Jetzt, wo ich wieder geregelte Arbeitszeiten habe und daher nicht mehr den ganzen lieben langen Tag mal eben zum Supermarkt schlendern kann, und jetzt, wo ich wieder ein Auto habe(n muss), durfte ich letzte Woche etwas erleben, das ich schon wieder ganz vergessen hatte als jemand, die über zehn Jahre kein Auto mehr hatte und meist selbstgewählte Arbeitszeiten: nach Feierabend in den Riesensupermarkt fahren, eine Stunde zwischen den Regalen herumirren, die leeren Gemüseboxen bedauern und das letzte traurige Petersilienbüschel mitnehmen – und dann den Rieseneinkauf in ebensolche Riesentüten verstauen, einen Einkaufswagen über einen Parkplatz schieben und alles in einen Kofferraum wuchten.
In den letzten Jahren habe ich es meist genossen, so alle zwei, drei Tage Kleinkram zu kaufen, heute der Edeka, morgen der Asialaden, drei Tage später der Lieblingsbäcker und ein anderer Supermarkt, bei dem eine DHL-Abholstation im Laden ist, irgendwann der kleine Weinladen, die Drogerie, der Blumenhöker und was halt noch so an gutem Zeug auf irgendeinem Weg liegt, den man zu Fuß oder per Rad erledigt, gerne in der Mittagspause, die frei gewählt mitten am Tag ist.
Nun arbeite ich aber an einem etwas abgelegenen Ort, das heißt, die ganze Mittagspause ginge schon für die Fahrt zu irgendeinem Lebensmittelverteiler drauf. Und: Seit fünf Tagen habe ich eine winzige Zweitwohnung, deren Küche noch arg leer ist. Ich brauchte eine Grundausstattung von allem, was ich dauernd verkoche oder von dem ich inzwischen weiß, dass es in meinem veganen Meal Plan dauernd vorkommt — wie Oregano zum Beispiel, der als Gewürzdöschen bei mir jahrelang zu Staub zerfiel, aber im letzten halben Jahr musste ich ihn ernsthaft schon einmal nachkaufen, weil ich ihn aufgebraucht hatte.
Aus München hatte ich mir meinen Lieblingsreis mitgeschleppt, der schmeckt so gut, dass ich ihn direkt nach dem Kochen ohne alles aus dem Reiskocher löffele, kein Salz, keine Sojasauce, kein Chili Crisp, die ersten Löffel (oder die letzten, die nicht mehr in die Frischhaltebox passen, in der ich Reis für mehrere Tage aufbewahre) gibt’s einfach so, weil lecker. Ich kaufe den immer im 4-Kilo-Paket, und davon steht jetzt je eins in München und in Passau. F., der schlaue Mann, meinte, wenn du eh Reis kaufst, kauf doch alles andere, was du sonst im Asialaden holst, auch gleich, dann hast du wenigstens das am Zweitwohnsitz. Ein guter Plan, damit wurde dann auch gleich eine viertel Umzugskiste voll.
Aber sonst war in meiner Küche noch nichts, nicht mal Kaffee. Oder Nudeln. Oder Knoblauch schockschwerenot. Daher schlenderte ich durch den Riesensupermarkt und kaufte die totalen Grundnahrungsmittel, die erstaunlicherweise viel Platz einnehmen und viel Geld kosten. Ich glaube, ich habe den ersten Supermarkt seit Jahren gefunden, der keinen Tofu hat, aber netterweise habe ich direkt neben meiner Wohnung ein Reformhaus, deren Besitzerin auch schon meinen Router als Paket entgegengenommen hat, weil ich ausgerechnet an dem Tag natürlich nicht in dieser Stadt war, sondern noch in der anderen. So lernte ich gleich jemanden kennen, weiß, wo es Nährhefe und Panko und halt Tofu gibt. Ich entschuldigte mich, dass ich nicht gleich am nächsten Tag zum Paketabholen dagewesen war, aber sie winkte nur ab und begrüßte mich in der Nachbarschaft. Wie nett! Zwei Tage später traf ich sie gleich in der Tiefgarage des Hauses wieder, wo die Müllcontainer stehen, wo ich gerade acht Kilo Ikeakartons kleinschnitt. Daher also die Nachbarschaft.
Nach dem Riesensupermarkt, den ich vermutlich nicht nochmal ansteuern werde, rollte ich den Berg an gutem Zeug über einen Parkplatz und stopfte sie in meinen schönen Kofferraum. Ich musste an die ganzen Autokataloge denken, die ich in meinem alten Leben getextet hatte, in denen Kofferraumvolumen immer gerne in Golfbags angegeben wurde, die sinnloseste aller Größenangaben.
Auch wieder neu für mich: den ganzen Klumpatsch dann in die Wohnung kriegen. Wenn man so einkauft wie ich bisher, also zu Fuß und mit Rucksack, kauft man nur das ein, was man tragen kann. Jetzt hatte ich achtzehn Kilo Goodies, die irgendwie in die Wohnung sollten, die quasi mitten in einer Fußgängerzone liegt. So lernte ich, mit Parkscheiben umzugehen, hatte ich ernsthaft noch nie gemacht. Ist das alles nervig, dieses Kurzparken, schnell Schleppen, wieder zum Auto und Umparken und wieder in die Wohnung und dann endlich alles einräumen. Aber immerhin sind meine Schränke jetzt etwas voller und ich konnte in dieser Woche etwas anderes zum Mittag essen als Müsli mit Obst, was die ersten Tage meine Lunchbox gefüllt hatte.
Und ja, so morgens durch den Nebel den Berg hochzufahren und alleine im Auto zu singen, ist schon nicer als im vollgequetschten Bus. Der aber ja eh nicht den Berg hochfährt, sonst hätte ich kein Auto haben müssen.