Julie & Julia
Julie Powell arbeitet 2002 als Versicherungsangestellte in New York und muss sich den ganzen Tag Geschichten von Menschen anhören, deren Angehörige in den Türmen umgekommen sind. Sie wohnt mit ihrem Ehemann in einer Wohnung, die ihr auf die Nerven geht, sie fährt ewig U-Bahn, um irgendwo hinzukommen, und ihre Freundinnen gehen ihr auf den Zeiger mit ihren beruflichen Erfolgen. Das einzige, was sie entspannt und ihr Freude bereitet, ist kochen. Und so beschließt sie eines Abends, das Standardwerk von Julia Childs, Mastering the Art of French Cooking, nachzukochen. Alle 524 Rezepte in 365 Tagen, festgehalten in einem Blog. Julie & Julia erzählt diese Geschichte.
Was den Film so charmant macht, ist, dass er zusätzlich auch noch die Story von Julia Childs erzählt – oder zumindest einen Ausschnitt davon, nämlich die Jahre, in denen sie als Ehefrau eines Diplomaten in Paris lebte und eher aus Langeweile denn aus Berufung anfing, kochen zu lernen. Ihr Ehrgeiz war relativ schnell geweckt, und so sehen wir sie kiloweise Zwiebeln hacken, um ihre Technik zu verbessern, mit dem Fischhändler schäkern, obwohl doch alle Franzosen so brummig sein sollen, und wir sehen sie vor allem beim Essen. Beim Genießen. Beim Schwelgen in guten Zutaten und das in Bilderbuchfrankreich. Bei Julie in New York ist es nicht ganz so bilderbuchmäßig, aber auch bei ihr sehen wir päckchenweise Butter in Pfannen verschwinden, Sahne, die aufgeschlagen wird, einen Kühlschrank voller Köstlichkeiten und immer wieder der selige Gesichtsausdruck, wenn sie an Kräutern schnuppert oder neugierig den Topfdeckel hebt.
Julie & Julia erzählt von zwei unterschiedlichen Frauen unterschiedlicher Generationen, schafft es aber, beide so zu verbinden, dass es nie spinnert rüberkommt, wenn Julie erzählt, dass ihr Julia quasi über die Schulter guckt. Beide arbeiten an ihrer Ehe bzw. müssen mit Problemen privater Natur klarkommen, beide suchen nach einer Karriere, beide wollen energisch den Erfolg. Und beide werden von ganz wundervollen Schauspielerinnen dargestellt (Amy Adams und Meryl Streep), wie überhaupt der ganze Film voll ist mit wunderbaren Schauspielerinnen. Die wenigen Männer sind ebenfalls großartig, allen voran mein heimlicher Schwarm Stanley Tucci als Julias Ehemann.
Einen Nachteil hat der Film allerdings: Man kann ihn nicht anschauen, ohne dabei etwas essen zu wollen. Bevor ihr die DVD einlegt, am besten eine Platte mit Crostinis paratstellen. Und eine Cremespeise. Und Sekt. Oder wenigstens eine Runde belegte Brote.
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Bechdel-Test bestanden?
1. Es müssen mindestens zwei Frauen mitspielen, die
2. miteinander reden
3. und zwar über etwas anderes als Männer.
Ich würde zu Jein tendieren. Obwohl beide Hauptpersonen weiblich sind, reden sie natürlich nicht miteinander, weil ihre Geschichten 40 Jahre auseinander liegen. Die jeweils wichtigen Bezugspersonen sind ihre Ehemänner (not that there’s anything wrong with that). Julies Freundin darf, wenn ich mich recht erinnere, in zwei Szenen Stichwortgeberin spielen, aber Julia hat immerhin noch ihre Co-Autorinnen für ihr Kochbuch. Spontan hätte ich die Frage nach dem Test mit Ja beantworten wollen, aber so ganz hundertprozentig ist es dann doch nicht. Aber 99%.