The Brothers Grimm
The Brothers Grimm (USA/CSR 2005, 118 min)
Darsteller: Matt Damon, Heath Ledger, Lena Headey, Peter Stormare, Monica Bellucci, Jonathan Pryce, Mackenzie Crook, Richard Ridings
Musik: Dario Marianelli
Kamera: Nicola Pecorini, Newton Thomas Sigel
Drehbuch: Ehren Kruger
Regie: Terry Gilliam
Die Idee hinter The Brothers Grimm ist gut: Man nehme die echten, historischen Figuren der Gebrüder Grimm und stricke um sie herum ein Märchen, wie diese an ihre – genau – Märchen gekommen sind. Ein Märchen mit Hexen, Zaubersprüchen, einem unheimlichen Wald und lauter Versatzstücken, die wir kennen: rote Äpfel, lange Haare, die aus hohen Türmen herabgelassen werden, gläserne Schuhe, Kinder, die Brotkrumen verstreuen und so weiter; eine Geschichte, aus der man theoretisch viele einzelne Geschichten machen und aufschreiben und in ein Buch binden kann, das ein paar Jahrhunderte später immer noch Kinder sich wohlig gruseln lässt. Klingt erstmal gut. Leider konnte sich Regisseur Terry Gilliam meiner Meinung nach dann aber leider nicht entscheiden, ob er Grimm genauso gruselig werden lässt wie die Märchen oder doch eher eine Slapstickkomödie daraus macht oder ob es doch eher eine Familiengeschichte wird über zwei Brüder (Matt Damon und Heath Ledger), die sich nicht ähneln, immer in Konkurrenz zueinander stehen, sich am Ende aber doch total lieb haben. Grimm ist alles geworden, aber nichts ganz.
Die märchenhaften Versatzstücke sind meist, leider nicht immer, aber eben meist, schönes Gilliam’sches Augenpulver. Er verlässt sich auf die Macht von üppigen Kostümen und überbordender Ausstattung – und es funktioniert. Monica Bellucci quält zwar jeden Zuhörer mit einem Hauch von Sprachgefühl mit einem Englisch, das man eigentlich nicht als solches bezeichnen kann, aber trotzdem waren mir ihre Szenen die liebsten im Film. Sie ist die böse Königin, die seit Jahrhunderten in einem Turm wohnt und nun das Blut von zwölf jungen Mädchen braucht, um ihre jugendliche Schönheit wiederzugewinnen. In Wirklichkeit ist sie natürlich nur eine graue, schrumpelige Masse, über die Heath Ledger auch jovial scherzt, dass ihr die vielen Jahre im Turm nicht besonders gut getan hätten, aber im Zauberspiegel (“Mirror, mirror, on the wall …”) ist sie atemberaubend schön: ebenholzschwarze Haare, schneeweiße Haut, blutrote Lippen und Kostüme, an denen sich Legionen von Näherinnen die Fingerkuppen wund gestickt haben müssen. Sie ist das Zentrum, um das eine meist arg bemühte Handlung kreist, und ihre Szenen sind die einzigen, die wirklich Spaß machen: Das Tempo stimmt, die Mischung aus altertümlichem Märchen und modernem Actionkintopp funktioniert, die Bilder sind aufregend und spannend, und der humorige Unterton, der den kompletten Rest des Film ruiniert, stört auch nicht weiter, weil er kaum zum Tragen kommt.
Was außerhalb des Turms passiert, ist dagegen ein unausgegorenes Irgendwas. Es geht um die Franzosen, die Deutschland besetzt haben, es geht um einen italienischen Helfer (Peter Stormare, unerträglich überzogen) des französischen Offiziers (Jonathan Pryce, Opfer seines affigen Pariser Akzents), der die Gebrüder Grimm zur Strecke bringen will, denn diese entpuppen sich schon zu Anfang des Films als klassische Betrüger: Sie erzählen abergläubigen Hinterwäldlern, dass sie Dämonen und Hexen erledigen könnten und kassieren dann viel Geld für viel Budenzauber. Außerdem lernen wir noch eine schöne Waise kennen, die den Zauberwald um den Turm herum besser kennt als jeder andere, zwischendurch Kröten abschleckt (die moderne Variante des Fröscheküssens für Drogen-erprobte Kids), um den Weg zu erfragen und die natürlich auf Jacketkrone Damon abfährt, obwohl Fusselbart Ledger sie viel lieber hat.
Es sind viel zu viele Einzelteile, die kein Ganzes ergeben haben, mies getimt waren und nie genau wussten, wo sie hinwollten. Pryce und Stormare machen aus ihren Figuren One-Man-Shows, für die ich gerne mein Geld zurückverlangt hätte. Und es waren Kleinigkeiten, die mich genervt haben, weil sie mich aus meiner Fantasiewelt herausgerissen haben: die blendend weißen 21.-Jahrhundert-Zähne von Matt Damon, die in unerträglicher Konkurrenz zum ansonsten matschigbraunen Film und Zeitkolorit standen. Das komische Dialekt- und Akzentchaos, das einfach nicht zusammenpassen wollte. Die ewig lang erscheinenden Szenen im Folterkeller von Stormare im Gegensatz zu den verträumten Märchensettings im Wald, die wahrscheinlich einen Gegensatz zwischen Realität und Fantasie bilden sollten, der aber leider nicht spannend, sondern störend auf mich gewirkt hat.
Dafür gab es zwischendurch Dinge, die mich gefreut haben. Zum Beispiel war das Kinderlied „Guten Abend, gut’ Nacht“ ein musikalisches Leitmotiv, das, genau wie sein Text, immer ein bisschen unheilvoll anstatt beruhigend klang. Die Kostüme waren durch die Bank detailreich und passend, und wenn man auf die Buddy-Scherze von Damon und Ledger steht: Sie haben beide genug komödiantisches Talent, auch die schwächeren Lines funktionieren zu lassen. Aber ich persönlich fand den humorvollen Unterton eben leider unpassend und daher auch so ziemlich den ganzen Film sehr anstrengend.
Ich liebe es, wenn in einem Film ein Satz, ein Dialogfetzen vorkommt, der das ganze Spektakel zusammenfasst, denn dann muss ich mir keinen Kopf über einen schlauen Ausstieg aus der Kritik machen und kann sogar behaupten, das Urteil kommt aus dem Werk selbst. Hier also meine Meinung zu The Brothers Grimm, in Terry Gilliams Worten bzw. denen von Drehbuchautor Ehren Kruger, obwohl es eigentlich um die glitzernden Rüstungen der Grimms ging: It’s not magic – it’s just shiny. Und auch das leider nicht immer.