box, mit der mich der Amazon-Newsletter gelockt hat, im Einkaufskorb landete.

6. Mehr bewegt oder weniger?

Ein bisschen mehr. Gute sechs Monate Berlin bewusst ohne Auto heißt eben auch, dauernd zu irgendwelchen Haltestellen gehen zu müssen. Meine Kondition findet es toll, und ich kann ausnahmsweise mal die ganzen Ratschläge aus Rückenratgebern bestätigen, die meinen, zehn Minuten spazierengehen am Tag bringt schon was. Ja, tut es.

Nebenbei: Wenn man fünf Tage die Woche in den dritten Stock Altbau klettert, kommen einem die heimischen zwei Stock Altbau wie ein Katzensprung vor. Ich nehme aber an, dass sich dieser wunderbare Effekt innerhalb von fünf Minuten verflüchtigt, sobald ich wieder in Hamburg arbeite.

7. Der hirnrissigste Plan?

Eine Wochenendbeziehung zu führen zwischen zwei Leuten, die wirklich gerne allein sind – und das jetzt auf einmal wieder merken.

8. Die gefährlichste Unternehmung?

Siehe 7.

9. Der beste Sex?

Siehe 7.

10. Die teuerste Anschaffung?

Kunst von Katia. Nach 20 Jahren ein neuer Fernseher. Und ich will gar nicht die ganzen Zugtickets zusammenrechnen, die ich dieses Jahr verbraten habe. (Die kann ich immerhin absetzen. Was ich in meinem Anfängerhirn immer noch gleichsetze mit: Hat mich dann ja quasi nix gekostet. Little do I know.)

11. Das leckerste Essen?

Mr. Wong mit Franzi und Jens. Auch wenn wir alles in mehreren Schüben gekriegt haben, es keine Banane mehr gab und Jens seine Ente nochmal hergeben musste.

12. Das beeindruckendste Buch?

Hape Kerkelings Ich bin dann mal weg, weil ich gar nicht damit gerechnet hatte, dass es mich so begeistert. Marcel Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit (immerhin den ersten Band geschafft), weil ich es schön fand, endlich diesen Klassiker schön zu finden. Muriel Barberys Die Eleganz des Igels, weil ich es sofort verschenken musste. Und jede Biografie, die ich gelesen habe, weil jedes Leben etwas Besonderes hat.

13. Der ergreifendste Film?

Tscha. Da ist man in Berlin und hat endlich mal Millionen von OVs direkt vor der Nase – und dann ist man meist abends zu müde, um sich noch aufzuraffen, weil der Weg vom Sony Center nach Hause dann doch ne Ecke länger ist als vom Abaton nach Hause in Hamburg. Auch in die Videothek bin ich seit Monaten nicht mehr gegangen, was sonst immer meine Wochenendbeschäftigung war, weil ich an den Wochenenden lieber mit dem Kerl rumgehangen habe als alleine vorm DVD-Player zu sitzen. Daher hab ich unfassbar wenige Filme gesehen und von denen war auch keiner so ergreifend, dass er mir sofort eingefallen wäre. Nach Durchblättern der Kinokarten sag ich mal No Country for Old Men, nach Durchklicken meines Blogs dazu noch Le scaphandre et le papillon und In Bruges.

14. Die beste CD?

Eugen Onegin von Tschaikowsky. Deswegen.

15. Das schönste Konzert?

Ach, Konzerte, Schmonzerte. Ich geh lieber ein-, zwei-, drei-, viermal in die Oper. (Eigentlich sogar fünfmal.)

16. Die meiste Zeit verbracht mit …?

Gefühlt: Zugfahrt Hamburg-Berlin, Montag, 7.03 Uhr, Gleis 12, Zugfahrt Berlin-Hamburg, Freitag, 18.18 Uhr, Gleis 8.

17. Die schönste Zeit verbracht mit …?

… dem Wissen, endlich mal wieder das Richtige gemacht zu haben.

18. Vorherrschendes Gefühl 2008?

It works! It works! It really f***ing works!

19. 2008 zum ersten Mal getan?

Mich selbständig gemacht. Wochenendpendler gewesen (war nicht so glamorös wie ich dachte). Monatelang in einer fremden Stadt gearbeitet, ohne da wirklich hinzuziehen. Geld von Vater Staat gekriegt. (Gründungszuschuss. Danke, Papa.)

20. 2008 nach langer Zeit wieder getan?

Monatelang ohne Auto gewesen: Flashback in die Jugendzeit, in die ich nie wieder flashbacken wollte.

21. Drei Dinge, auf die ich gut hätte verzichten können?

Um 5.30 Uhr aufstehen, um den 7-Uhr-Zug zu kriegen. Rückenschmerzen nach Schlafzimmeranstrich. Wochenendbeziehung.

22. Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?

Mich selbst davon, nicht an Dingen zu zweifeln, an denen es nichts zu zweifeln gibt.

23. Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?

Autonomie. Ich mir selber. Geiles Zeug. Ess ich jetzt öfter.

24. Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?

Zuhören. (Und einen kleinen Roboter.)

25. Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?

„Das bin ich ja von Anke nicht anders gewohnt.“

26. Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?

„Mein Tagessatz ist …“

27. 2008 war mit einem Wort …?

Guuuuuuuut.

The year in photographs von Boston.com, Teil 1, Teil 2, Teil 3.

So. Urlaub.

71,2. Kiki ist besser.