Bücher März 2013
Jane Austen – Pride and Prejudice
Hachja. Zum Inhalt muss ich wohl nichts mehr sagen, das habe ja selbst ich mitbekommen, dass Mister Darcy wohl doch ein Schnucki ist und sich zum Schluss alle liebhaben, wie sich das gehört, aber ich würde euch gerne die verlinkte Penguin-Classics-Ausgabe ans Herz legen. Der Anhang beschränkt sich nämlich nicht nur darauf, alte, uns heute eher unbekannte Dinge wie Kutschen, Tänze oder Kartenspiele zu erklären, sondern ordnet auch Dinge ein, über die ich sonst einfach weggelesen hätte. Wenn das erste Mal das militärische Regiment von Wickham erwähnt wird, erläutert der Anhang, dass England sich zu Lebzeiten von Austen größtenteils im Krieg mit dem nachrevolutionären Frankreich befand und deshalb mobile Einheiten im Süden des Landes unterwegs waren. Ist für die Geschichte egal, fand ich aber trotzdem spannend, weil es die Handlung erdet und sie nicht mehr so im luftleeren Raum umherflirrt. Nebenbei fand ich das Buch sehr angenehm zu lesen; die 200 Jahre alte Sprache hatte ich mir schwieriger vorgestellt. Da liest sich Goethe fast anstrengender.
(Leseprobe bei amazon.de, der komplette Text bei Gutenberg.org.)
Daniela Krien – Irgendwann werden wir uns alles erzählen
Die ersten zwei, drei Seiten haben etwas Überwindung gekostet, denn der Stil ist sehr schlicht, fast dokumentarisch, kaum Atmospäre. Aber dann fiel mir auf, dass genau das der Witz an Irgendwann ist: kaum Atmosphäre, nur Tatsachen, nur Dinge, die passieren, weil es nicht anders geht. Das muss man nicht ausschmücken, das erzählt man einfach lakonisch. Es geht um eine junge Frau, die aus Perspektivlosigkeit zu ihrem Freund und dessen Familie auf den Hof zieht, den sie durch die DDR-Zeit behalten haben. Die Wende liegt gerade hinter uns, die Familie überlegt, wie es weitergeht. Ein Sohn lebt seit Jahren im Westen, ein Nachbar kommt ab und zu vorbei, und genau der prallt irgendwann mit der Hauptperson zusammen. Was aus den beiden wird, liest sich manchmal sehr schmerzhaft, aber gleichzeitig unausweichlich. Persönlich hadere ich natürlich mal wieder mit der Idee, dass eine junge Frau sich selbst aufgibt, um für jemand anders dazusein, aber es passt. (Leider?) Und auch die zweite Figur kann nicht anders als so zu sein, wie sie eben ist. Dass diese der Frau immerhin die Chance lässt, doch noch jemand anders zu werden, ehrt sie sehr, hat mich aber dann doch zum Schluss ein bisschen genervt. Ich habe das Buch in wenigen Stunden verschlungen, weil es sehr konsequent seine Geschichte erzählt. Und da fand ich das Ende ein winziges bisschen seltsam.
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Elisabeth Rank – Bist du noch wach?
Genau wie in ihrem Erstling Und im Zweifel für dich selbst begleiten wir eine weibliche Hauptfigur auf einem Stück ihres Lebens. Wir beginnen in Frankreich, gehen rückwärts in der Zeit und sind in Berlin, bis wir wieder nach vorne springen. Die Örtlichkeiten sind nebensächlich, aber das Hin und Her passt ganz gut: Wo bin ich zuhause, wo komme ich her, wo will ich hin? Und mit wem? Wach erzählt von Freundschaft und Liebe und dem, was dazwischen ist, was hätte sein können, was vielleicht noch wird, was vielleicht nie werden wird. Ob das gut ist oder schlecht, auch das ist nebensächlich, genau wie die Örtlichkeiten. Was wichtig ist, ist das Hier und Jetzt, das Ich. Die Suche danach hört wahrscheinlich nie auf, aber genau das ist eben nicht nebensächlich, das ist das Wichtige, das zählt.
Ich mag Ranks Sprache sehr gerne (ich zitierte schon ein paar Sätze) und ich verzeihe ihr gerne, dass in ihren Büchern keine Kracherstory passiert, die ich abends in der Kneipe rumerzählen kann. Denn die wirklich wichtigen Dinge kann ich eh nicht erzählen. Dafür kann Rank das.
(Leseprobe bei amazon.de.)
Monika Maron – Ach Glück
Achim und Johanna sind seit gefühlten Ewigkeiten verheiratet, machen seit Ewigkeiten das gleiche, arbeiten, essen, schlafen, arbeiten … und entfremden sich immer mehr, weil immer das Gleiche irgendwann zu wenig wird. Ach Glück beginnt damit, dass Johanna im Flugzeug nach Mexiko sitzt, während Achim Johannas Spuren in Berlin nachzuziehen versucht, um zu verstehen, warum seine Frau sich gerne 10.000 Kilometer von ihm entfernen möchte. Das Buch erzählt vom Älterwerden, vom Dasein als Paarbestandteil, über dem gerne vergessen wird, dass man immer noch man selbst ist, und vom Geflecht aus Pflichten und Freunden, aus dem man sich vielleicht einfach mal befreien muss, um sich selbst wiederzufinden. Genau wie das erste Buch, das ich von Maron las, hat mir auch dieses hier sehr gut gefallen.
(Leseprobe bei amazon.de.)
Johanna Adorján – Meine 500 besten Freunde
Ich habe mich sehr auf den neuen Roman nach dem autobiografischen und wunderschönen Eine exklusive Liebe von 2009 gefreut. Leider ist es keiner geworden: Es ist eine Aneinandereihung von kleinen Geschichten, die meist ohne Pointe auskommen und in Berlin spielen. Das Milieu aus Literatur-, Kunst-, Theater- und Feuilletonbetrieb ist eine Klammer, Berlin eine weitere, die Lokale, die Sprache, und ab und zu wird eine Figur erwähnt, die wir bereits in einer anderen Geschichte getroffen haben. Ich liebe die Sprache Adorjáns, ich liebe ihre Beobachtungsgabe, ich liebe den Titel des Werks, und deswegen frage ich mich, warum das alles trotzdem nicht für ein gutes Buch gereicht hat. Meh.
(Leseprobe bei amazon.de.)
Michael Köhlmeier – Madalyn
Von Köhlmeier las ich bereits Idylle mit ertrinkendem Hund sowie Abendland. Beide haben mich mit ihrer gefühlt konservativen Sprache begeistert. Madalyn klingt genauso, obwohl er hier über die erste Liebe eines jungen Mädchens schreibt. Ich fand es sehr faszinierend, diese irrwitzige Zerrissenheit der Pubertät noch einmal nachzuempfinden. Macht auch 30 Jahre später keinen Spaß, liest sich aber gut. Und: Ich mochte, dass die eben erwähnte konservative Sprache dem im Nachhinein fast niedlichen ersten Verliebtsein die angemessene Größe gibt. Wie es sich eben für ein großes Gefühl gehört.
(Leseprobe bei Hanser.)
Johan Huizinga (Kurt Köster, Übers.) – Herbst des Mittelalters
Klassische Abhandlung über, ich zitiere den Untertitel, „Lebens- und Geistesformen des 14. und 15. Jahrhunderts in Frankreich und in den Niederlanden“. Es geht um den Begriff und die Bedeutung des Ritters, über die idealisierte und die wirkliche Liebe bzw. das Miteinander von Männlein und Weiblein, Religion, Kunst, Literatur … was rede ich, lest einfach den Untertitel noch mal. Ich persönlich hätte auf die ganzen französischen O-Töne verzichten können – die Ãœbersetzung tut’s auch –, aber mir haben Sprache und Stil des Buchs sehr gut gefallen. Man merkt ihm nicht an, dass es schon fast hundert Jahre alt ist. In Deutschland scheint es trotzdem noch nicht rechtefrei zu sein; wer Niederländisch kann, findet bei gutenberg.org den Gesamttext.
Heinrich Wölfflin – Die klassische Kunst
Auch hier zitiere ich den Untertitel: „Einführung in die italienische Renaissance“. Das Buch erschien 1899 und ist nicht unbedingt umfangreich bebildert. Ich habe mich des Öfteren gefragt, ob die angesprochenen Werke damals zur Allgemeinbildung gehörten oder ob sich das Werk sowieso nur an Studierende richtet, von denen man erwarten konnte, dass sie die ganzen italienischen Maler rauf- und runterbeten konnten. Ich habe mir den Luxus erlaubt, einige Werke zu ergoogeln, auch weil die Abbildungen nur schwarzweiß sind, die wir von hauptsächlich Leonardo da Vincis, Raffaels und Michelangelos Bildern zu sehen bekommen. Weswegen ich das Buch gerne lesen wollte: Wöfflin hat mit seinen Gegensatzpaaren (siehe Wikipediaeintrag) einen wichtigen Beitrag zur Kunstgeschichte geliefert, und deswegen wollte ich einfach was von ihm lesen. Und weil ich inzwischen weiß, dass Kunsthistoriker_innen vor 100 Jahren wirklich hübsche Adjektive nutzen, wenn sie Bilder beschreiben. (Noch ein Grund mehr für mich, dauernd beim Friedländer und seiner altniederländischen Malerei in der Bibliothek rumzuhängen.)
Blain & Lanzac (Ulrich Pröfrock, Ãœbers.) – Quai d’Orsay: Hinter den Kulissen der Macht
Ich meine mich daran zu erinnern, dass Frau ruhepuls mich auf diesen Comic aufmerksam gemacht hat. Im Nachhinein danke dafür, denn das Buch liest sich wie West Wing auf Speed. Ich habe selten Alltagssituationen so dynamisch gezeichnet gesehen, dass sie mir schon fast wie animiert vorkamen. Passt natürlich auch prima zum hektischen Alltag eines Redenschreibers des französischen Außenministers, der sich den ganzen Tag mit Meetings und Kollegen weltweit rumschlagen muss und der den ersten Entwurf einer Rede sowieso nie durchliest, sondern gleich zurückgehen lässt mit der Bemerkung, da könne man noch mal rübergehen. Großformatig, üppig, très français, große Empfehlung.