Ein Satz spukt mir seit zwei Wochen im Kopf rum. Er stammt vom schnuckeligen Vikar®, der ihn in seiner Predigt zu dieser Textstelle verwendet hat: „Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.“ (Hebräer 11, 1)
Es ist jetzt fast auf den Tag genau ein Jahr her, seit ich wieder zur Kirche gehe. Ich bin konfirmiert, bin aber irgendwann aus der Kirche ausgetreten, habe mich jahrelang als Agnostiker bezeichnet, und mir war organisierte Religion eher suspekt. Aber egal, welche Art Gotteshaus ich zum Beispiel auf Reisen besichtigt habe – Kirche, Synagoge, Moschee, Tempel –, ich habe immer eine Art Ruhe empfunden, sobald ich diese spirituellen Orte betreten habe. Jedes Gotteshaus hatte auf mich seine eigene Wirkung, aber jedes hinterließ in mir ein Gefühl von Vertrauen. Selbst in den Zeiten, in denen ich nicht an Gott geglaubt habe, hatte ich immer im Hinterkopf: Wenn du irgendwann gar nicht mehr weißt, wo du hinsollst, kannst du immer noch in eine Kirche gehen.
Und als es mir letztes Jahr so fürchterlich schlecht ging, die Therapie nur anstrengend und noch nicht stärkend war, da bin ich eben in einer Kirche gelandet. Und auf einmal waren all die Gefühle wieder da, die ich zu Konfirmanden- und Kindergottesdienstzeiten hatte, die mir damals sagten, dass es richtig ist, was ich glaube: diese Sicherheit, dass jemand da ist, an den man sich wenden kann. Dieses Gefühl, dass man vertrauen kann, ja, dass man muss. Und dass man daraus die Kraft zieht, jeden Tag positiv zu beginnen.
Ich weiß, dass sich das total esoterisch versülzt anhört. Ich habe auch sehr, sehr lange mit mir selbst gehadert, diese Gefühle wieder neu zuzulassen. Aber der Wunsch, jede Ratio einfach auszuschalten, jede Coolness fahren zu lassen, jede Überlegung, nee, das ist doch blöder, 2000 Jahre alter Quatsch, einfach eine Überlegung sein zu lassen, dieser Wunsch war stärker als meine „Argumente“ dagegen. Und so habe ich dem Wunsch nachgegeben. Es war ein Gefühl wie: „Na gut, Gott, dann mach halt. Ich geb auf. Ich glaube wieder an dich, ich finde es schön, in die Kirche zu gehen, ich finde es beruhigend, in der Bibel zu lesen, jajaja, ist okay. Du hast gewonnen. Aber auf Kirchentage gehe ich trotzdem nicht, ich werde eine verwöhnte Konsumgöre bleiben, ich werde auch weiterhin meine Prada-Brille tragen und nie, nie, nie Birkenstocks. Das kannst du dir gleich abschminken. Und wenn ich jemals einen dieser blöden Fisch-Aufkleber auf meinem BMW haben sollte, dann erschieß mich.“
Und so habe ich es zugelassen, wieder zu glauben. Es hat sich ein bisschen angefühlt wie Autonomie aus der Hand zu geben. Aber gleichzeitig hat es sich angefühlt wie ein selbstbestimmter, mutiger Schritt in die richtige Richtung. Ein Schritt in Richtung „Ich wünsche mir, dass die Welt ein besserer Ort wird als sie es jetzt ist. Und vielleicht kann ich mit meinem Glauben, meiner Zuversicht, meiner Freundlichkeit und meiner Hoffnung dazu beitragen.“
Der Satz, den der Vikar gesagt hat, lautet: „Der Gläubige weiß nicht, dass es einen Gott gibt. Der Gläubige WILL, dass es einen Gott gibt.“
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Anke am 29. September 2005