The Passion of the Christ
The Passion of the Christ
(Die Passion Christi, 2004)
Darsteller: Jim Caviezel, Maia Morgenstern, Monica Bellucci, Hristo Jivkov, Luca Lionello, Toni Bertorelli, Rosalinda Celentano, Hristo Shopov
Kamera: Caleb Deschanel
Musik: John Debney
Drehbuch: Benedict Fitzgerald, Mel Gibson
Regie: Mel Gibson
The Passion of the Christ wird keinen Christen davon abhalten, diese Religion weiter auszuüben. Genauso wenig wird er jemanden zum Christentum bekehren, der nicht schon vorher gläubig war. Aber ich glaube schon, dass viele aus diesem Film, aus diesen Bildern, aus dieser Wucht und Eindringlichkeit mit dem Gedanken kommen werden: Bitte lass ihn nicht umsonst gestorben sein.
Der Film erzählt von den letzten zwölf leidvollen Stunden im Leben von Jesus Christus: der Verrat durch Judas, die Verhaftung durch die jüdischen Priester, die Verurteilung durch Pontius Pilatus, die Via Dolorosa, die Kreuzigung. Und die Auferstehung. Eine Geschichte, die eigentlich jeder in unserem christlichen Kulturkreis kennt. Vielleicht nicht in allen Einzelheiten, aber im Großen und Ganzen weiß doch jeder, worum es geht. Umso mehr hat es mich daher überrascht, dass Regisseur Mel Gibson es geschafft hat, der Geschichte noch ein paar neue Aspekte mitzugeben.
Zum Beispiel begegnen wir Satan, dargestellt von einer Frau mit einer männlichen Stimme. Unheilvoll hält er/sie sich im Hintergrund und lauert bis zum Schluss darauf, dass Jesus ihm/ihr doch noch nachgibt, aus Schmerz, aus Angst, aus Verzeiflung. Wie wir wissen, tut er das nicht, aber bei den Bildern, die wir zu sehen bekommen, fällt es sehr schwer zu verstehen, warum eigentlich nicht. Es wäre doch so einfach gewesen, dem Bösen nachzugeben und dem Guten abzuschwören, wenn einem die Haut schon in Fetzen vom Körper hängt und man nach 39 Peitschenhieben die Rippen sieht.
Mel Gibson hat teilweise sehr brutale Bilder kreiert, die mir persönlich allerdings der Geschichte angemessen schienen. Bei jedem Actionfilm frage ich mich, ob der zwanzigste Liter Blut wirklich nötig war; hier hatte ich nie das Gefühl, dass die Bilder auf Effekthascherei auswaren, ganz im Gegenteil. Die Szene zum Beispiel, in der die Römer den fast bewusstlos geprügelten Jesus vom Block wegschleifen und er eine blutige Spur auf dem hellen Marmor hinterlässt, ist so eindringlich und fast schon ikonografisch, dass man ihr einfach nicht vorwerfen kann, auf billigen Grusel auszusein. Genauso die Kreuzigung, die in allen Einzelheiten fast zelebriert wird. Nägel dringen durch Fleisch, Knochen und Holz, das ganze in Zeitlupe und mit donnernden Hammerschlägen untermalt. Aber auch hier fand ich es nicht übertrieben, sondern der Größe des Ereignisses angemessen.
Selbst, wenn ich keine Christin wäre, würde ich immer noch nicht sagen, dass der Film unnötig brutal war. Eine Kreuzigung war sicherlich kein Vergnügen, auch wenn die in Passion historisch nicht ganz korrekt ist; angefangen beim Querholz, das von den Verurteilten und damit höchstwahrscheinlich auch von Jesus getragen wurde anstatt des ganzen Kreuzes bis hin zur Tatsache, dass die Füße selten bis nie genagelt wurden. Aber ich persönlich habe von The Passion of the Christ keine geschichtliche Genauigkeit erwartet. Ich habe eine Geschichte über die Geburtsstunde einer neuen Religion erwartet, und die habe ich bekommen.
Leider wird das Wirken von Jesus nur am Rande erwähnt. Wir sehen kurze Ausschnitte aus der Bergpredigt, seinen Einzug in Jerusalem, die Heilung einer der Männer, die Jesus verhaften, aber alle Begebenheiten bringen uns die Ideen Jesu nicht wirklich näher. Zwar muss man nicht alles erklären – wer Gutes tun will, der tut es einfach, wer glauben will, der glaubt einfach –, aber es hätte dem Film nicht geschadet, ein bisschen mehr Hintergrund zu sehen; vielleicht nur deshalb, um die Botschaft des Films noch eindringlicher zu machen als sie sowieso schon ist. Aber wenn wir nicht schon vorher wussten, was die Grundidee hinter dem Christentum ist, werden wir in The Passion of the Christ nicht viel davon erfahren.
Dass diese Grundidee die einzig wahre ist, reibt Gibson mir allerdings ein- bis zweimal ein bisschen zu sehr rein. Wenn er zum Beispiel dem einen der zwei Verurteilten, die mit Jesus gekreuzigt werden, von einer Krähe ein Auge aushacken lässt, weil dieser über Jesus bzw. dessen Machtlosigkeit spottet, ist das einfach übertrieben und stört den bis dahin ziemlich ausgewogenen Film sehr.
Diese kleinen Macken macht der Film aber meiner Meinung nach durch seine Bilder wieder wett. Gerade die Kreuzigung ist so eindringlich, dass man sich ihr kaum entziehen kann. Und zwar nicht aus blutiger Schaulust, sondern weil man im Kino genauso fassungslos einem Menschen beim leidvollen Sterben zuschaut wie die Menschen, die um das Kreuz herumgestanden haben. Durch einen simplen Kniff macht Gibson die Szene noch eindrucksvoller – er schneidet von der rohen Gewalt des Sterbens zur Feier des Lebens: dem christlichen Abendmahl. Wir sehen Jesus friedlich im Kreis seiner Jünger das Brot brechen und hören ihn sagen, dass dies sein Leib sei, mit dem sie seiner gedenken sollen, und eine Sekunde später sehen wir eben diesen Leib, zerschunden, geprügelt, blutig bis auf die Knochen an einem Kreuz hängen.
Glücklicherweise ist das nicht das letzte Bild im Film. Wir werden wieder in die Wirklichkeit entlassen mit dem sehr einfachen und wahrscheinlich genau deshalb sehr eindrucksvollen Bild eines in sich zusammenfallenden Leichentuchs und einem sehr lebendigen Jesus, der sein Grab verlässt und damit sein Wirken beginnen kann, das bis heute anhält.
The Passion of the Christ feiert den Sieg des Guten über das Böse, nicht unbedingt den Sieg des Christentums über andere Religionen. Die Bilder und Sätze, die mir am stärksten im Gedächtnis geblieben sind, hatten alle damit zu tun, dass wir für unsere Feinde beten, unseren Mördern vergeben, unseren Freunden beistehen sollen. Und deswegen glaube ich, dass auch Menschen, die nicht religiös sind, aus diesem Film etwas mitnehmen können. Eine Botschaft, die hoffen lässt auf Erlösung, Vergebung und Milde kann nichts Schlechtes sein. The Passion of the Christ zeigt sehr eindringlich, wie hoch der Preis war, den ein Mensch bereitwillig für diese Botschaft gezahlt hat. Und das kann man wahrscheinlich gar nicht blutig genug darstellen, um die Größe und Selbstlosigkeit dieser Tat zu verdeutlichen.