Sophie Scholl – Die letzten Tage
Ich bin ziemlich dankbar dafür, Sophie Scholl – Die letzten Tage nur auf DVD gesehen zu haben und nicht im Kino. So musste nämlich niemand unter meinem Geheule leiden. Was vielleicht nicht unbedingt ein gelungener Einstieg in eine sachliche Kritik ist, aber so hat sich der Film eben für mich angefühlt.
Die fünf Tage vom Verteilen der Flugblätter der Weißen Rose in der Münchner Universität bis zum eilig vollstreckten Todesurteil von Sophie und Hans Scholl und Christoph Probst werden auf gut anderthalb Stunden verdichtet. Den gesamten Film zeichnet eine klamme Ruhe vor dem Sturm aus; natürlich weiß man, wie er ausgehen wird, und gerade deshalb fühlen sich die Verhöre und der schon unterschriebene Entlassungsschein so fürchterlich an. Der vernehmende Beamte Mohr baut Sophie sogar noch, wie sie es einer Mitgefangenen anvertraut, eine „goldene Brücke“ – sie solle aussagen, sie habe nur mitgemacht und ihr Bruder sei der Haupttäter gewesen. Sophie lehnt ab – und ich weiß bis heute nicht, ob ihr wirklich klar war, worauf diese Aussage hinausläuft. Sie erschien mir bis zum Schluss des Film ahnend, aber irgendwie doch darauf hoffend, dass alles gut wird. Erst als eine Vollzugsbeamtin ihr leise mitteilt, sie möge sich mit dem Schreiben der Abschiedsworte beeilen, entfährt ihr ein Schrei, sie krampft sich zusammen, als ob ihr in diesem Augenblick klar wird, dass ihr kurzes Leben in wenigen Stunden vorbei sein wird.
Was den Film für mich so besonders gemacht hat, war die Spannung aus den sich sehr klinisch anhörenden Vernehmungen und den kurzen, emotionalen Momenten, die sich Sophie gönnt. Wie sie ihrer Mitgefangenen lächelnd von ihrem Verlobten erzählt, wie sie am Abend vor der Verhandlung vor Roland Freisler ein leises Gebet spricht (wie sie überhaupt Kraft aus ihrem Glauben schöpft), wie sie sich nach ihrem Geständnis allein auf der Toilette ein paar Tränen zugesteht: die wenigen Momente, in denen aus der aufrechten und bewundernswerten Kämpferin für die Freiheit kurz wieder eine junge Frau wird, die so sehr am Leben aller Menschen hängt, dass sie ihr eigenes dafür aufgibt – diese Momente haben mich sehr berührt. Auch dass Sophie nicht konstant als die starke Heldin dasteht, hat mir sehr gefallen. Es waren Kleinigkeiten wie das nervöse Kneten der Hände, der ewige, sehnsuchtsvolle Blick nach draußen, zum Himmel, der suchende Blick auf vor ihr liegende Dokumente, kurze Augenblicke der Unsicherheit im Verhör oder auch nur die Freude über echten Bohnenkaffee, den ihr Mohr anbietet – alles zusammen ergab für mich eine echte Person, keine ferne Heldin, nach der heute Schulen benannt werden.
Fasziniert haben mich ebenso die Dialoge mit Mohr, der zwar zuerst wie der typische Filmnazi erscheint, dann aber doch sehr persönlich wird, etwas von sich erzählt und Sophie, anscheinend ehrlich gemeint, versucht, einen Ausweg zu schaffen. Die beiden diskutieren auf Augenhöhe miteinander ihre beiden Weltanschauungen, und anstatt die Rollen schlicht auf Gut/Böse zu verteilen, schafft es der Film, immerhin einen Vertreter des Staates menschlich erscheinen zu lassen.
Julia Jentsch ist gefasst und überzeugend als Sophie Scholl, Gerald Alexander Held stellt Mohr gleichzeitig bedrohlich und verständnisvoll dar, und André Hennicke schafft es gespenstischerweise, Roland Freisler akustisch zum Leben zu erwecken. Sophie Scholl – Die letzten Tage ist eine sachliche Nacherzählung historischer Fakten, die aber durch ein sehr gutes Ensemble und wenige emotionale Einsprengsel ein ergreifendes Dokument geworden ist.
Ich hab ihn im Kino gesehen und das war schon sehr ergreifend. Überhaupt eine selten gesehene Mischung im Publikum. Viele sehr alte Menschen, aber auf der anderen Seite auch sehr viele junge. Aber allen war am Ende anzusehen, dass sie tief beeindruckt und berührt waren. Das sieht man nicht oft im Kino.
Olly am 19. September 2005
Man kennt die Geschichte und weiß wie es ausgeht. Trotzdem schaffte es dieser Film, mich mit auf kleiner Flamme zu vernichten. Der Abschied der Eltern löste mich auf, die letzte Zigarette der Todgeweihten ließ mich frösteln, das Eintreten der Scharfrichter zittern und die pure Tonspur der Exekution verursachte mir Übelkeit. Schwere Kost, die ich sehen wollte und empfehlen kann, aber nicht noch einmal verdauen möchte.
Deef am 19. September 2005
Vollkommen gleicher Meinung. Obwohl ich studiumsbedingt massenweise gute und schlechte Verfilmungen zum Themenkomplex Nationalsozialismus gesehen habe (die meisten im Kino) muss ich sagen, dass dies sicher einer der Besten war. Was vielleicht in der obigen Kritik nicht herauskommt, sind die vielen unterschwelligen, aber äußerst effektvoll gesetzten Anspielungen an den damaligen “Zeitgeist”, die den Film auch als Dokument deutscher Gesellschaftsgeschichte wertvoll machen. Gerade für die “Nachgeborenen” ist dieser Film daher ein Muss. Nachher habe ich mich vor allem geärgert, dass so eine fade und risikolose Zusammenstellung wie “Der Untergang” tatsächlich für einen Oscar nominiert war.
vib am 20. September 2005
Ich glaube, es waren 6 Blätter Papier, auf deren Grundlage Freisler das Todesurteil, das am gleichen Tag verhängt wurde, aussprach.
Natürlich kenne ich die “Geschichte” der Weißen Rose und sie berührt mich wirklich immer von Neuem. Aber ich tue es mir nicht nochmal an, einen Film anzuschauen, der mir über den geschichtlichen Ablauf hinaus, keine neuen Erkenntnisse bringen wird. Heute muss ich in der Tagesschau sehen, dass ein Massengrab in der Nähe von Stuttgart gefunden mit über 30 Leichen gefunden wurde. Vermutlich alles jüdische Menschen, die in einem benachbarten Konzentrationslager zu Tode kamen.
Die Zeit ist mir allgegenwärtig. Ich habe mir kürzlich den Film “Der Untergang” angetan. Mir gefällt an diesen Filmen ganz generell nicht, dass über die historische Darstellung hinaus Emotionen angesprochen werden, die aufgrund der zeitlichen Distanz schlicht und ergreifend nicht mehr wirklich nachvollzogen werden können. Oder, was schlimmer ist, sie verführen zu sentimentalen Gefühlen, statt an die Motive der Protagonisten heranzuführen.
apollon am 22. September 2005
„Sophie Scholl“ beruht auf neu entdeckten Verhörprotokollen, die in irgendwelchen Stasi-Archiven vor sich hingegammelt haben (ironisch, oder?). Daher konnte ich für mich noch einige Aspekte neu entdecken. Außerdem nutzte er Sophie Scholls Tagebuch, um ihre Person etwas weniger heldenhaft, sondern einfach menschlich zu zeigen; ihre Tagebücher habe ich persönlich nicht gelesen, daher war auch das für mich neu.
Die Motive der Gruppe wurden mehr als deutlich, und der Film hat mich nicht durch Taschenspielertricks zu „Sentimentalitäten“ (ich würde es als „Mitgefühl“ bezeichnen, und das halte ich für ziemlich zeitlos) „verführt“, sondern durch seine Geschichte. Und die war nun mal so, wie sie war.
Anke am 22. September 2005
also ich habe den film gestern in der schule angeschaut.Ehrlich gesagt bin ich danach erst mal nur noch in gedanken versunken und wusste nicht so wirklich was ich dazu sagen sollte.Ich bin zwar erst 18 jahre alt,aber ich muss sagen,dass der film wirklich durch und durch gelungen ist und in keinster weise irgendwie künstlich wirkt.Ich wusste zwar,dass sowohl sophie als auch ihr bruder zu tode verurteilt wurden,aber ich war am ende des films doch sehr geschockt darüber,dass sie enthauptet wurden,und noch mehr darüber dass hans ins zimmer kam und da ja theoretisch noch seine geköpfte schwester ansehen musste.Ich musste mir richtig derbe die tränen verkneifen,und ich bin froh,dass ich jetzt diese seite gefunden habe,nochmal über alles was ich da gesehen habe nachdenken kann und mich richtig ausheulen kann.ich finde solche filme sollten viel bekannter werden und auf jeden fall pflicht im geschichtsunterricht in jeder schule.So etwas darf einfach nicht in vergessenheit geraten.
Jenny am 22. November 2005