Gestern schon getwittert: Cake Wrecks verzückt mich ja täglich mit fiesen Fehlern, aber der hier ist einfach grandios. Demons of Stupidity.

Der Economist mal wieder mit einem wunderbaren Nachruf – diesmal auf Margaret Gelling, einer Expertin für englische Ortsnamen.

“At Wivenhoe, in Essex, the low line of the hills has the shape of the heels of a person lying face-down. The name contains the shape: a hoh is a ridge that rises to a point and has a concave end. At Wooller in Northumberland, however, the hilltop is level, with a convex sloping shoulder. The hidden word here is ofer, “a flat-topped ridge”. Early Anglo-Saxon settlers in England, observing, walking and working the landscape, defined its ups and downs with a subtlety largely missing from modern, motorised English. Dozens of words, none of them synonymous, described the look of a hill, the angle of slope and the way trees grew upon it. And after the Anglo-Saxons, no one looked at the landscape in quite that way until Margaret Gelling. (…)

Mrs Gelling worked for the English Place-Name Society, formally and informally, from 1946. From 1986 to 1998 she was its president. She never held an academic post, but lectured widely, wrote a dozen books and produced three of the county surveys of place names. She was devoted to the proposition that names drawn from the landscape were not trivial or accidental, but original and important. (…)

No subtlety escaped her. The suffix fyrhth was not simply wood, but “scrubland at the edge of the forest”. The word wæss was not just swamp, but – she was particularly proud of this – “land by a meandering river which floods and drains quickly”. She had observed this herself at Buildwas, on the winding Severn in Shropshire, where between Saturday morning and Sunday afternoon the flooding river drained from the land “as if a plug had been pulled out”. A feld was not necessarily ground broken for arable, but any open country in the almost all-covering fifth-century forest. And an ærn was not merely a house, but a place where something was stored in bulk and worked on: so that Brewerne, in Cambridgeshire, acquired a smell of beer, and Colerne, in Wiltshire, a dusting of charcoal.”

In diesem Zusammenhang nochmal mein Buchtipp für ganz lange Winterabende: The Book of Obituaries.

(Und ein Hinweis in eigener Sache: Ich bin gestern im Duden darüber gestolpert, dass man fremdsprachige Zitate auch in den fremdsprachigen Anführungszeichen setzt. Also ab heute keine untenstehenden Anführungszeichen mehr bei englischen Zitaten.)

“There is no such thing as a bad feminist. Feminism is a social justice movement, it is not about chiding other women, or establishing yet another set of standards for women to be judged against. We all mess up – we’ve all been raised in a sexist, racist, transphobic, heteronormative society, and guess what, that affects our behaviour. We all also differ in terms of what feminism means to us.”

Unterschreib ich sofort. Gefunden bei der Mädchenmannschaft, wie neuerdings so oft so vieles. Danke, meine Damen. (Und überhaupt: Mädchenblog. feministing. Kann man ja auch mal wieder erwähnen.)

„Das welthistorische Ereignis des Tages lautet: letztes UEFAcup-Finale ever. Letztendlich haben die UEFA-Funktionäre ihre Finger nicht von einer Reform des UEFAcups gelassen und fahren in der nächsten Saison einen Relaunch unter dem absoluten Honknamen “Europa League“. Bitte nicht verwechseln mit dem “Eurocup” (Basketball), “Euroleague” (Basketball), “European League” (Volleyball), “Euro League” (Wasserball), “Euro League” (Rollhockey) oder “European Liga!” (Nasenpopeln).“

allesaussersport fabuliert sich mal wieder in Ekstase. Lovin’ it.

„Dank suggestiver Fragen kann viel belegt werden, auch, dass eine Mehrheit Netzsperren befürwortet. Werden die Fragen anders formuliert, ist das Ergebnis genau umgekehrt.“ Die Zeit über Umfragen zu Netzsperren.

The Wrestler

Um mal ganz böse einzusteigen: Der Wrestler im gleichnamigen Film ist wahrscheinlich die einzige Rolle, die Mickey Rourke nach seinen ganzen schief gegangenen „Schönheits“operationen noch spielen kann. Was die Jungs sich da im Ring antun, wird in vielen, hübsch choreografierten Großaufnahmen gezeigt – nicht zelebriert, nicht naserümpfend draufgeguckt, es wird einfach abgebildet, was diesen Sport anscheinend ausmacht. Ich muss gestehen, ich kann Wrestling überhaupt nichts abgewinnen und verstehe die Faszination nach The Wrestler noch weniger. Aber der Sport ist nicht die Hauptsache in diesem hervorragenden Film, sondern die Menschen, die ihn ausüben. Wobei diese Sportart nur das Vehikel ist, um ihre Gemeinschaft zu zeigen; ich glaube, sie könnten auch bowlen oder eiskunstlaufen. Wobei Mickey Rourke dabei vielleicht etwas unglaubwürdiger gewesen wäre.

Rourke spielt den Wrestler Randy, dessen großer Kampf 20 Jahre zurückliegt. Seitdem tritt er auf kleineren Veranstaltungen auf, verkauft Videokassetten mit seinen größten Momenten und gibt alt gewordenen Fans und ihren Söhnen freundlich Autogramme. Überhaupt zeichnet sich Randy durch seine Freundlichkeit aus: den Nachbarjungs gegenüber, mit denen er eine Runde an der Konsole daddelt oder seinen Kollegen hinter der Bühne, denen er gerade eben noch die Hucke blutig geprügelt hat. Und der Stripperin Cassidy (Marisa Tomei), die er respektvoll behandelt und zu der er geht, wenn nichts mehr hilft, zum Beispiel gegen Schmerzen oder Vermieterprobleme und von der er sich Rat holt, um die kaputte Beziehung zu seiner Tochter (Evan Rachel Wood) zu kitten. Eines Tages erleidet Randy einen Herzinfarkt, und er kann seinen Beruf nicht mehr ausüben, woraufhin er gezwungenermaßen hinter der Fleischtheke eines Supermarkts steht.

The Wrestler erzählt davon, wie man sich an Jobs klammert, die einen auffressen. Im negativen Sinn, weil sie einen körperlich oder seelisch ruinieren. Und im positiven Sinn, weil sie ein Feuer in einem wecken, das an manchen Tagen alles erträglich macht – und an anderen alles verbrennt. Rourke spielt Randy mit einer Schutzlosigkeit, die einem manchmal den Atem stocken lässt, so offen und verletzlich rennt er in seine Welt – und so brutal lässt diese ihn manchmal abblitzen. Die Story ist konsequent, mitleidslos und stimmig, die Akteure glaubwürdig, die Ausstattung perfekt. The Wrestler fordert einen mit manchen Szenen sehr heraus und gibt in jedem Augenblick sehr viel zurück. Große Empfehlung.

The Reader

The Reader (Der Vorleser) erzählt die Geschichte von Michael Berg (David Kross/Ralph Fiennes), der als Jugendlicher in den 50er Jahren seine erste Beziehung hat – mit Hanna Schmitz (Kate Winslet), die einige Jahre älter ist als er. Sie entpuppt sich im Laufe des Films, weit nach Ende der Beziehung, als eine KZ-Aufseherin – und mehr will ich schon gar nicht mehr verraten.

Ich kann mich an die Buchvorlage überhaupt nicht erinnern, außer dass mir ihr recht schlichter Stil sehr gefallen hat. So fühlt sich auch der Film an: Die Geschichte entfaltet sich ohne große Sperenzchen, fast ein bisschen spröde und kühl, vor den Augen des Zuschauers; Zeitsprünge zwischen dem erwachsenen und dem jungen Michael machen einen Reiz des Films aus und verdeutlichen eines der angererissenen Thema: Zeit. Wie sie vergeht, was sie mit einem macht, wie sie uns verändert. Oder auch nicht.

Was mir an The Reader am besten gefallen hat, war, dass er der Versuchung widerstanden hat, etwas oder jemanden erklären zu wollen, genauer gesagt, Hannas Taten oder ihre Person. Sie ist einfach da, mit all ihrem fürchterlichen Ballast, aber auch mit ihrer Zärtlichkeit, ihrer Stärke und ihrem Stolz. Kate Winslet hat es geschafft, dieser zerrissenen, aber gleichzeitig absolut stimmigen Figur Konturen zu geben, hat sie auf wenige Charakterzüge reduziert und lässt sie dadurch strahlen. Man kann dem Film vielleicht vorwerfen, ein Monster zu menschlich gemacht zu haben. Aber genau das fand ich an The Reader so faszinierend: dass das Monster eben menschlich ist.

Frost/Nixon

In Frost/Nixon geht es um ein berühmtes Fernsehinterview zwischen dem britischen Talkshowhost David Frost (Michael Sheen), der damals eher ein journalistisches Leichtgewicht war, und dem ehemaligen US-Präsidenten Richard Nixon (Frank Langella), der Frost 1977 gegenübersaß. Der Film zeigt, wie es zu dem Interview kam, wie sich die Parteien darauf vorbereitet haben und wie Frost schließlich Nixon in Bezug auf Watergate den legendären Satz entlockte: If a president’s doing it, that means it’s not illegal.

Der Film bzw. das zugrundeliegende Theaterstück nehmen sich natürlich einige Freiheiten wie zum Beispiel einen leicht angetrunkenen Nixon, der nachts Frost anruft und einen Zuhörer für seinen philosophischen Rechtfertigungsmonolog sucht. Aber der Rest ist meines Wissens nach recht akkurat wiedergegeben, weswegen man sich sicher die Frage stellen kann: Wozu das Ganze? Ganz einfach: Weil Frost/Nixon ein äußerst unterhaltsamer Film geworden ist, der stilsicher zwischen Suspense und Humor balanciert. Trotz seines scheinbar angegrauten Sujets und der fiesen 70er-Jahre-Frisuren schimmert im Film immer die Ungeheuerlichkeit durch, die Nixons Präsidentschaft beendet hat: die völlige Überschätzung der eigenen Person, der eigenen Macht und des eigenen Amts. Nixon hat eben diesem Amt sehr großen Schaden zugefügt und es nicht einmal mitbekommen. Der Film spürt der Fassungslosigkeit vieler Amerikaner noch einmal nach – und vielleicht ist Frost/Nixon gerade zum Ende der Bush-Ära deswegen so sehenswert.

„Handtuch. Die Tischdecke der Kartons.“

Lu hat endlich wieder Internet. Ick freu mir.

Legosexismus – das Sprachblog deckt auf. Bitte auch die Kommentare lesen. Via Mädchenmannschaft.

„Ich wollte heute für meine Töchter Legomännchen kaufen, und musste die erschreckende Feststellung machen, dass diese mit überwältigender Mehrheit genau das sind: Männchen. Es gab überhaupt nur drei weibliche Legofiguren: eine junge Dame in einem spießigen geblümten Oberteil, die auf einer Bank sitzt und Musik aus einem Ghettoblaster hört (Erde an Lego: Bitte einmal „iPod“ googeln), eine Tochter aus gutem Hause, die auf einem Pferd neben einem landroverartigen Auto mit Pferdeanhänger sitzt, und eine Milchmagd mit einer Kuh auf einem Bauernhof. Letztere ist im Lego-Universum — oder dem Teil, der gerade beim nächsten Karstadt herumsteht — die einzige Frau, die einer Beschäftigung nachgeht. Alle anderen Berufstätigen sind Männer: von Sachbearbeitern mit Aktenkoffer über Piloten, Ingenieure, Polizisten, Feuerwehrmänner, Bauarbeiter und Müllmänner bis zu Piraten und futuristischen „Power Miners“.

Ich bin ein großer Lego-Fan, aber als Vater von zwei Mädchen, die im Leben alles erreichen können sollen, was sie sich vornehmen, hat mich das schockiert. Es hat mich an die unzähligen Kinderbücher erinnert, deren Sexismus ich beim Vorlesen stillschweigend herauseditiert habe: die Geschichte vom mutigen kleinen Fuchsjungen, der interessiert die Welt erkundet, während seine Schwestern lieber bei der Mutter bleiben (er wurde bei mir ein mutiges kleines Fuchsmädchen), die Geschichte von den Kindern aus der Krachmacherstraße, die mit der Bahn in den Urlaub fahren, weil „Mama natürlich nicht autofahren kann“ (sie wurde bei mir zur umweltbewussten BahnCard-Besitzerin), all die Geschichten von wilden, mit detektivischem Gespür und Abenteuerlust ausgestatteten Jungen, in deren Welt Mädchen höchstens als blöde ältere Schwestern vorkommen (diese Bücher sind bei mir gleich aus dem Bücherregal geflogen, oder ich habe beim Vorlesen wenigstens die blöden älteren Schwestern weggelassen).“

Twittermagnets. Magnetic poetry für Twitter. Die Gedichte kann man in deren Stream twittern oder im eigenen.

(via oh!itsplastic)

Ah, es ist Frühling: Die Wäsche trocknet innerhalb eines Tages und braucht keine anderthalb mehr dazu.

Falls ich jemals wieder einen Fuß in eine Universität setze, melde ich hiermit schon mal das Thema meiner Dissertation an: „Die Wahrnehmung der Jahreszeiten im Laufe der menschlichen Geschichte: Nilüberschwemmungen – Sternkonstellationen – Veränderungen in der Vegetation – Trockenzeiten von Jeans auf einem Plastikständer in Hamburger Altbauwohnungen.“

Max Frisch über den Sinn von Literatur. Via Isa und Text & Blog.

„An dem Tag, da Madame de Villeparisis uns nach Carqueville mitnahm, zu der unter Efeu verborgenen Kirche, von der sie gesprochen hatte und die, auf einer Anhöhe erbaut, das Dorf und den hindurchfließenden Wasserlauf beherrschte, über den noch immer die mittelalterliche kleine Brücke führte, dachte meine Großmutter, ich wäre vielleicht froh, wenn ich dieses Bauwerk allein betrachten könnte, und schlug ihrer Freundin vor, mit ihr in der Konditorei am Platz, den man deutlich sah und der unter seiner goldfarbenen Patina nur wie ein weiterer Teil eines durch und durch antiken Gegenstandes wirkte, den Nachmittagstee einzunehmen. Es wurde ausgemacht, daß ich sie dort treffen sollte. Um in dem grünen Block aus Laubwerk, vor dem sie mich stehenließen, eine Kirche zu erkennen, mußte man sich schon anstrengen; und tatsächlich, wie es Schülern geht, die den Sinn eines Satzes vollkommener begreifen, wenn man sie durch Übersetzen aus der Fremdsprache oder aus der Muttersprache in eine andere dazu zwingt, ihn der Formen zu entkleiden, an die sie zu sehr gewöhnt sind, mußte ich mir jetzt unaufhörlich wieder den Begriff der Kirche, den ich sonst beim Anblick von eindeutig kennzeichnenden Glockentürmen gar nicht zu bemühen brauchte, wieder vor Augen halten, um nicht an der einen Stelle zu vergessen, daß hier die Bogenform eines Efeutuffs durch ein Spitzbogenfenster gegeben und dort das Vordrängen der Blätter durch ein Relief am Kapitell zustande gekommen war. Doch dann erhob sich ein leichter Wind und ließ das wandelbare Portal erbeben, über das sich nun wie ein dahingleitender Lichtschimmer zitternde Wogen ausbreiteten; die Blätter glichen einer Brandung; und erschauernd schwemmte die pflanzliche Fassade die welligen, umschmeichelten und fliehenden Pfeiler mit sich fort.“

(Marcel Proust, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit 2: Im Schatten junger Mädchenblüte, Suhrkamp, Seite 414. Auf Wunsch – und zu Recht, denn ohne diese Dame könnte ich Proust gar nicht würdigen – nachgetragen: Die Übersetzung stammt von Eva Rechel-Mertens)

„Le jour que Mme de Villeparisis nous mena à Carqueville où était cette église couverte de lierre dont elle avait parlé et qui, bâtie sur un tertre, domine le village, la rivière qui le traverse et qui a conservé son petit pont du moyen âge, ma grand’mère, pensant que je serais content d’être seul pour regarder le monument, proposa à mon amie d’aller goûter chez le pâtissier, sur la place qu’on apercevait distinctement et qui sous sa patine dorée était comme une autre partie d’un objet tout entier ancien. Il fut convenu que j’irais les y retrouver. Dans le bloc de verdure devant lequel on me laissa, il fallait pour reconnaître une église faire un effort qui me fît serrer de plus près l’idée d’église; en effet, comme il arrive aux élèves qui saisissent plus complètement le sens d’une phrase quand on les oblige par la version ou par le thème à la dévêtir des formes auxquelles ils sont accoutumés, cette idée d’église dont je n’avais guère besoin d’habitude devant des clochers qui se faisaient reconnaître d’eux-mêmes, j’étais obligé d’y faire perpétuellement appel pour ne pas oublier, ici que le cintre de cette touffe de lierre était celui d’une verrière ogivale, là, que la saillie des feuilles était due au relief d’un chapiteau. Mais alors un peu de vent soufflait, faisait frémir le porche mobile que parcouraient des remous propagés et tremblants comme une clarté; les feuilles déferlaient les unes contre les autres; et frisssonnante, la façade végétale entraînait avec elle les piliers onduleux, caressés et fuyants.“

(Direktlink, Gesamtwerk)