Ich, das ist eine andere
Ich denke über Bilder nach, über Farben, Formen, über Raum, Persönlichkeiten, Ideen, Konstrukte. Ich lerne Geschichten, Biografien, Theorien und noch mehr Theorien und noch mehr. Und dann lerne ich, was alles schon nicht mehr gilt und lerne was Neues. Ich schreibe auf Notenpapier und in ein Moleskine, ich habe mir einen neuen Kugelschreiber gekauft und meine uralten Tintenroller wiederentdeckt. Ich nutze mein Federmäppchen, das 20 Jahre lang in einer Schublade auf mich gewartet hat. Ich sitze in großen Sälen auf harten Holzstühlen und schleppe Wasser und Jogurt und Apfelspalten mit mir herum anstatt in Konferenzräumen in Meetings zu sein und an Keksen zu knabbern und Latte Macchiato zu trinken. Ich höre Musik, die ich noch nie gehört habe, analysiere sie, lasse mich in sie fallen, schwimme auf ihr, darf die Augen dabei schließen und es Wissenschaft nennen. Ich gehe in Fußballstadien und treffe Menschen, die das auch tun. Ich trinke Maßkrüge voll Bier, wo ich in Hamburg gerade mal 0,33l schaffe. Ich habe ein Fahrrad gekauft und mich daran erinnert, wie toll Fahrtwind ist und kam mir nach einer Woche darauf total komisch vor, wieder meine Füße zu benutzen, um in Altona und Eimsbüttel und in der Hafencity von A nach B zu kommen. Ich gehe ins Theater und ins Kino, ich wühle mich durch Bibliotheken, ich lerne von 20-Jährigen und bewundere sie für ihre Bildung und ihr Wissen und all das, was sie gerade in der Schule in ihre Köpfe gestopft bekommen haben und was sie gar nicht zu würdigen wissen; ich schon, denn ich lese mir das alles wieder an, diesen ganzen Kram, den ich sicher schon einmal im Musikunterricht gehört habe, damals, oder in Geschichte, damals. Ich halte Referate statt Präsentationen, ich esse Leberkäse statt Fischbrötchen, ich sage Grüßgott statt Moin, und wenn ich nicht aufpasse, sage ich das in Hamburg auch. Ich, das ist eine andere als die im Norden. Ich, das ist jemand, die entdeckt und erlebt und fühlt und spürt und riecht und hört und dauernd vor etwas Neuem steht. Ich, das ist aber immer noch die gleiche, die fragt und hinterfragt und zweifelt. Und manchmal hat sie Angst, sich zu verlieren, obwohl sie gerade soviel gewinnt.