Links vom Samstag, 3. Dezember 2016
Wolfgang Ullrich schreibt beim Perlentaucher über Künstler*innen, die Abdrucke ihrer Werke verbieten. Es gibt aber auch Gegenbeispiele, die Hoffnung machen:
„Zwar gilt für wissenschaftliche Publikationen ein Zitatrecht, so dass in gewissem Umfang Werke auch ohne eigene Genehmigung reproduziert werden können, doch ist es nicht umfassend genug, um in vielen der geschilderten Fälle entscheidend weiterzuhelfen. So erlaubt das Zitatrecht nur ziemlich kleine Abbildungen, weshalb sich bei der Wiedergabe etwa von Architekturplänen oder großformatigen Gemälden kaum noch etwas erkennen lässt. Und sollen von einem Künstler viele Werke auf einmal reproduziert werden, fällt das nicht mehr unter das Zitatrecht, so dass sich die Publikation monografischer Arbeiten tatsächlich verhindern lässt, wenn der betreffende Künstler oder seine Rechtsnachfolger keine Reproduktionsgenehmigung erteilen. Verlage sehen mittlerweile oft davon ab, sich in Zweifelsfällen auf das Zitatrecht zu berufen, da sie die Sorge haben, dass – zumal erfolgreiche – Künstler sie nicht nur verklagen, sondern auch bessere Möglichkeiten besitzen, ihren Standpunkt mithilfe guter und teurer Anwälte vor Gericht durchzusetzen. Ein verlorener Prozess kann aber für einen kleinen Wissenschaftsverlag existenzielle Folgen haben, weshalb lieber von vornherein gegen eine eventuell problematische Publikation entschieden wird.
So unterschiedlich darüber geurteilt werden mag, welche Fälle von Verhinderungspolitik man für nachvollziehbar, welche hingegen für skandalös hält, so kommen doch alle darin überein, dass die Rechteinhaber mithilfe des Urheberrechts Einfluss auf die Interpretation und Imagebildung von Kunst und Architektur nehmen. […] Waren die bisherigen Spielarten der Einflussnahme auf die Rezeption darauf ausgerichtet, Werke noch besser zu präsentieren, ihnen zusätzliche oder neue Bedeutungsnuancen zu verleihen oder sie nachträglich zu pointieren, so wird das Urheberrecht dazu benutzt, bestimmte Formen der Werkrezeption zu unterbinden, anderen also die Mitwirkung daran zu erschweren oder sogar ganz zu versagen. Wenn ein Architekt verbietet, dass ein Fotograf sich mit unabhängigem Blick einem Gebäude widmet, verhindert er mit den Fotos zugleich ein neues Werk. Und wenn ein Wissenschaftler eine Forschungsarbeit über einen Künstler nicht publizieren kann, weil die Argumentation ohne Anschauungsmaterial stumpf oder nicht nachvollziehbar wäre, ist die Berufung des Künstlers auf sein Urheberrecht gleichbedeutend mit der Störung oder gar Zerstörung einer Leistung, die, würde sie in ihrer Existenz nicht behindert, ihrerseits ganz selbstverständlich urheberrechtsfähig wäre. […]
Daher mutet ein Maler wie Markus Lüpertz inzwischen beinahe altmodisch an, wenn er erklärt, ein Kunstwerk sei “nicht zu besitzen, weil es ein Schlachtfeld ist”, als solches aber “vogelfrei und ungeschützt”; “…kein Schlachtfeld gereicht irgendeinem Menschen zum Eigentum”. Vielmehr könne jeder damit machen, was er wolle: “Ungerührt sieht der Künstler zu, weil er all dies weder forcieren noch beeinflussen will”. (6) Dahinter steht die romantische Vorstellung, Kunst sei ein öffentliches Gut, da sich in ihr etwas ausdrücke, was für grundsätzlich alle Menschen relevant sei. […]
Tatsächlich scheinen bei einigen Rechteinhabern erste Bedenken aufzukommen, ob ein restriktiver Umgang mit Abbildungswünschen, also das Verweigern von Reproduktionsgenehmigungen oder auch die Festsetzung abschreckend hoher Tarife für Abbildungen, auf längere Sicht nicht zu einem Schwund an Aufmerksamkeit und sogar zu einem Wertverfall führen könnte. Im Februar 2016 hat die Robert Rauschenberg Foundation als erste Stiftung ihrer Art deshalb die Entscheidung getroffen, die Werke Rauschenbergs für Wissenschaft und Unterricht, aber auch für die Verwendung in den sozialen Medien freizugeben. Künftig muss – ganz im Sinne der ursprünglichen Idee des Urheberrechts – nur noch eine Abbildungserlaubnis einholen und Gebühren zahlen, wer Werke kommerziell oder zu werblichen Zwecken nutzen will. Ausdrücklich will die Stiftung mit ihrer neuen Strategie erreichen, dass Rauschenbergs Werke größere Verbreitung finden (“it wants the images to flow freely”) und der Künstler einen höheren Stellenwert im weiteren Kunstdiskurs einnimmt.“
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Trump’s lies have a purpose. They are an assault on democracy.
Über den Unterschied zwischen den Lügen der Bush-Administration und denen von Trump und was die Medien tun müssen, um dagegen zu halten.
„President George W. Bush and his advisers — most notably deputy chief of staff Karl Rove —wove a parallel universe in which Saddam Hussein possessed weapons of mass destruction, Al Qaeda was in cahoots with virtually all of America’s enemies, and the United States was a messianic crusader that would eventually spread capitalist liberal democracy to every corner of the world. This apocalyptic vision had little in common with the actually existing global order, but it was a compelling story. Creating an alternate political universe requires discipline. It requires the willingness to tell many little lies that add up to one big lie. All these lies need to be internally consistent, mutually reinforcing, and at least superficially plausible. Think of it like writing fantasy fiction; the spell woven by books like The Lord of the Rings only works if the worlds they obey a coherent inner logic. […]
President-elect Donald Trump does not create new realities. He tells lies that are seemingly random, frequently inconsistent, and often plainly ridiculous. He says or tweets things on the record and then denies having ever said them. He contradicts documented fact and then disregards anyone who points out the inaccuracies. He even lies when he has no discernible reason to do so — and then turns around and tells another lie that flies in the face of the previous one.
If Bush and Rove constructed a fantasy world with a clear internal logic, Trump has built something more like an endless bad dream. In his political universe, facts are unstable and ephemeral; events follow one after the other with no clear causal linkage; and danger is everywhere, although its source seems to change at random. Whereas President Bush offered America the illusion of morality clarity, President-elect Trump offers an ever-shifting phantasmagoria of sense impressions and unreliable information, barely held together by a fog of anxiety and bewilderment. Think Kafka more than Lord of the Rings.“
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Decades in the Making: Fidel Castro’s Obituary
Die NYTimes beschreibt, wie der Nachruf auf Castro immer wieder umgeschrieben wurde – und wie sich die Medienarten dabei veränderten.
„One piece that didn’t make it into this weekend’s digital coverage was a four-part, 20-plus-minute-long audio slide show on Mr. Castro’s life. The audio slide show — a mostly bygone format intended to marry photos and audio in an age when slow dial-up connections couldn’t handle video — was originally produced around 2006 by Geoff McGhee, Lisa Iaboni and Eric Owles and featured narration from Anthony DePalma, who wrote The Times’s obituary.
With over 80 photos and several audio files, the slide show was managed with a custom-made program called “configurator” that lived on a single, aging Macintosh in a windowless room on the ninth floor of the Times building.
For years, recently hired web producers would spend hours keeping the slide show up to date; something that became a rite of passage of sorts, or — given the complicated and arcane “configurator” — a hazing ritual.
Though much of the material appeared in other forms in our coverage of Mr. Castro’s death over the weekend, the audio slide show was itself lost to history sometime around 2009 when that old Macintosh was decommissioned.“