„Dass Tempo zu einem Fetisch des Fußballs geworden ist, liegt vielleicht auch an unseren Seherfahrungen und dem Umstand, dass die meisten Zuschauer inzwischen ein generelles Vergnügen daran haben. Der Filmkritiker und Kulturjournalist Peter Körte hat auf den interessanten Zusammenhang zwischen der durchschnittlichen Zeit des Ballbesitzes auf internationalem Spitzenniveau und der Einstellungslänge von Hollywood-Blockbustern wie „Bourne Ultimatum“ hingewiesen. In beiden Fällen liegt sie unter zwei Sekunden. Wenn uns heute etwas fesseln soll, bedarf es offensichtlich einer hohen Taktzahl wechselnder Reize.
Für den deutschen Literaturwissenschaftler und Sportphilosophen Hans Ulrich Gumbrecht, der an der kalifornischen Stanford University lehrt, bedeutet das auch einen kulturellen Wechsel: von der Ästhetik der Oper und des großen Theaters hin zu einer des Videoclips. Und das hat den Abtritt des Fußballstars als Diva zur Folge: „Für die star- und damit divengerechten Spielzüge gibt es heute in Zeiten der blitzschnellen Umschaltpunkte und Blockverschiebungen im wörtlichen Sinne keinen Raum mehr. Das Spiel ist nicht nur viel schneller, es ist auch viel taktischer und kollektiver. Eine Diva, die in diesem Kollektiv nicht zu 100 Prozent mitarbeitet, gefährdet das gesamte Spiel. Insofern haben wir es zurzeit mit zwei gegenläufigen Entwicklungen zu tun. Das Fußballspiel selbst ist divenfeindlich geworden, während der kulturelle Kontext divenfreundlicher ist.“”
Christoph Biermann, Die Fußball-Matrix: Auf der Suche nach dem perfekten Spiel
Der im Ausschnitt erwähnte Peter Körte schreibt übrigens mit Jürgen Kaube bei der FAZ das Fußballblog Eins gegen Eins.