The Next Three Days

Russell Crowe und Elizabeth Banks spielen Ehepaar mit Söhnchen, deren heile Welt von einem Moment zum nächsten zerbricht: Mama wird wegen Mordes verhaftet, Papa versucht, sie durch alle Gerichtsintanzen wieder frei zu kriegen, und Sohnemann altert drei Jahre und will Mama im Knast nicht mehr küssen. Alles ganz schlimm. Da bleibt nur eine Lösung: Mama muss rausgeholt werden. Und so wird aus dem schnuffigen Lehrer und Papa Actionman Crowe, der sich bei Drogenhändlern Pässe besorgt, sich mit Waffen auskennt und beim Show-down Autofahren kann wie ein Stuntman.

The Next Three Days (72 Stunden) hat mir teilweise gut gefallen, weil er sich viel Zeit nimmt, um den Plan zum Ausbruch auszutüfteln – und der ist auch ziemlich clever. Bis dahin nehme ich Crowe auch alles ab, was er da tut; seine Verzweiflung am System, der Glaube an die Unschuld seiner Frau treibt ihn voran, und das macht alles recht überzeugend. Dann wird mir das ganze aber zu professionell. Klar, kann sein, jede_r kann über sich hinauswachsen, aber die Verwandlung von Normalo zum Profi dauert gerade mal drei Monate, und währenddessen hat der Gute auch noch Zeit, „Don Quijote“ am Community College zu unterrichten. Und dass ihm beim Big Escape dann noch ein Fehler unterläuft, der so fußballtorgroß ist, während er vorher so pingelig war, macht das Ende dann noch seltsamer als es eh schon ist. Fazit: schöner Anfang, fauler Abgang. (Aber spannend war’s schon.)

Bechdel-Test bestanden?

1. Es müssen mindestens zwei Frauen mitspielen, die
2. miteinander reden
3. und zwar über etwas anderes als Männer.

Ehefrau, Spielplatzbekannte, Mama, Schwägerin, Polizistinnen, Ärztinnen – da sind schon ein paar Frauen dabei und die dürfen auch alle was sagen. Leider bis auf die erste zweiminütige Szene (Ehefrau, Schwägerin) nicht zueinander. Wobei ich das diesem Film verzeihen würde, denn auch Russell redet nicht viel mit anderen. Aber auch hier natürlich wieder die Killerfrage: Hätte die Hauptrolle auch eine Frau sein können? Ja, hätte sie. Den Film hätte es nicht die Bohne verändert, wenn Elizabeth Russell rausgeholt hätte. Für mich persönlich hätte es den Film sogar besser gemacht, weil er so schön das Klischee vom männlichen Retter gebrochen hätte.

Bechdel-Test bestanden? Nein.

The Town

Ziemlich straighter Film ohne riesige Überraschungen. Bankräuber, Polizist_innen, das Böse im Hintergrund, die Frau, die unerwarteterweise den einen Bankräuber nochmal wiedertrifft … och. Naja. Ich habe mich ein bisschen von der Versammlung hübscher Namen auf der DVD beeindrucken lassen (Ben Affleck, Jon Hamm, Jeremy Renner, Pete Postlewaithe, Chris Cooper, Rebecca Hall kannte ich leider nicht), fand The Town (Stadt ohne Gnade) dann aber doch ein bisschen zu bleihaltig, um ihn ernstzunehmen, ein bisschen zu kitschig, um ihn romantisch zu finden, und Affleck immer noch zu untalentiert, um ihm irgendwas abzukaufen.

Bechdel-Test bestanden?

1. Es müssen mindestens zwei Frauen mitspielen, die
2. miteinander reden
3. und zwar über etwas anderes als Männer.

Wie oben schon anklingt: eine Frau unter vielen Männern. Blake Lively darf auch mitspielen, ist aber genau so ein Klischee wie Hall; die eine die sexuell Freizügige mit dem unehelichen Kind, die andere die huschige Bankangestellte, die sich ausgerechnet in den Bankräuber verliebt.

Bechdel-Test bestanden? Nein.

The Social Network


© Columbia Pictures

The Social Network (USA 2010, 120 min)

Darsteller: Jesse Eisenberg, Andrew Garfield, Justin Timberlake, Armie Hammer, Denise Grayson, John Getz, Rashida Jones, Rooney Mara, Max Minghella, Brenda Song
Musik: Trent Reznor, Atticus Ross
Kamera: Jeff Cronenweth
Drehbuch: Aaron Sorkin nach dem Buch „The Accidental Billionaires“ von Ben Mezrich
Regie: David Fincher

Trailer

Offizielle Seite

Wenn man sich die Story von The Social Network durchliest, könnte man meinen, dass das ein zweistündiges Schnarchfest wird: Wie entstand Facebook? Aber wenn man dann liest, dass David „Hier bitte Ihren liebsten Fincher-Film einsetzen“ Fincher Regie führt, Aaron „The West Wing/Drehbuchgott“ Sorkin das Skript schreibt und ein Menge talentiertes Jungvolk mitspielt, hört sich das schon besser an. Aber das Tolle ist: Der Film ist noch besser als ich es erwartet hatte. Weil er eben nicht nur erzählt, wie Facebook entstand. Sondern weil er viel verrät über das amerikanische Collegewesen, über die immer noch vorhandenen Standesdünkel, die sich gerade im Internetzeitalter so fies veraltet anfühlen, über Jungscliquen und Dekomädels und über das, was wahrscheinlich jede_n von uns antreibt: die Suche, nach jemandem, der oder die dich mag. Am liebsten im realen Leben und nicht per Like-Button.

Der Film beginnt mit einem Date, das sich schon nach zwei Sätzen anfühlt wie das letzte zwischen Erica und Mark. Dem Mark. Dem Zuckerberg, um den sich der Film dreht. Er quatscht in einer Tour (und in einem unerträglich arroganten Tonfall) davon, dass er gerne in einen der exklusiven Harvard-Clubs aufgenommen werden möchte, während sie sich gerade fragt, ob in Marks Schädel noch für etwas anderes Platz ist als „Ich zeig euch allen, dass ich ein Jemand bin“. Anscheinend nicht, Erica macht Schluss, und Mark macht, was man heutzutage (oder auch 2003) eben macht und machte, wenn einem was auf dem Seelchen drückt: Er bloggt darüber. Nennt Erica eine bitch, plaudert über ihre BH-Größe und vergleicht Frauen mit Tieren auf einem Bauernhof. Dann macht er sich das dritte Bier auf und programmiert mit Hilfe vom besten Kumpel Eduardo mal eben eine gar lustige Seite, auf der Kerle über die Attraktivität von Frauen urteilen können – genauer gesagt, zieht er sich dafür von diversen Harvard-Wohnheimen die Bilder der Mädels vom Server. Die Seite zieht in zwei Stunden 22.000 Besucher an und crasht die Harvard-Rechner. Woraufhin Mark Ärger kriegt und gleichzeitig das Interesse von drei weiteren Kerlen weckt, die ihm vorschlagen, eine Art soziales Netzwerk für Harvard für sie zu programmieren.

Der Rest des Film beschäftigt sich damit, dass die drei Zuckerberg (Jesse Eisenberg) verklagen, weil er ihre Idee gestohlen hat. Gleichzeitig sitzt er noch seinem inzwischen ehemals besten Kumpel Eduardo (Andrew Garfield) in einer weiteren Anwaltskanzlei gegenüber, der auch eine Menge Geld von ihm haben möchte, weil Zuckerberg ihn aus Facebook rausgemauschelt hat. Und das ist im Prinzip der ganze Film. Aber. The Social Network fühlt sich nicht an wie ein Film oder eine gute Dramatisierung einer wahren Geschichte, sondern wie eine verdammt gut gelungene Momentaufnahme. Wo Zuckerberg am Anfang in Hoodies und Badelatschen rumläuft und macht, was er will, sitzt er zum Schluss in Krawatte und weißem Hemd neben einer Horde von Anwält_innen. Und sein Hemd ist genau den Tick zu groß, um klarzumachen, dass in ihm immer noch der Student steckt und nicht der jüngste Milliardär des Planeten.

Die wilde Selbstüberschätzung der New-Economy-Blase war gerade verheilt, als 2004 die nächste Welle von Internetcowboys anrollte. Die Büroräume sind bunt, die Drinks auch, und geschlafen wird, wenn man tot ist. Auf Zuckerbergs Visitenkarte steht irgendwann „I’m CEO, bitch“, aber momentan ist er noch davon beeindruckt, dass Sean „Napster“ Parker (Justin Timberlake) ein Victoria’s-Secret-Model am Arm hat. Jesse Eisenberg hat fast den gesamten Film über einen einzigen Gesichtsausdruck: Konzentration auf das Wesentliche, nämlich coden, noch mehr coden und gucken, was noch aus dem Code rauszuholen ist – um dann irgendwann überrascht zu merken, dass um ihn herum noch andere Dinge passieren. Es ist ihm völlig egal, ob seine Projekte Geld einbringen – Hauptsache, sie sind cool, und er kann machen, was er will, weil er nämlich keine weißen Hemden tragen will und in Meetings rumsitzen. Die einzigen Male, in denen sich sein Ausdruck ändert, sind zwei, die mit sehr elementaren Gefühlen zu tun haben: der leicht verständnislose, aber verdammt glückliche Ausdruck nach einer kleinen Session mit einem weiblichen Fan. Und der Augenblick, in dem ihm klar wird, dass er zwar die coolste Site auf dem Planeten besitzt, aber keine einzige Seele, die sich mit ihm darüber freut.

Das hört sich jetzt doch wieder nach der üblichen Hollywood-Moralpredigt an, aber The Social Network schafft es, die Botschaft ziemlich zu verstecken. Man hat auch gar keine Zeit dazu, groß über Metaphern zu grübeln, weil der Film ein unglaubliches Tempo hat. Wie gesagt, ein Großteil spielt sich in Anwaltskanzleien ab, aber die Schnitte vom Verhandlungstisch nach Harvard, nach England, nach San Franciso oder New York sind so gut getimt, dass man kaum hinterherkommt. Der rasante Aufstieg einer Website im Internetzeitalter, der gnadenlos alles und alle mitnimmt, visualiert auf Zelluloid: so geht’s. So und nicht anders.

Ich sprach schon Aaron Sorkin an, den ich dafür bewundere, dass so gut wie jeder seiner Sätze in Stein gemeißelt werden könnte. Seine Worte sind so auf den Punkt und treffen so in die Knochen, dass sie dem Film eine weitere Schärfe verleihen, wo er bei einem mittelprächtigen Buch eben „nur“ eine Dramatisierung einer wahren Geschichte geworden wäre. So aber hat jeder Satz eine Bedeutung, und in jedem schwingt meistens noch etwas mit. Das wird manchmal verbalisiert – wenn Erica zu Recht darüber erbost ist, dass Zuckerberg ihr sagt, er nehme sie überall mit hin, wo sie sonst nicht hinkäme oder wenn Zuckerberg Eduardo hinterherruft, dass dessen Aufnahme in einen Club wahrscheinlich etwas mit seiner jüdischen Herkunft zu tun haben wird –, meistens bleiben die Sätze aber einfach so in der Luft stehen, wo sie so viel Kraft haben, dass sie ein Loch hinterlassen. Was den Job Eisenbergs nochmal so gut macht: seine Fähigkeit, den messerscharfen Verstand Zuckerbergs so facettenreich darzustellen. Er bekommt jedes Detail mit, kann betrunken programmieren, wirft seinen Professoren im Hinausgehen die richtige Lösung für eine Aufgabe an den Kopf, hat aber gleichzeitig überhaupt kein Gespür für zwischenmenschliche Töne. Dass etwas danebengegangen ist, merkt er erst, wenn man es ihm sagt – und dann hat er immerhin noch eine passende (und wie immer brillant formulierte) Erwiderung parat.

Noch ein Wort zur Musik, die mir meist nur auffällt, wenn sie richtig gut oder richtig doof ist: Hier ist sie richtig gut. Die perfekte Mischung aus „alten“ Instrumenten und neuen Tönen, perfekt für einen Film, in dem der „alte“ Wunsch, über das Leben seiner Freunde informiert zu sein, auf ein neues Medium trifft. Und trotz seines modernen Themas nutzt der Score eine uralte Technik, nämlich die des Leitmotivs. Der Film zeigt drei Situationen, die die Story entscheiden beeinflussen, und alle werden eingeleitet oder begleitet von immer der gleichen Tonfolge auf dem Klavier, unter der ein tiefer, unheilvoller Synthesizer brodelt. So simpel und so effektvoll beginnt der Film (die Minuten vor dem Blogeintrag und der besoffenen Programmiersession), hat einen ersten Höhepunkt (das Eingeständnis, bei der Idee vielleicht doch einen Hauch von den drei Klägern beeinflusst worden zu sein, was Zuckerberg einige Millionen Dollar kosten wird) und so endet er (Zuckerberg nachts im leeren, bunten Facebook-Büro).

Der Film fängt mit Erica an, und er hört so fantastisch passend mit ihr auf. Einer der wenigen Momente, in denen der Film mal eine Pause macht und man selbst darüber nachdenken kann, huch, was passiert hier eigentlich gerade? Aber da ist der Moment schon wieder vorbei, genau wie der Film. Und ich konnte endlich mal Luft holen.

Bechdel-Test bestanden?

1. Es müssen mindestens zwei Frauen mitspielen, die
2. miteinander reden
3. und zwar über etwas anderes als Männer.

Es spielen ein paar Groupies, Freundinnen, Anwältinnen und Praktikantinnen mit, aber sämtliche Hauptrollen sind von Männern besetzt. Und die Damen sagen zueinander höchstens sowas wie „Lass uns zusammen aufs Klo gehen“ oder „Zieht ne Linie auf mir – soll ich den BH ausziehen?“ Außerdem sind sie gern gesehene Partygäste, aber beim Programmieren haben sie nichts verloren. Das kann ich zwar dem Film nicht vorwerfen, aber dafür extra fett der heutigen Gesellschaft.

Bechdel-Test bestanden? Pffft.

Der Herr Geheimrat ganz privat

Ich war am Montag beruflich in Frankfurt und hatte nach dem Termin, für den es Geld gibt, noch etwas Zeit, um Geld auszugeben. Daher testete ich mal die Frankfurter Tram an, die mir ein paar Tage vorher auf Twitter ans Herz gelegt worden war. Ich verzweifelte etwas am Fahrkartenautomaten (ah, es gibt einmal Fahrten innerhalb von Frankfurt und einmal außerhalb), dann müffelte die 12 auch noch, dann stieg eine Kindergartentruppe ein (immerhin mit lustigen Nemo-Neon-Westen und einem russisch blaffenden Fräulein Rottenmeier), aber das war alles wurst, denn nach zehn Minuten stieg ich am Römer aus und guckte mir eben diesen an. Ohne ein Foto zu machen.

Dann sprintete ich durch die Paulskirche (die kannte ich schon, und meine Zeit war knapp bemessen), um zum Ziel meiner Wünsche zu gelangen: dem Goethehaus. Ich habe gerade die Italienische Reise beendet und fand es daher seltsam heimelig, in dem Haus rumzuklettern, in dem Herr Goethe geschrieben hat. Jedenfalls bis er nach Weimar umsiedelte, wo dann auch die Reise entstand.

Nach den guten Erfahrungen mit dem Audioguide in der Pinakothek gönnte ich mir auch dieses Mal einen und war genauso zufrieden. Jedenfalls in meinem engen Zeitrahmen. Wenn ich zwei Stunden gehabt hätte, hätte ich gerne ein paar Informationen mehr gehabt, so aber war er perfekt, um innerhalb eines Stündchens durch Erdgeschoss und drei Stockwerke zu bummeln.

Ich war von der Größe des Hauses sehr beeindruckt, habe mich bei jeder knarzenden Bodendiele fies erschrocken, weil ich gerade auf den plaudernden Mann im Ohr konzentriert war (und es knarzen eine Menge Bodendielen!) und habe mich in die Tapete im blauen Salon im Erdgeschoss verliebt. Ohne ein Foto zu machen.

Das Foto vom Musikzimmer ist natürlich absichtlich so lustig verwischt, um die Dynamik von Musik zu visualisieren. Ist klar.

In der Küche gibt es eine Pumpe mit einem zwei Meter langen, verdammt schwer aussehenden Schwengel, ein kleines Regal mit Kupfertöpfen und Geschirr und dazu einen Herd mit einer einzigen Feuerstelle. Wenn es in der Küche fließendes Wasser gab – wieso gab es dann im ganzen Haus keine Nasszelle? In jeder Etage gibt es drei, vier sehr schöne Zimmer, aber nirgends ein Bad. Dafür ein Familienzimmer, in dem Porzellan zu sehen war, darunter die Schokoladentasse von Mama Goethe, nach der sie angeblich noch auf dem Sterbebett verlangt hat (nach was auch sonst).

(Warum ich diese schräge Perspektive gewählt habe, um ein Bild zu fotografieren, ist mir im Nachhinein so gar nicht mehr klar.)

In der Bibliothek habe ich nach den ganzen Werken gesucht, die mir im (sehr guten) Anhang der Italienischen Reise begegnet sind. Also die Bücher über Italien, Rom, Architektur, Kunst, Geologie, Biologie und überhaupt alles, mit was sich Goethe in Kindheit und Jugend so beschäftigt hat. Leider habe ich kein einziges gefunden, aber vielleicht sind die alle in Weimar. (Memo to me: dringend mal wieder nach Weimar. Die letzten drei Male waren noch zu DDR-Zeiten, und für das Goethehaus hatten wir nur einmal Zeit. Dafür war ich dreimal hier.)

Der Audioguide erzählt etwas zu den Wohnräumen und ihrem Zweck, ausgewählten Möbelstücken und Bildern und eben was zur Schokoladentasse von Mama. Und wenn der PDA nicht am Ende jedes Beitrags blöd plingen würde, wäre ich die ganze Zeit zweieinhalb Jahrhunderte in der Vergangenheit gewandelt. So wird man immer wieder ein bisschen rausgerissen, aber das mag eine persönliche Empfindlichkeit sein. Wie in letzter Zeit so häufig hat mir die kleine Flucht aus dem Alltag sehr gut getan. Und deswegen verzeihe ich Frankfurt auch das elendig hässliche Lufthansa-Terminal.

Ein beschwipstes Dankeschön …

… an Sonja, der das zu billig war, einfach was vom Wunschzettel zu kaufen, denn sie hat mir drei Gläser selbstgekochte Marmelade geschickt, und in allen ist ne Runde Alkohol. Ich habe schon alle Sorten probiert und bin extrem begeistert (Aprikose mit Limette!). Vielen Dank für die schöne Überraschung, ich habe mich sehr gefreut. (Und der Kerl auch.)

Mein erstes Crossposting aus Google plus:

Nur mal so nebenbei, weil gerade wieder eine tolle Mail im Postfach landete: Jede Arschlochmail wird ganz klein und schrumpelig und unwichtig im Kontrast zu den zehn Wunderschönmails, die ich zusätzlich kriege. Die, in denen Frauen mir sagen, dass sich ihr Leben verändert hat, seit sie keine Diät mehr machen, kochen, das Leben genießen, Essen! genießen! und es sich richtig gut gehen lassen. Und dabei, wer hätte es gedacht, gesünder sind und sich besser fühlen als beim Kalorienzählen. Danke dafür.

He, pssst …

… du Wunschzettel-Schenker, der du ungenannt bleiben willst: Dass ich mich sehr gefreut habe, wollte ich dann aber doch noch kurz loswerden. Danke!

Das Moviemenü zu den gestrigen Blogeinträgen

Als ich Donnerstag abend freudig twitterte:

„Die ganzen konservativen Blogleser_innen können sich freuen: Morgen gibt’s bei mir DREI FILMKRITIKEN im Blog. #back_to_the_roots“

meldete sich JollySea:

„@ankegroener Gibt es Rezepte passend zu den Filmen? Dann machst du alle glücklich! :)“

Was natürlich eine gradiose Idee ist. Also:

Zu Brothers passen Erbsen, denn es gibt am Abendbrottisch eine Diskussion darüber, dass der anfänglich nichtsnutzige Bruder keine Erbsen mag, woraufhin eins der Kinder auch endlich mal zugibt, keine zu mögen. Ich persönlich war neulich sehr mit diesem schlichten Rezept glücklich.

Zu True Grit empfehle ich Corn Bread, denn damit machen Cogburn und LaBoeuf Schießübungen. Habe ich noch nie zubereitet, aber bei sowas kann man ja immer auf Chili und Ciabatta vertrauen. Passt auch prima zu den Erbsen.

In The American wird die ganze Zeit wie bescheuert caffè getrunken, und beim Date mit Clara bestellt die Dame einen Montepulciano. Ich glaube, die einzige Mahlzeit verspeisen der Priester und Georgie gemeinsam; das sah nach einem undefinierbaren Stew aus. Ach ja, und Georgie versucht irgendwann, Kaugummi aus einem Automaten zu ziehen. Der Film ist also eher ein Getränketipp.

The American

Es gibt einen Film, den ich in frühester Jugend gesehen habe und an den ich mich immer wieder erinnere. Er hatte sehr spärliche Dialoge, man kann heute schön darüber lächeln, wie niedlich damals gefälschte Pässe aussahen und wie schlimm die Telefone waren, aber trotzdem ist er immer noch ein grandioses Ding. Ich rede von The Days of the Jackal (Der Schakal) mit Edward Fox von 1973 (bitte alle das beknackte Remake mit Bruce Willis ignorieren). The American erinnert mich in seinen guten Szenen an den Schakal. In seinen schlechten an Pretty Woman ohne die ganze Kohle.

George Clooney trägt den ganzen Film: Er spielt einen Profikiller/jemanden, der ziemlich gut Waffen zusammenschrauben kann, und dem ein paar Fieslinge auf den Fersen sind, ohne dass er weiß, wer die Jungs sind und was sie wollen, außer ihn zu erledigen. Sein Kontaktmann in Rom gibt ihm einen letzten Job (und damit ahnen wir schon, wo das Ende hingeht), woraufhin George in einem putzigen italienischen Städtchen ein Gewehr bastelt, mit dem örtlichen Priester zu Abend isst und sich angestrengt mit der Prostituierten Clara (Violante Placido) vergnügt.

Was ich an The American mochte: genau die Wortkargheit, die ich am Schakal mochte. Die sehr ruhige Entwicklung der Story, auch wenn die arg dünn war. Die ständige Angespanntheit, die Clooney über 105 Filmminuten beibehält. Sein konsequentes, wenn auch vorhersehbares Ende. Dass George immerhin eine weibliche Killerin an die Seite bekommt und nicht noch einen Kerl. Das ständige Rumschrauben an einem schicken Gewehr. Und natürlich die italienische Kulisse.

Was ich an The American weniger mochte: die ein bisschen zu dick aufgetragene Schmetterlingsmetapher (Verpuppung, get it?). Clooney trägt ein Tattoo des Flattermanns zwischen den Schultern, weswegen Clara ihn „Signori Farfalle“ nennt; er liest ein Buch darüber in seinem einsamen Zimmer, und als er seiner Kollegin das Gewehr vorführt, klingt sein Interesse an den Viechern durch. Wäre bis dahin okay gewesen, hätte der Priester beim Abendessen nicht ausgerechnet noch eine Arie – natürlich von der Callas – aus „Madame Butterfly“ gehört. Und wo wir schon bei aufdringlichen Klängen sind – der Soundtrack ist von Herbert Grönemeyer und ziemlich gut –, auch die Nutzung von ausgerechnet „Tu vuò fà l’americano“ und einer Szene aus „Spiel mir das Lied vom Tod“ in der verwaisten Bar des Ortes war dann auch ein bisschen zu viel des Guten. Kann man Liebe zum Detail nennen, ich fand’s aufgesetzt.

Und was ich so gar nicht an The American mochte: die Hure mit dem Herz aus Gold, die sich ohne jeden Grund in den schweigsamen George verliebt und die das Filmende so richtig schön scheiße macht. Alles andere hätte ich mir gefallen lassen, aber was diese Rolle sollte, war mir nicht klar. Ja, sicher, der Killer macht karmamäßig einiges an ihr wieder gut, was er anderen angetan hat, aber hätte er das nicht auch an einer Konzernchefin machen können? Oder an einer Frau in irgendeinem anderen Job, für den man sich nicht ausziehen muss und der es noch unglaubwürdiger macht, sich in einen Kunden zu verknallen? Herrgottnochmal.

Bechdel-Test bestanden?

1. Es müssen mindestens zwei Frauen mitspielen, die
2. miteinander reden
3. und zwar über etwas anderes als Männer.

Wie gesagt, immerhin zwei große weibliche Rollen neben der einen großen männlichen. Aber die Damen reden nicht miteinander.

Bechdel-Test bestanden? Nein.

True Grit

Ich bin mit Western groß geworden, weil mein Vater die dauernd geguckt hat. Im Wohnzimmerschrank stehen ne Menge davon, und selbst an der Uni belegte ich ein Seminar dazu. Die Coen-Brothers kann man auch immer gucken, und daher sollte eigentlich für mich ein prima Film dabei rauskommen, wenn die Coens einen Western drehen. Ist es auch.

In True Grit (Vergeltung) marschiert die 14-jährige Mattie (Hailee Steinfeld) zu einem Pferdehändler, um von ihm Geld dafür zu kriegen, dass er es zugelassen hat, dass Tom Chaney (Josh Brolin) erst ihren Vater erschoss und dann auch noch sein Pferd stahl. Mit einer Menge schlauem Gequatsche und der Androhung einer Gerichtsverhandlung bekommt sie ihr Geld – und nutzt es gleich, um von dem Typ ein Pferd zu kaufen. Den Rest bietet sie Marshall Rooster Cogburn (Jeff Bridges) an, einem versoffenen, aber beharrlichen Typen, den wir als jemand kennenlernen, dessen Revolver recht locker zu sitzen scheint. Sein Auftrag: Chaney finden. Nach kurzem Hin und Her nimmt Rooster den Job an – aber am gleichen Tag stellt sich heraus, dass auch der etwas überondulierte Texas Ranger LaBoeuf (Matt Damon) auf den Spuren von Chaney ist. Er will ihn nach Texas bringen, um ihn für den Mord an einem Senator vor Gericht zu stellen, während Mattie ihn in Arkansas hängen sehen will.

Schließlich reiten die drei notgedrungen gemeinsam los, jeder entpuppt sich als ein bisschen mehr als man von ihm oder ihr gedacht hatte, es gibt viele dreckige Zähne und äußerst unangenehme Verletzungen (das kennt man ja von den Coens), aber was mir am meisten im Gedächtnis geblieben ist, ist der wunderbare Jeff Bridges. Klar macht er immer einen guten Job, aber das hier fand ich fantastisch. Ich musste zwar die DVD-Untertitel einschalten, um ihn zu verstehen, aber das passte alles zum Charakter. Das tumb-Nuschelnde, das blitzschnell dem gewieft-Gefährlichen weicht, der angeblich einsame Outlaw, der sich bei der gemächlichen Verfolgung des Flüchtigen als Plaudertasche vor dem Herrn erweist, der angetrunkene Torkler, der trotzdem alles trifft, auf was er zielt – ein wunderbarer Typ. Matt Damon beweist, wie schon in 30 Rock, eine Menge Selbstironie, und die junge Frau Steinfeld steht aufrecht und überzeugend ihren Mann (haha) zwischen den ganzen Kerlen.

True Grit ist kein klassischer Western mit Saloon, Spucknapf und Show-down, sondern eine ziemlich simple Geschichte um Gerechtigkeit und Freundschaft. Aber das fällt kaum auf, weil man die ganze Zeit damit beschäftigt ist, dem Team die Daumen zu drücken oder sich über Jeff Bridges totzulachen. Ein herrlicher Film. Muss ich meinem Papa auf DVD schenken.

Bechdel-Test bestanden?

1. Es müssen mindestens zwei Frauen mitspielen, die
2. miteinander reden
3. und zwar über etwas anderes als Männer.

Das machen wir kurz: Die einzige Frau, die neben Mattie was sagen darf, ist die Pensionswirtin ganz am Anfang des Films. Ungefähr fünf Sätze.

Bechdel-Test bestanden? Aber sowas von überhaupt gar nicht niemals und nicht. Was sehr schade ist, denn Mattie ist ein toller Charakter, und es wäre noch toller gewesen, wenn sie nicht nur Männer um sich gehabt hätte.

Brothers

Brothers erzählt von den Brüdern Sam (Tobey Maguire) und Tommy (Jake Gyllenhaal). Wir begegnen ihnen nach und nach: In einer der ersten Szenen rennt Sam als Captain bei den Marines mit stoischem Blick über den Truppenübungsplatz, fährt dann nach Hause zu seiner Klischee-Ehefrau (Natalie Portman) und den zwei niedlichen Töchtern, um dann Tommy vom Gefängnis abzuholen. Am gemeinsamen Esstisch nehmen noch die Eltern der Jungs Platz (Sam Shepard, Mare Winningham), wobei der Vater seine Sympathie extrem deutlich verteilt (guter Sam, böser Tommy) und die Klischee-Mutter alle beide total lieb hat. Nach den ersten 20 Minuten erwartete ich daher die übliche Kriegstragödie: Sam dient zum wiederholten Male in Afghanistan, schreibt vorsorgtlich einen Abschiedsbrief an das Frauchen, der Bruder lungert im Hintergrund, na lass mich raten, wie das wohl weitergeht. Ging’s aber nicht ganz.

Sams Hubschrauber wird in Afghanistan abgeschossen, und er gerät mit einem weiteren Amerikaner in Gefangenschaft. Zuhause gehen alle davon aus, dass die Jungs tot sind; es gibt die übliche Szene mit den Militärs vor der Haustür, die gefasste und gleichzeitig tränenüberströmte Witwe, und dann kommt eben der bis eben nichtsnutzige Bruder ins Spiel, der den gar nicht so unbegabten Ersatzpapa gibt.

Klar hat man vieles von dem, was Brothers anbietet, schon dutzende Male in dutzenden von Kriegsfilmen gesehen. Hier kommt auch noch eine Prise Familienkram dazu – nicht nur Sams Familie muss mit der neuen Situation klarkommen, sondern auch der Vater, der plötzlich nur noch einen Sohn hat. Das ist alles hübsch, aber nicht umwerfend. Aber dann überrascht der Film eben doch: Gerade Tobey Maguire, der vorher ein Abziehbild eines Mustersoldaten war, kommt mehr als nur körperlich angeschlagen zurück, und gerade in den Szenen des Nachhausekommens hat er eine äußerst unheimliche und düstere Aura um sich, die mich sehr fesseln konnte. Eigentlich fängt der Film erst in Afghanistan an – denn im Gegensatz zur Familie wissen wir, was Sam dort erlebt hat, und da gab es durchaus ein paar Momente, bei denen ich die Hände zwischen mich und das Macbook gelegt habe, um nicht hingucken zu müssen.

Ich fand es sehr schade, dass Portman kaum was zu tun hatte außer traurig zu sein, obwohl ich zugeben muss, bei dem Titel geht es dann eben eher um die Kerle. Trotzdem. Die beiden Töchter haben netterweise mehr zu tun, und von ihnen hätte ich gerne noch mehr gesehen (dass ich das mal von Kindern sagen würde, zeigt, dass der Film doch was kann). Alleine für Maguires Leistung würde ich Brothers empfehlen. Kein Meisterwerk, aber solides Drama.

Bechdel-Test bestanden?

1. Es müssen mindestens zwei Frauen mitspielen, die
2. miteinander reden
3. und zwar über etwas anderes als Männer.

Es spielt durchaus Weibsvolk mit, aber das redet ausschließlich über Sam oder Tommy oder Daddy. Ist zwar was anderes als das im Bechdel-Test implizierte „Wir reden über die Kerle, die wir daten“, aber trotzdem dreht sich jeder Dialog der Damen um einen Mann.

Bechdel-Test bestanden? Nein.

My Deern so far

Maike twitterte vor ein paar Tagen: „hurra! heute morgen lag die fahne von @ankegroener s buch auf meinem schreibtisch <3“, woraufhin mir schlagartig klar wurde: Maike ist die erste, die das Ding lesen wird nach mir, meiner Lektorin und der Rowohlt’schen Pressedame. Und da war auf einmal das Gefühl da, das ich nur von Blogeinträgen kenne, die mir richtig am Herzen liegen, dieses flatterige, uh, hoffentlich gefällt’s ihr.

Es war einmal vor langer, langer Zeit, genauer gesagt im September 2010, ein freundlicher Lektor, der mir eine Mail schrieb, in der er fragte, ob ich vielleicht Zeit für ein kleines Treffen hätte. Da ich noch nie mit einem Lektor Kaffee getrunken hatte, sagte ich ja und traf den erwähnten Herrn, der noch eine blubberige Dame mitbrachte, zu der ich heute „meine Lektorin“ sage. Wir siezten uns beim ersten Treffen noch brav, beim zweiten dann nicht mehr, tranken Kaffee und sprachen über Bücher. Vor allem über eins, das ich gefälligst schreiben sollte. Den ersten thematischen Vorschlag, den sie für mich hatten, möchte ich nicht erwähnen – meine Reaktion war ungefähr „Den Scheiß will ich nicht mal lesen, geschweige denn schreiben“ –, den zweiten schon, denn der lautete: Essen. Körpergefühl. Der dicke Hintern, der dir glücklich folgt, wenn du den Kopf mal freigekriegt hast vom ganzen Diätgequatsche und der WIR WERDEN ALLE STERBEN-Fetthysterie.

Ich stimmte nicht sofort zu, denn ich fühle mich in meiner kleinen Internetecke ziemlich wohl und wollte gar nicht an die große Öffentlichkeit. Deswegen sage ich so gut wie alle Anfragen für Lesungen und Kooperationen und Gastartikel und ähnlichem ab, weil mir mein Blog reicht. Das ist klein und übersichtlich und puschelig, keine_r nölt (naja, fast keine_r), ich schreibe vor mich hin, kriege schöne Mails und Buchgeschenke und gut ist. Daher zauderte ich ein bisschen, bis jemand den alles entscheidenden Satz sagte: „Anke! Tu’s für uns Frauen!“ Klingt pathetisch, war aber genau der Tritt, den ich brauchte. Wie sehr, merke ich jeden Tag, wenn ich mit Bekannten oder Kolleginnen über das Buch und seinen Inhalt spreche. Ich kenne keine, und ich meine wirklich: keine Frau, die sich vor den Spiegel stellt und sagt: „Jepp. Alles super. Nix ändern.“ Und ich kenne kaum eine Frau, die einfach isst. Einfach so, ohne „Darf ich das? Muss ich danach ne Stunde auf den Stepper? Kann ich frühstücken, wenn ich heute abend zwei Bier trinken will? Komme ich in die Hölle, wenn ich an Snickers denke? Ich sollte mal wieder Sport machen. Ich sollte fettfreie Jogurts kaufen. Ich sollte, ich müsste, ich darf nicht.“ Fuck that.

Also sagte ich mündlich zu, Lektor-Girl und ich stießen mit Sekt an und ich fragte, wann der Abgabetermin sei. Was man halt so fragt als professionell Schreibende – immer erstmal abchecken, wie viel Zeit man hat. Antwort: „Kannst du dir aussuchen. Kann ein Jahr dauern. Fürs Weihnachtsgeschäft wäre Abgabe Ende Juni, für die Buchmesse Ende April.“ Und ich Hirn so (wir sind im Dezember): „April? Das ist ja total entspannt. Nehm ich.“

Wenn Petrus mich irgendwann fragen wird, was ich in meinem Leben bereue, dann wäre das: in der Jugend geglaubt zu haben, ich sei fett, hässlich und müsse abnehmen – meinen ersten Freund betrogen zu haben – die Bemerkung „April? Das ist ja total entspannt. Nehm ich.“

Ich handelte mit meinem damaligen Arbeitgeber den Deal aus, nur vormittags arbeiten zu müssen, damit ich nachmittags schreiben konnte. Klang total super, den halben Dezember verdaddelte ich natürlich mit Rumlungern ab 14 Uhr und entspannt kochen, ist ja auch bald Weihnachten, keinen Stress hier, wir haben ja EWIG ZEIT, aber im Januar fing ich an, die ganzen schlauen Bücher, die ich mir zu meinen eigenen Bauchgefühlen und Erfahrungen gekauft hatte, auch mal zu lesen. Und ich dachte über Themenaufteilung nach.

Die Blogeinträge zum Thema „Essen, Foodcoaching, Körperakzeptanz“ nutzte ich als Grundgerüst (das war superschlau, denn so hatte ich schon mal knapp 60 Seiten der vertraglich vereinbarten 224 fertig). An diese Blogeinträge dockte ich Themen an, schrieb Stichworte auf Zettel und Karteikarten und klebte Post-Its in Bücher. Je mehr ich las, desto mehr Stichworte schrieb ich auf Zettel und Karteikarten, sortierte irgendwann mal meine Sammlung, tippte diese brav ab und teilte sie in einzelne Kapitel ein.

Damit fuhr ich zum ersten Mal nach Reinbek, war angemessen davon beeindruckt, dass in der Eingangshalle von Rowohlt die Bücher von Herrn Lobo und Herrn Buddenbohm standen (neben vielen anderen) und legte die Kapitelübersicht Lektor-Girl vor. Außerdem hatte ich schon ein Vorwort geschrieben. Das mache ich bei so ziemlich allem Längeren: Ich fange brav vorne an, um mich in irgendeine Tonalität reinzuschreiben und gucke dann, wo mich das hinführt. Das Vorwort war dann auch das Kapitel, an dem ich am wenigsten rumgedoktert habe; das war im Januar gut, und das war auch im April noch gut. Und weil es das erste war, mit dem Lektor-Girl innerhalb des Verlages für mich und die Deern Werbung machen konnte, ist das auch der Schnipsel, der jetzt bei Amazon steht, in der Wunderlich-Verlagsvorschau und überhaupt überall, wo es um mein Buch geht.

Das Schreiben, dachte ich, sei nicht großartig anders als wenn ich Autokataloge texte: Ich suche alles an Informationen zusammen, was ich finden kann, bringe sie in eine sinnvolle Reihenfolge, gebe einen Schuss Anke dazu und fertig ist das Buch.

Dachte ich. (*hau auf Hinterkopf*)

Denn natürlich bekam ich ab Januar lustig Autokataloge und Buchthemen im Kopf durcheinander. Ich saß in der Agentur und dachte an Biomilch, ich saß zuhause und dachte an Getriebevariationen. Ich ging in die Agentur und überlegte, ob ich über Fleischkonsum schreiben sollte, ich ging nach Hause und hatte die Meetings im Kopf, die hinter mir lagen. Ich wachte nachts um 2 auf, weil ich an Magenverkleinerungen dachte und zwei Stunden später nochmal, weil ich an V8-Motoren dachte. Neben meinem Bett lagen Karteikarten, in meinem Rucksack waren welche, auf dem Sofa sowieso, im Bus las ich immer mit gezücktem Bleistift, übertrug abends die unterstrichenen Zeilen auf Karteikarten, sortierte die mit denen, die ich nachts vollgeschrieben hatte und wurde immer müder, gereizter und überarbeiteter.

Schließlich fand ich den Rhythmus „Montag bis Freitag schreibe ich nur über Autos“ plus „Am Wochenende schreibe ich mein Buch und den Rest der Woche lese ich viele, viele, viele Bücher von anderen zum Thema“. Wobei ich hier schnell merkte: Wenn man ein gutes Buch zum Thema gefunden hat (bzw. zu den drei, vier, fünfzehn Themen, die ich im Buch anspreche), findet man im Anhang gleich noch zehn weitere, die man auch lesen könnte. Was mich am meisten ärgert an meiner selbstgewählten Deadline: Ich hätte noch so … viel …lesen können. Wobei Lektor-Girl (wahrscheinlich zu Recht) meint: „Man kann IMMER mehr lesen. Das passt schon.“ (Trotzdem!)

Das klang im Blog schon mal an, und ich sage das gerne nochmal: Ich hatte mich noch nie in meinem Leben so richtig urlaubsreif gefühlt. Ende April war ich soweit, dass ich drei Wochen einfach nur noch schlafen wollte. So schlau war ich immerhin, dass ich Anfang Mai Pause machte, erstmal zwei Wochen rumlag und dann ein paar wundervolle Tage in Rom verbrachte. Ich bin immer noch überrascht davon, wie nötig das war – und wie sehr diese Tage noch in mir nachhallen. Ich sitze seit fünf Wochen wieder in der Agentur, und obwohl ich natürlich auch genervte Minuten und Stunden habe, ist das Grundgefühl immer noch ein halbwegs entspanntes. Wie ich schon in einem der Rom-Einträge schrieb: Alles, was du machst, wirkt ziemlich banal, wenn du die Sixtinische Kapelle und die Raffael’schen Stanzen gesehen hast.

Was nicht heißt, dass mir mein Buch inzwischen egal war. Denn nach der Abgabe – hier zwei kleine Impressionen von den Momenten, bevor ich die Mail mit dem Word-Dokument als Anhang losschickte:

– kam ja das bange Warten auf das Feeback. Kapiert man das alles, was ich so schreibe? Bringt einen das irgendwie weiter? Nervt das, dass ich mich um geschlechtergerechte Sprache bemüht habe, also dass ich nicht nur von „Ärzten“ spreche, sondern immer von „Ärzten und Ärztinnen“? (Laut Lektor-Girl nervt das überhaupt nicht – es fällt nicht mal auf. SAG ICH DOCH.)

Das Feedback war klasse, die Korrekturen absolut im Rahmen und dazu auch noch lehrreich: Ich weiß jetzt, dass ich im Blog gerne im Perfekt plaudere, weil ich auch im Perfekt spreche (und schon der alte Lessing wusste: Schreib wie du sprichst), und im Blog ist das auch okay, aber gedruckt nervt das irgendwann ziemlich, wenn man auf einer Seite zwanzigmal „habe“ lesen muss. Die meisten Korrekturen waren also „aus Perfekt Imperfekt“ machen, die zweitmeisten: „Wenn du aus englischen Büchern zitierst und das leser_innenfreundlich übersetzt, darfst du das Original gerne weglassen.“ (Nebenbei: Nein, ich habe im Buch nicht die Gender Gap verwendet. Ja, ich weiß, dass ich gerade Perfekt genutzt habe. Enteenteente.)

Ich drehte also noch ein winzige Korrekturschleife, schickte das Ding wieder zurück und wartete auf den Umbruch. Das ist die Druckfassung bzw. die Druckfahne, die jetzt schon rausgeht, obwohl das Buch erst Mitte September erscheint. Im Umbruch durfte ich auch nochmal mit rot rummalen, was sich aber in Grenzen hielt. Ich fand wieder Rechtschreibfehler, was ich wirklich nicht mehr glauben wollte, weil ich jedes Kapitel bis dahin geschätzt fünfzig- bis achtzigmal gelesen hatte. Lektor-Girl: „Man findet immer noch Fehler, und auch im gedruckten Buch wird garantiert einer sein.“ Was mich ja jetzt schon wahnsinnig macht. Andererseits habe ich auch in „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ Fehler gefunden, und den Text sollten inzwischen schon ein paar Menschen gegengelesen haben.

Jetzt weiß ich also, in welcher Typo mein Buch gesetzt wird (I like), dass es Guillemets als Anführungszeichen hat (I like) und dass die einzige Baustelle jetzt nur noch das Cover ist. Denn das Ding, das überall zu sehen ist, ist eine vorläufige Fassung und ich bin alles andere als einverstanden mit ihr. Falls sich das nicht mehr ändert, dann hier fürs Protokoll: Die Dame auf dem Fettwegrubbelgerät SOLL NICHT GUCKEN, ALS OB SIE DAS TOLL FINDET. Tut sie aber (noch?). Bitte kaufen Sie mein Buch trotzdem, es stehen wirklich schöne Sachen drin.

Glaube ich jedenfalls. Weiß ich aber nicht, denn wie da ganz weit oben angesprochen: Im Prinzip haben das erst drei Menschen gelesen. Nicht mal dem Kerl habe ich es gezeigt, und ich weiß überhaupt nicht mehr, warum nicht. Ich bin wirklich einfach nicht auf die Idee gekommen, es mal irgendwen lesen zu lassen. Daher kann ich jetzt nur hoffen, dass die positive Meinung von drei total voreingenommenen Frauen (Autorin, Lektorin, Pressetante, die es an Redaktionen verkaufen soll) halbwegs objektiv ist.

Ich nehme an, das werde ich im September erfahren, wenn die ersten Rezensionen auflaufen.

Dann macht mal. Ich HABE fertig.

Ein mysteriöses Dankeschön …

… an Heike, von der gestern The Mystery Play von Grant Morrison und Jon J. Muth in der Packstation landete. Ich kenne weder Autor noch Zeichner, und auch den Titel habe ich noch nie gehört, aber das erste Reinblättern überzeugt. Vielen Dank, ich habe mich sehr über die Überraschung gefreut (und über die Widmung).

Tortiglioni mit Avocadopesto

Das Pesto von coolcat geistert schon länger im Hinterkopf rum, und gestern habe ich es, leicht abgewandelt, endlich mal gemacht.

Ich bin ja immer noch fassungslos darüber, dass ich 40 Jahre meines Lebens damit vergeudet habe, keine Avocado zu essen, weil ich in jedem Diätbuch gelernt hatte, dass Avocados quasi pures Fett sind, also PURES FETT, also quasi ein Herzinfarkt in der Warteschleife. Anstatt dass mir mal jemand gesagt hat, scheiß drauf, immer noch besser ne fette Avocado als ne fette Tüte Chips, aber nein, das hat mir niemand gesagt. Aber inzwischen weiß ich ja selber, wie großartig Avocados sind und dass ich sie quasi dauernd essen könnte. Und kann. Und das auch mache.

Eine Handvoll Tortiglioni (oder andere Nudeln) ins kochende Salzwasser werfen. Während die Nudeln dem al dente entgegenblubbern,
1 Avocado von Schale und Kern befreien und kleingehackt in einen Pürierbecher werfen. Dazu noch
1 Handvoll gehackte Walnüsse,
1 gehackte Knoblauchzehe,
Meersalz,
Pfeffer und
ne Runde abgezupfte Thymianblätter. Noch einen dicken Schuss
Rapsöl

dazu und alles zu einer herrlich grünen Pampe pürieren. Über die fertigen Nudeln klecksen, notfalls nachpfeffern und -salzen. Ich habe noch ein paar Frühlingszwiebeln drüber gehauen, aber die waren eher nervig als lecker.

Nektarinentarte mit Mandelcreme

Wochenende, Juli, gefühlte zehn Grad – Zeit für einen heißen Kakao und einen leckeren Kuchen. Der hier stammt aus Paules Ki(t)chen bzw. aus der Saveurs.

Die Tarte besteht aus Boden, Mandelcreme und dem Belag. Erstmal den Boden herstellen und dann ne Folge True Blood gucken. Oder drei Sitcomfolgen, denn der Teig muss ein bisschen ruhen.

200 g Mehl, Type 405,
30 g gemahlenen Mandeln,
75 g Rohrohrzucker und
1 Prise Salz auf der Arbeitsplatte zu einem hübschen Häufchen mischen.
120 g kalte Butter in kleinen Stücken und
1 Ei dazugeben.

Mit einem Messer alles blitzschnell durchhacken, bis sich der Teig verbindet. Dann mit kühlen Händen in wenigen Minütchen einen fies klebrigen Teig herstellen. Die Kugel in Klarsichtfolie hüllen und mindestens für eine Stunde im Kühlschrank parken. (Paule hat den Teig im Zerkleinerer hergestellt; ich matsche lieber mit den Händen rum.)

Nach der Wartezeit den Teig auf einem Stück Backpapier plattpatschen und eine weitere Lage Backpapier obendrauflegen. Nun kann man das ganze halbwegs menschenwürdig ausrollen und zwar möglichst in Größe der Tarteform (26 cm). Die obere Lage Backpapier entsorgen, die untere mit dem Teig drauf in die Tarteform geben, alles ein bisschen hübsch zurechtzuppeln und wieder im Kühlschrank parken.

Den Backofen auf 180° vorheizen. Während das passiert, die Creme anrühren. Dazu

50 g weiche Butter (die kann man prima während der Ruhezeit des Teigs weichwerden lassen).
40 g Rohrohrzucker,
1 Ei,
20 g Mehl, Type 405, und
50 g gemahlene Mandeln

mit dem Schneebesen zu einer weiteren klebrigen Masse verrühren. (Wir matschen heute sehr rum, aber es lohnt sich.) Zusätzlich

4 bis 6 Nektarinen vierteln (ich habe sie in Spalten geschnitten) und mit
50 g Puderzucker bestreuen.

Jetzt zusammenbauen: Die Tarteform aus dem Kühlschrank holen, den Teig ein paarmal mit einer Gabel einstechen, die Creme darauf verteilen und dann die Nektarinen. Für circa 35 bis 40 Minuten backen. Auskühlen lassen (klappt bei mir nie) und mit Puderzucker bestreut servieren.

Ich fand Teig und Mandelcreme sehr gut, aber ich hätte mir einen stärkeren Kontrast zu den Früchten gewünscht. Vielleicht hatte ich sehr reife Nektarinen (kam mir beim Schneiden aber nicht so vor), aber mir war das Ganze fast ein bisschen zu süß. Das nächste Mal teste ich Granny Smith und Haselnusscreme. Mit Stachelbeeren in den Lücken. Und achte endlich mal darauf, den Tarterand zu begradigen, bevor ich alles gierig in den Ofen schiebe.