Was schön war, Sonntag, 18. Juni 2017 – zumindest die erste Tageshälfte und dann irgendwie auch der Abend
Morgens wieder walken gewesen. Wenn der Wecker um 6 klingelt, verbiete ich mir, mit mir selbst zu diskutieren, sondern stehe auf, bevor ich überhaupt anfangen kann, mich wieder ins Bett zu quatschen. Wenn ich im Bad bin, ziehe ich sofort alle Schlafklamotten aus, und das reicht meistens, um mich selbst davon zu überzeugen, dass ich jetzt echt gerne vor die Haustür will. Inzwischen weiß ich ja auch, dass ich es wirklich genieße, morgens in ziemlicher Ruhe mit meist recht wenigen Menschen durch viel Grün zu stapfen, bevor es wieder so widerlich warm wird. Aber ich muss eben erstmal im Grünen sein, und deswegen muss ich leider aus dem Bett.
Gestern habe ich gelernt, dass ich bei verstreutem Müll an Papierkörben nicht immer augenrollend an doofe Menschen denken sollte, sondern vielleicht auch an schlaue Krähen. Auf meiner ersten Runde sah ich eine Krähe auf einem der gedeckelten Papierkörbe sitzen und an irgendwas rumzerren. Als ich in der zweiten Runde wieder vorbeikam, lagen neben dem Papierkorb zwei aufgeklappte Pizzaschachteln, in denen nur noch Tomatensaucenreste erkennbar waren, alles andere war säuberlich weggeschnabelt.
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Den Rest des Vormittags mit Zeitung- und Buchlesen verbracht. The Vanishing Man: In Pursuit of Velazquez ausgelesen; das kann ich sehr weiterempfehlen. Ich habe viel über den spanischen Hof im 17. Jahrhundert gelernt, aber noch mehr darüber, wie Menschen im 19. Jahrhundert in England und den USA – oder besser: in London und New York – Gemälde anschauen konnten, bevor es die großen Museen gab. Ich verweise auf die Rezension in der New York Times, die auch nicht sehr viel spoilert und das Buch gut zusammenfasst: „The book is a pair of biographies (Snare, Velázquez), a series of critical essays, a history of King Philip’s IV court, a cold-case mystery, a courtroom drama, an adventure story, a travelogue.“
Einzige Kritik: Man merkt Frau Cumming schon sehr an, wie verknallt sie in Velázquez’ Malweise ist, denn sie beschreibt sie ungefähr eintausendmal. Das hätte man eventuell etwas kürzen können. Und die Prozessbeschreibung in Edinburgh, an der auch die NYT rummeckerte, war mir deutlich zu lang, da hat das Buch mich ganz kurz zum Querlesen verleitet.
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Ab da wurde der Tag etwas anstrengend.
Nachmittags knetete ich den schönsten Nudelteig, den ich je geknetet hatte, weil ich Ravioli machen wollte. Während der Teig ruhte, vermengte ich Erbsen mit Tunfisch, mit denen ich die Pasta füllen wollte. Dann holte ich mein geliebtes Maschinchen vom Schrank und begann, Teigbahnen auszurollen – und scheiterte. Ich habe es zum ersten Mal nicht hinbekommen, eine einzige verwendbare Teigbahn auszurollen; der Teig, der in meinen Händen noch wunderbar elastisch und weich war, wurde beim Durchrollen spröde und TOTAL GEMEIN ZU MIR. Schwitzend arbeitete ich eine Stunde, bis ich den Klumpen wütend und traurig in den Müll warf und fertige Nudeln kochte. Nebenbei blubberten Tomaten und Zwiebeln in einer Pfanne zu einer Sauce und sahen herrlich hellrot aus. Dazu rührte ich die herrlich grüne Farce, die eigentlich in die Ravioli gehört hätte, und im Moment des ersten Umrührens fielen mir alle Farblehren dieser Welt ein.
Ich hatte dann also fertige Conchiglie mit braunem Matsch auf dem Teller und dachte mir, wenigstens ist es jetzt schon spät genug, um die neue Masterchef-Folge aus Australien online zu finden. Ich setzte mich aufs Sofa, klickte ins Internet – und stellte fest: da war kein Internet.
Mein Router blinkte nicht mehr überall, wo er blinken sollte, also erledigte ich die üblichen Handgriffe – „Have you tried turning it off and on again“ –, aber er blinkte immer noch nicht. Auch mein Handy hatte kein Netz; WLAN war da, WWW aber nicht. Ich rief die Störungshotline der Telekom an und erfuhr von der freundlichen Bandstimme, dass man einiges an Störungen wohl selbst analysieren könne – ob ich den Link aufs Handy haben wolle? Yes, please. Die Analyse brachte dann auch nichts, aber immerhin weiß ich jetzt wieder, wo mein Kabel liegt, das den Router mit dem Rechner verbindet. Ich meldete nölig per Handy meine Störung und aß kalte Nudeln.
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Wie sehr man ans Internet gewöhnt ist, merkte ich anhand meiner üblichen dusseligen Gedankengänge: Okay, wenn ich nicht Masterchef gucken kann, dann halt Netflix. Oh wait. Okay, dann die Fußball-EM im Livestream. Oh wait.
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Schließlich setzte ich mich an den Schreibtisch, denn ich hatte am Freitag Feedback meines Dozenten auf den Leo-von-Welden-Katalogtext bekommen für unsere Ausstellung im September in Rosenheim. Für einige Korrekturen musste ich ins ZI, aber vieles konnte ich auch schon von zuhause erledigen. So saß ich bis 22 Uhr, gefühlt von der Außenwelt abgeschnitten, am Schreibtisch und korrigierte. Mittendrin fielen mir immer Dinge ein, die ich mal eben schnell googeln wollte, but oh wait. Beim dritten Gedankengang in diese Richtung ließ ich das einfach sein, denn auch aufs Rumgoogeln per Smartphone hatte ich keine Lust. Ich merkte auch, dass ich keine Lust hatte, dauernd auf Twitter oder Instagram zu gucken und stellte überrascht fest, dass das eigentlich ganz nett war, diese kleine Auszeit.
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Nach der Arbeit wollte ich eigenlich schlafen, aber dann las ich mich in meinem neuen Buch über Henrietta Lacks fest, das sich ziemlich wie geschnitten Brot runterlesen lässt. Populärwissenschaftlich schreiben können die Amis ja schon recht hübsch.