Macht mehr Musik
Gestern gab’s auf BR Alpha die Ãœbertragung des 54. Musikwettbewerbs der ARD, in der einige Preisträger lustig aufspielten. Der 1. Platz im Violinwettbewerb ging an den Japaner Keisuke Okazaki. Bei seiner Vorstellung sagte der Offsprecher, dass in Zukunft vermehrt Asiaten in „unseren“ Orchestern spielen würden, da nur noch wenige deutsche Kinder Lust hätten, ein Instrument zu erlernen.
Ist das so? Kann ich mir gar nicht vorstellen. Ist nicht jedes Kind neugierig auf Musik?
Meine Eltern haben beide kein Instrument erlernt, aber meine Schwester und ich durften beide zur musikalischen Früherziehung. Ich weiß nicht, ob meine Mutter uns dort einfach hingeschleppt hat oder ob wir den Wunsch danach geäußert hatten, aber ich erinnere mich, dass es mir ziemlich viel Spaß gemacht hat, einmal in der Woche mit Triangeln, Tamburinen, Xylophonen und diversen Schlaginstrumenten einen Heidenlärm zu veranstalten. (Da fällt mir ein: Gibt es einen „richtigen“ Namen für diese schlichten Holzstäbchen, circa 15 Zentimeter lang, die man einfach aneinander schlägt? Ich mochte diesen organischen, warmen Klang immer sehr gerne.)
Die obligatorische Blockflöte hatte ich natürlich auch, konnte mich aber nie für sie begeistern. Bei einer Schulfreundin habe ich mal versucht, einer Querflöte einen Ton zu entlocken, bin aber kläglich gescheitert. Und im Musikunterricht in der Schule, ungefähr zu der Zeit, als Spandau Ballet richtig angesagt waren und das Saxophon das Instrument du jour war, habe ich auch da mal reingepustet, aber insgesamt mochte ich kein einziges Blasinstrument. Vor allem das Fagott fand ich zwar vom Ton her schön, aber das kleine Spucketöpfchen neben den Bläsern alles andere als sexy. Ich saß im Schulorchester mal kurz in der dritten Geige und daher netterweise vor den Bläsern, so dass ich das Elend nur aus den Augenwinkeln angucken musste.
Wie gesagt: Geige. Aber da war ich schon 16. Davor lagen acht Jahre, in denen ich das Akkordeon bearbeitet habe. Am Anfang durchaus freiwillig und sehr gerne, in den letzten zwei Jahren nur noch unter Zwang, weil ich einen Lehrer hatte, für den Pädagogik ein Schimpfwort war und Schüler nur unperfekte Nervensägen, die seine genialen Bearbeitungen der klassischen Akkordeonliteratur nicht zu würdigen wussten. Ich sage nur „Amboss-Polka“ und „Torgauer Marsch“, dann wisst ihr, was ich damals spielen durfte.
Aber das waren nur die letzten Jahre. Davor fand ich es sehr schön, ein Instrument zu spielen, zu üben, weiter zu üben und nochmal zu üben, bis das verdammte Stück endlich so klang, wie es auf dem Notenblatt stand. Der Coolness-Faktor bzw. das genaue Gegenteil meines Instruments war mir damals egal bzw. ich kannte noch nicht mal das Wort. Aber ich hatte auch einen Topfschnitt und eine Brille und war daher eh nicht dafür prädestiniert, stilistisch tonangebend zu sein. Mit 16 war das natürlich ganz anders als mit 8, und irgendwann hatte ich wirklich keine Lust mehr auf Tango und Wiener Walzer und durfte aufhören.
Schon nach kurzer Zeit merkte ich, dass mir etwas fehlte, und so bat ich meine Eltern, ein weiteres Instrument erlernen zu dürfen. Ich schwankte zwischen Klavier und Geige und entschied mich schließlich für letzteres. Ich Depp. Die Tasten beherrschte ich doch schon, und genau aus diesem Grund (und aus dem dämlichen Gefühl der jugendlichen Unbesiegbarkeit) entschied ich mich für die Geige – und habe vier lange Jahre dafür bezahlt. Und meine armen Eltern und meine arme Schwester, deren Zimmer direkt neben meinem lag, noch mehr. Ich muss gestehen, dass ich es bis zum Schluss kaum hingekriegt habe, eine halbwegs stimmige Tonleiter zu spielen. Ich durfte mich an Händel vergreifen und an irgendwelchen fingerbrechenden Etüden, und ich gab mir alle Mühe, aber ich muss leider sagen, dass ich für dieses wunderschöne und SCHEISS-SCHWIERIGE Instrument komplett unbegabt war. Und sobald meine Schulzeit zu Ende war, legte ich auch meine hundertjährige tschechische Geige in ihren schwarzen Kasten und habe sie bis heute nur noch ein paar Mal zum Angucken rausgeholt. Verkaufen werde ich sie nicht, denn sie war ein Geschenk meiner Großmutter. Und da sie seit über 15 Jahren nicht mehr gespielt wurde, klingt sie wahrscheinlich auch nicht mehr wie eine Geige, sondern wie ein hohles Stück Holz.
Ich frage mich gerade, ob es wirklich etwas Besonderes ist, ein Instrument erlernt zu haben und ob es heute noch mehr besonders ist. Ich persönlich habe fast nur Leute im Freundeskreis, die irgendwann mal ein Instrument gespielt haben, sei es damals die Posaune im Kirchenchor oder die E-Gitarre in der Schülerband. Liegt das an meiner schönen Mittelschichtbildung, dass mein Freundeskreis derartig strukturiert ist? Liegt es an der Generation, in der ich aufgewachsen bin, in der es vielleicht noch zum guten Ton gehörte, dass die Kinder den Eltern zu Weihnachten was vorspielten? Wie ist das heute? Ich weiß, dass mein Patenkind schon schön per Akustikgitarre und mütterlichem Gesang beschallt wird, und ich weiß, dass ich irgendwann eine Viertelgeige springen lassen werden, wenn es gewünscht wird. (Eine Blechtrommel wurde mir strikt untersagt.) Aber ist das eben die Fortsetzung der Mittelschichtbildung?
Anne-Sophie Mutter erzählte in der letzten Wochenendausgabe der SZ (nicht online), dass sie Kindern, die früh mit Musik in Berührung kämen und ein Instrument lernten, eher zutraue, sozial kompetent zu werden und sich durchzusetzen (ich hoffe, ich erinnere mich halbwegs korrekt). Ich kann nicht beurteilen, ob an der Theorie was dran ist, aber ich glaube schon, dass Musik einen eher freundlichen Einfluss auf das Leben hat als andere Fähigkeiten. Mir persönlich würde jedenfalls sehr viel fehlen, wäre ich nicht recht früh mit dieser Kunst in Berührung gekommen; angefangen vom simplen Notenlesenkönnen bis zur Würdigung von klassischer Musik, die sich mir nur mit dem Musikunterricht in der Schule sicherlich nicht erschlossen hätte. Was mich zur Ausgangsfrage zurückbringt: Ist jedes Kind neugierig auf Musik? Oder kann man auch erst als Erwachsener neugierig auf ein Instrument werden? Oder wird man das einfach nicht mehr, weil man es eben nie war?
Klar sind Kinder musikalisch: ich konnte früher diesen Fisch mit den Rillen, wo man mit ´nem Holzstab drüberratscht. Gibt’s den etwa nicht mehr?
Blop am 24. October 2005
in meinem kindergarten hiessen die schlichten holzstaebchen “pferdehoelzer”. pferdehoelzer und triangel waren auch das einzige, was ich “spielen” konnte, nicht so wie die coolen kids, die blockfloete konnten.
sydneysnider am 24. October 2005
Ich habe schon gelernt, Gitarre zu spielen, wurde aber nie richtig gut. In meinem Freundeskreis hatten auch (fast) alle mal irgendein Instrument gespielt. Heute spiele ich aber nur noch sehr selten, schade eigentlich.
Alex am 24. October 2005
Diese kleinen Holzstäbchen haben wir damals “Klanghölzer” genannt. Ob das der offizielle Name ist, weiß ich aber auch nicht.
Ob Mittelschicht oder nicht, die meisten Kinder in dem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, sind damals in den 70ern und frühen 80ern zur musikalischen Früherziehung gegangen, sehr viele haben auch ein Instrument erlernt.
Aber damals gab es ja auch noch das, was man als “nivellierte Mittelschichtsgesellschaft” bezeichnet hat. Heute fallen die Milieus viel weiter auseinander, und gleichzeitig nimmt die staatliche Förderung von z.B. Musikschulen immer mehr ab.
Als ich noch zur Schule ging, kostete eine Einzelstunde Instrumentalunterricht nicht sehr viel. Um die Zeit herum, in der ich Abitur gemacht habe (frühe 90er) gab es die ersten massiven Kürzungen, Einzelstunden wurden enorm teuer, so daß viele sich die Stunden teilen mußten. Wieviel man aber in 30 Minuten noch lernen kann, sei mal dahingestellt. Gruppenunterricht war auch noch eine Alternative. Die Musikschule mußte ihr Angebot aber sehr zusammenstreichen, es gab hauptsächlich noch die Standardinstrumente, Geige, Klavier usw.
Seitdem ist es immer schlimmer geworden, und ich nehme mal an, daß es diese Entwicklung nicht nur in Niedersachsen gegeben hat. Musikunterricht wird immer mehr zu einer Sache für Eliten, weil es für andere Familien schlicht zu teuer ist.
Außerdem führt ja der Lehrermangel in vielen Bundesländern dazu, daß gerade bei den “weichen Fächern” wie Musik, Sport und Religion gespart wird. Wenn Stunden ausfallen müssen, dann meistens da. Das wird von vielen Pädagogen beklagt, weil es wissenschaftlich erwiesen ist, daß Musik nicht nur sprachliche Fähigkeiten, sondern auch das Mathematikverständnis fördert und insgesamt ausgeglichener macht.
Ich glaube daran, daß jedes Kind neugierig ist auf Musik. Wenn man sieht, wie positiv schon Kleinkinder auf Lieder in Kombination mit Bewegungen reagieren, wie sie sich freuen, wenn man mit ihnen tanzt, dann kann es gar nicht anders sein.
Aber auch für so etwas gibt es Zeitfenster. Und wenn man erstmal erwachsen ist, dann gibt es soviele andere Dinge, um die man sich kümmern muß, daß in den seltensten Fällen genug Zeit und Energie da ist, um wirklich noch ein Instrument zu lernen. Ich glaube, daß man auch mit Frustrationserlebnissen und den unvermeidlichen Mißklängen als Kind leichter fertig wird als wenn man schon erwachsen ist und oft von CDs schon weiß, wie es sich eigentlich anhören müßte.
Ich habe schon jahrelang nicht mehr auf meiner Klarinette gespielt. Trotzdem sind die Erfahrungen mit dem Instrument, die Musikfreizeiten, die Konzerte mit dem Orchester ein Erinnerungsschatz, den mir niemand mehr nehmen kann. Und wer weiß, vielleicht nehme ich doch irgendwann mal wieder Unterricht….
fishingrod am 24. October 2005
Orff, Orfff, Oooorrrffff – “Klingende Stäbe” (heißt es wirklich DER Triangel? Was zum Teufel ist ein Idiophon?) – Hier auch Mittelschicht, Kleinstadt-Schulorchester und Klarinette.
Stephan am 24. October 2005
Ostdeutschland, Musikbildungswüste.
Naja fast. Erstaunlicherweise haben mich meine Eltern nie zur Musikschule geschickt, auch nicht, als alle anderen die Brut da dies und das lernen ließen. Das war erstaunlich, denn jeden anderen Förderungsquatsch durfte/musste ich mitmachen. Meine Eltern spielten beide kein Instrument und irgendwie schien es für sie völlig jenseitig, dass ihr Sohn sowas machen könnte.
Am Anfang war ich etwas frustriert, die anderen lernen da so toll Flöte, Klavier, Trompete, und ich… Das ließ bald nach, denn ich kann mich an keinen aus meinem näheren Umfeld erinnern, bei dem das irgendwie länger anhielt. Keine Ahnung, ob die Musikschulen da auch irgendwie angehalten waren, eher zu sagen, dass das keinen Zweck hätte oder so.
Wegen mangelnder bzw. unterdrückter Mittelstandsbildungsbürgerschicht gibt es im Osten deutlich weniger Instrumentenspieler als im Westen, denke ich mir mal so, wenn ich meine Freund- und Bekanntschaften auf beiden Seiten abklapper.
Insofern gibt’s im Osten schon mindestens die zweite Generation mit wenigen Instrumentenspielern und tendenziell (siehe alles oben) wird das auch im Westen sich in dieser Richtung entwickeln.
Wie das jeder bei sich in der Familie dann handhabt, …, mal sehen. Zum Glück hab ich ja ne alles-mögliche-Spielerin im Haus.
msia.de am 24. October 2005
Klar gibt es überall Musikschulen und die gehobene Mittelschicht schickt ihre Kinder noch zum Geige lernen. Aber: Was fürs Schulorchester und der familiären Hausmusik langt, langt noch lange nicht für einen Berufsmusiker. Tatsache ist: Bis man auf gehobenen Orchesterniveau geigt, muss man viel üben, sehr viel üben, Talent haben und sich der Musik verschreiben, mit der ungewissen Aussicht, davon leben zu können. Das wollen von unseren Kindern nur wenige. Auch als Elternteil wäre ich da nicht begeistert von, da diese Kinder ja auch gewisse intellektuelle Fähigkeiten mitbringen, die auch beruflich zur Zufriedenheit genutzt werden könnten.
In Asien gehört Drill zur Grundlage von Erziehung und Ausbildung. “Fordere viel von dir selbst und erwarte wenig von den anderen.” – Konfuzianisches Denken. Dazu kommt, dass neben der bloßen Wissensvermittlung es dem Konfuzius besonders um die Ausbildung von künstlerischem Empfinden und der Erziehung zu Anstand und Sitte. Musik ist ein Grundpfeiler der allgemeinen Bildung.
Da geht es der Musik ähnlich wie vielen Sportarten, wo auch geklagt wird, dass sich die Kinder und Jugendlichen nicht mehr “quälen” wollen.
Jörg am 24. October 2005
…die Klanghölzer kenne ich als “Claves”, das klingt dann auch mehr nach Percussion und nicht mehr nach Orff, also so richtig nach Latino-Rumba-Gedönse.
hardy am 24. October 2005
Ich kann kein Instrument richtig spielen, ich hatte auch nie anderen als den Pflicht-Musikunterricht. Manchmal nervt mich das heute noch, aber so ist es nunmal. Meine Eltern hätten mich sicherlich was lernen lassen, aber Interesse daran hatte ich in der “entscheidenden” Phase wohl nicht.
Kolossal geärgert hat es mich damals, als ich meinen Berufswunsch Toningenieur begraben durfte. Für den Job muß man wohl von vorne herein mindestens zwei Instrumente beherrschen. Warum das so ist? Kein Ahnung.
Dennoch kann ich mit einem Mischer und allen gängigen Filter- und Effektgeräten umgehen und bekomme auch bei einem 30- odr 50-Track Mischpult im Studio keine wichen Knie (naja doch, wegen des Faibles dafür).
Alles in allem kann ich doch durchaus mit Musik um. Aber ein Instrument spielen oder gar komponieren? No way.
Aber dafür kann ich ganz exzellente Braktkartoffeln.
blacky am 24. October 2005
Hier in der Schweiz gibt es die ersten zwei Schuljahre Musikunterricht, allerdings freiwillig, kein Pflichtfach. So wie bei uns damals (Hessen), mit Triangeln, die ganze Percussion rauf und runter, ein bisschen Notenlesen, Notenlängen verstehen etc. Danach: Ende der Fahnenstange. Singen steht noch auf dem Stundenplan, fällt aber oft aus.
Die sogenannte ‘Musikschule’, hier im Kanton Zürich halb staatlich, halb Verein, bietet Instrumentalunterricht ab der ersten Klasse an, je nach Einkommen der Eltern subventioniert. Trotzdem noch viel Geld. Aber da ich auch der Meinung war ‘man’ müsse ein Instrument beherrschen – auch wenn mein Klavierspiel nur noch in Ansätzen vorhanden ist – spielt mein Sohn nun seit fast drei Jahren mit wachsender Begeisterung Cello. Und die meisten seiner Schulkameraden lernen ebenfalls ein Instrument.
Liegt das daran dass wir in der Schweiz halt doch rückständig sind – was ja in diesem Falle von Vorteil ist – oder kommentieren bisher nur Leute die sich zwar an die eigene Musikerziehung (Hach, Herr Newrzella, was haben wir Spass gehabt, damals – sowohl in Mathe als auch in Musik als auch im Schulchor… – Gott habe Sie selig) erinnern, aber keine kids im relevanten Alter haben oder kennen?
Monika am 24. October 2005
der mo hat 13 jahre intensiv geige gelernt und trägt die narben seines geigerflecks bis an sein lebensende.
geige ist auf dem coolness-faktor ganz unten, allerdings bei der omageburtstag-, weihnachtsfeier- oder abifestberieselung ganz weit oben. und der kleine blondgelockte mo mit seiner kleinen 1/2 geige muss ein anblick gewesen sein… da wären karl moik nicht nur tränen gekommen…, dass war kein spass.
cool war dann das schulorchester. an der nachbarschule war ein genialer lehrer, der seine komplette freizeit (und bestimmt 90% seiner schulzeit) mit der organisation zweier orchester verbracht hat. im grossen orchester waren 90+ leute, zum Teil richtig gute (z.B. unser Hornist war sieger beim bundeswettbewerb jugend musiziert) und das war schon richtig grossartig, sachen wie die ouvertüre von “die meistersinger von nurnberg” oder den bolero oder auch “aus der neuen welt” von dvorak zu spielen (was für ein zweiter satz!!!)
neben der musik war das natürlich soziales happening und auch meine erste freundin hab ich beim gemeinsamen üben des bach doppelkonzerts kennengelernt. (den zweiten satz hier kennt der filmfreak aus “gottes vergessene kinder”).
was allerdings schon in schulorchesterzeiten auffiel war, dass die richtig richtig guten, die die hinterher an der folkwang studieren gegangen sind, alle richtig einen an der klatsche hatten oder zumindest nicht glücklich geworden sind mit dem druck musik zu studieren.
das mag an der absoluten personifizierung mit seinem eigenen können liegen, der ständige kampf um perfektion, der allseits präsente druck vorzuspielen, sich zu präsentieren und zu vergleichen.
und ausserdem hatten diese menschen oft etwas fundamentalistisch-ernsthaftes. da gab es klassische musik, klassische musik und klassische musik als gesprächsthemen, d.h. es ging entweder um musik (“hast Du schon die aufnahme der berliner philharmoniker unter solti von Bruckners 3. von 73 gehört? der horneinsatz im 3 satz…”) oder aber es wurde (zum teil heftigst) gegen andere orchstermitglieder gegiftet…
aber selbst wer unbeschadet durch 20 Jahre üben kommt (dh. mit 5-6 Jahren anfangen und durch das Studium) muss ja glück haben, um sich gegen 40 mitbewerber um eine frei stelle als zweite geige bei den solinger stadtorchester zu bekommen.
vor kurzem bin ich in frankfurt in ein taxi eingestiegen und es roch nicht so, als ob der herr fahrer durch eine alkoholkontrolle kommen würde. während der fahrt hat er mir dann erzählt, dass er früher ja klavierlehrer war, aber da hat er so viel trinken müssen, um das zu ertragen, da fährt er lieber taxi.
meine geige liegt jetzt bereits seit fast 2 jahren ungespielt unter meinem bett. zum einen, weil ohne übung die fähigkeiten nachlassen und die erinnerung an glorreichere zeiten die begeisterung deutlich hemmen und zum anderen, weil mich das instrument, der klang und die geigenliteratür generell nicht mehr anspricht.
aber jetzt hab ich vor kurzem kenji williams entdeckt. vielleicht kauf ich mir ja bald doch noch eine e-geige…
… und meine kinder müssten im tennicamp bei nick bolletieri nebenbei noch schlagzeug lernen! (oder cello!) (oder kontrabass, denn das sind ja eigentlich immer die coolsten jungs!) (oder doch saxophon, aber das ist zu nah an Klarinette, dh woody allen) (gitarre! muss eh jeder können) (ach macht doch was ihr wollt!)
mo am 24. October 2005
Ich habe Klavier gelernt, mäßig (wg. Faulheit) und immer gesungen. Klavier st natürlich super, weil man nur Knöpfe drücken muss (kein feines Gehör nötig) und immer schnell Musik da ist. Andererseits versaut es das Gehör und ist einsam. Kein Platz im Orchester, und selbst Schubert-Lieder begleiten ist viel schwieriger, als sie zu singen (Forelle, ui ui ui).
Nach Jahren Akkordeon muss Geige mit 16 wahnsinnig schwer sein. Sie mussten ja nochmal ganz neu hören lernen.
Klar ist Instrumentalunterricht teuer, vor allem, wenn man mehrere Kinder hat. Was aber doch immer geht, vor allem bei Euch da im Norden: Blasinstrument lernen über kirchlichen Posaunenchor und Singen, Singen, Singen. Kinderchor, Kirchenchor, Gospelchor – der ganze Körper macht Musik, und wenn man umzieht, sucht man sich einen Chor und kennt schon gleich mal ein paar Leute.
Und die Kinder nicht immer die Instrumente lernen lassen, die eh schon alle Spielen. Richtig Spaß macht es erst, wenn man mit anderen zusammen spielt. Bei den Geigen im Orchester, den Alt-Saxofonen in der Bigband ist dann kein Platz mehr frei, während man mit Bratsche, Fagott oder Posaune auch mit mäßigem Können hofiert wird.
sopran am 24. October 2005
aber werte frau sopran!
sie können doch niemanden zum bratschenlernen animieren!
das stigma wird man sein leben nicht mehr los…
mo am 24. October 2005
Aber das Hofiert-Werden rechtfertigt das wieder. Ist wie mit den Bassern in den Bands — keiner will das Instrument lernen, weil E-Gitarre ja viel toller ist (schnarch), aber ohne Basser geht gar nichts.
Und 100 Punkte für: Singen geht immer. Wobei ich bei meinen kläglichen Gesangsstunden immer das Gefühl habe, vorher noch nie Musik gemacht zu haben. Singen ist fast so gemein wie Geige spielen. Obwohl ich die Töne besser treffe, klingen sie manchmal genauso eklig wie meine zersägten Violinenklänge.
Anke am 24. October 2005
Waren ja bis jetzt ein paar nette Geschichen dabei, die aber an sich nur die Aussage des erwähnten Off-Sprechers untestützen: Zwischen “Ein Instrument lernen und ein paar schöne Erlebnisse haben” und “Auf einen Beruf oder gar Karriere als Orchester-Musiker hinarbeiten” besteht ein grosser Unterschied. Wenn die Asiaten mit 6 Jahren schon 5 Stunden täglich Geige üben. Das kann niemand aufholen und will auch in Deutschland niemand seinem Kind antun.
Aus einem Spiegel-Interview mit Anne-Sophie Mutter:
F: Sie stehen am Ausgangspunkt einer Generation junger Geigerinnen, gerade auch deutscher. Wie steht es um den Nachwuchs?
Mutter: In Deutschland … na ja. Immer öfter sind es Osteuropäer und Asiaten, die in den Vordergrund treten: Russen, Japaner, Chinesen, Koreaner.
F: Welche Erklärung haben Sie dafür?
Mutter: Die haben eine größere Leidensfähigkeit.
F: Das klingt nach Einzelhaft am Instrument. Haben Sie nicht ein freundlicheres Wort?
Mutter: Nein, das gehört dazu und ist nicht negativ gemeint. Passion gehört dazu. Es gehört dazu, daß man sich fordert.
Neugierig sein auf Musik langt nicht, um im Wettberwerb zu bestehen.
Jörg am 24. October 2005
Das ist schon klar, dass zwischen den zwei Stunden Musikunterricht und einer eventuellen Karriere als Berufsmusiker ein Riesenunterschied besteht. Ich hatte mich nur gefragt, ob das Nachwuchsproblem eben auch daher kommt, dass viele Kinder gar nicht mehr an Musik herangeführt werden, weil Kindercomputerkurse vielleicht sinnvoller erscheinen und Tennisunterricht sich irgendwann mal rentieren könnte.
Anke am 24. October 2005
Das Nachwuchsproblem beginnt da, wo Kindern keine Schlaflieder mehr vorgesungen werden, kein Hoppereiter, kein Allemeineentchen. Wo Erzieherinnen sich nicht mehr trauen zu singen (und zwar so hoch, dass die Kinder nicht brummen müssen). Früher konnte übrigens fast jeder ein bisschen singen, weil fast jeder mal in die Kirche ging und das Singen zwischen Sitzen, Knien, Zuhören prima aufweckte. Meine erste Blattsingübung: Omas Finger, der im “Gotteslob” den Weg des “Lobe den Herren” mitging.
Nur als Erklärung, nicht unbedingt als Aufforderung.
sopran am 24. October 2005
Herangeführt werden sie. Die Musikschulen sind voll und man muss sein Kind fast schon nach der Geburt anmelden um einen Platz bei der musikalischen Früherziehung zu bekommen. Es gibt aber soviel andere interessante Sachen. Nur wenige Eltern trauen sich ihre Kinder, auch mit Begabung, mit mehrstündigen täglichen Geigespielen zu drangsalieren. Wer mit 12 erst richtig anfängt, der wird es auch mit Leidensfähigkeit kaum in einen bekannten Klangkörper schaffen.
Wie schon gesagt, ist aber im Sport genauso. Deutschalnd wird wohl kaum noch einmal eine Katharina Witt erleben. Jeden nachmittag aufs Eis?
Jörg am 24. October 2005
Es studieren sowieso viel zu viele Musik, landen da, wo sie nie hinwollten, spielen und unterrichten immer lustloser. Und ein begabtes Kind kann ja nichts für seine Begabung! Es deshalb zu drankgsalieren… Ist doch schön, wenn in guten Laienorchestern dann glückliche begabte Juristen und Kaufleute streichen und blasen.
sopran am 24. October 2005
In meinem Freundeskreis fast keiner und in der Schwiegerfamilie auch nicht. Bei uns in der Familie spielt jeder mindestens ein Instrument. Nein halt, meine Mam kann nicht mal Noten lesen (singt aber begeistert im Kirchenchor) und mein Pa singt so falsch, dass es der Sau graust. Da fragt man sich doch, warum wir Kinder so musikalisch sind (bilde ich mir zumindest ein).
Naja, aus der musikalischen Früherziehung erinner ich mich nur noch an den Lehrer mit seinem Vollbart und mein kleines silbernes Glockenspiel. Was wir dort allerdings gemacht haben? Keine Ahnung. Gegen Blockflöte hab ich mich in der Grundschule erfolgreich gewehrt, mit zehn hab ich dann mit Trompete (Posaunenchor) angefangen, die mir auch heute noch lieb und teuer ist. Und mit 15 kam dann die Orgel hinzu, der ich auch ebenfalls bis heute die Treue halte. Inzwischen überleg ich immer wieder, ob ich nicht vielleicht doch mal Gitarre oder richtig Klavier noch lernen soll… (Manchmal bedaure ich, dass ich mit 10 nicht aufs musische wollte, dann hätte ich heute vielleicht auch ein wenig Ahnung von Musiktheorie)
Irgendwo hab ich mal gelesen, dass die musikalische Förderung nur bis zum neuten Lebensjahr wirklich Sinn macht. Zudem denke ich, die Eltern müssen ihren Kindern auch Freude daran vermitteln, sie nur in die musikalische Früherziehung schicken reicht nicht wirklich aus.
Barbara am 24. October 2005
Zum Thema läuft eben gerade ein Beitrag in der Kulturzeit bei 3sat, vielleicht ja noch in der Wiederholung zu erwischen, nachts oder morgen früh, soweit ich weiß…..
Co am 24. October 2005
Ich musste früher der Reihe nach Blockflöte, Cello, Klavier und Gitarre spielen und fand alles gleich… naja. Hab dann aus trotz so lange blockiert bis meine Eltern mir erlaubten, aufzuhören.
Heute tut es mir leid, dass ich zumindest mit Cello aufgehört habe, da es als Instrument mittlerweile ja doch nicht so uncool ist bzw. ich angeblich auch nicht so unbegabt war wie sonst in musikalischen Dingen.
Die Leute, mit denen ich näher zu tun habe, haben fast alle mal ein Instrument lernen müssen bzw. spielen eins.
wondergirl am 24. October 2005
Wenn ich mich so umschaue, dann lassen die Eltern, die selber Instrumente spielen, auch ihre Kinder ein Instrument lernen. Eine Frage des Geldes scheint das nicht zu sein, eher eine Frage der Setzung von Prioritäten, schlimmstenfalls werden dann zwischen die Klavierstunden gegen Einzelunterricht Spanisch getauscht. Dass es in vielen Fällen am Drill, auch an der wüsten Entschlossenheit, eine vorhandene Begabung wirklich aszuschöpfen, fehlt, mag ja ein generelles Problem dieser Gesellschaft sein. Dass ich kaum Leute kenne, die nicht zumindest den obligatorischen Klavier- oder Geigenunterricht gehabt haben, führe ich allerdings tatsächlich auf die Homogenität der Milieus zurück, in denen man sich bewegt, und auch dies mag kein gutes Zeichen für die deutsche Gesellschaft sein, in der die Zentrifugalkräfte offenbar doch stärker walten, als es einem lieb sein kann.
Modeste am 25. October 2005
Unsereins ist 29 Jahre alt, spielt 24 Jahre Blockflöte, 13 Jahre Saxophon und 8 Jahre Singende Säge. Seit drei Wochen drücke ich mir Gitarre rein, was mir meine Fingerkuppen irgendwie übel nehmen – aber ich möchte im Kindergarten auch mal was begleiten können.
Geige habe ich auch mal gespielt, aber das liegt mir so gar nicht. Rein vom Spielen her schon, doch mein Körper hat mir mit heftigen Rückenschmerzen klar gemacht, dass fünf Jahre Geige reichen müssen.
Jetzt unterrichte ich musische Früherziehung und gebe Blockflötenunterricht. Allerdings bin ich eher ein ungewöhnlicher Lehrertyp und achte tatsächlich darauf, dass die Kinder das spielen dürfen, was ihnen gefällt…
Wie sagte neulich eine Schülerin? “Bei der Anke will ich weiterflöten, die ist cool!”. Ich bin 100% sicher, dass Musik für Kinder eine wertvolle Sache ist. Man darf es ihnen nur nicht vermiesen.
anke-art am 30. October 2005