OMGdieUnigehtweiter Teil 2
(Einschub: Fuppes)
Ich schulde euch noch den Rest meines wunderschönen Stundenplans.
Der Mittwoch beginnt endlich mal zu einer standesgemäßen Unizeit, nämlich um 10, und das auch gleich mit einem dreistündigen Kurs. Genau wie in Kunstgeschichte, wo im sogenannten Propädeutikum ein Thema mit Technik verknüpft wurde (also: wie geht recherchieren, wo finde ich die Bücher, die ich suche, wie zitiere ich richtig usw.), läuft das auch in Geschichte in den Basiskursen, die zusammen mit einer Vorlesung das schöne Erstsemestermodul ergeben, jeweils in Antike, Mittelalter und Neuer Geschichte. Aus den drei Zeitaltern darf ich mir im Nebenfach zwei raussuchen, die ich erfolgreich absolvieren muss, bevor ich mich im Hauptstudium für eins entscheide, das ich vertiefend studiere. Die Antike ist mir sowohl in künstlerischer als auch in historischer Hinsicht deutlich egaler als die anderen beiden, weswegen ich in diesem Semester in der VL Mittelalter sitze (der Basiskurs kommt im nächsten Semester) und im kompletten Modul zur Neueren Geschichte. Der Basiskurs nennt sich „Geschlecht im Zeitalter der Extreme (1900-1939)“ und wir befassen uns dort mit Geschlechtergeschichte. Los ging’s mit „Was ist Geschlechtergeschichte überhaupt“, welche Theorien gibt es zu Sex und Gender, und in den nächsten Sitzungen wird’s dann thematischer: Es geht um Frauenbewegung, Männlichkeitsbilder, Homosexualitätsdebatten z.B. in der Weimarer Republik usw. Klingt alles sehr spannend, und der Kurs ist netterweise sehr klein. Wir sind, wenn ich richtig gezählt habe, gerade mal 12 Menschlein (davon zwei männliche), und die Beteiligung war gleich in der ersten Sitzung sehr lebhaft.
Nach einer Stunde Pause kommt dann wieder Kunstgeschichte und zwar die Vorlesung „Amerikanische Kunst nach 1945“. Sie gliedert sich in verschiedene Stile anstatt brav eine Zeitleiste runterzubeten. So erfahren wir demnächst unter anderem etwas über den Abstrakten Expressionismus, die Pop Art, Performancekunst, Land Art und feministische Kunst. In der Sitzung vom Mittwoch führte uns die Dozentin so langsam an das Jahr 1945 ran, meinte aber schon zu Beginn der Sitzung, das sei alles nicht klausurrelevant, wir könnten uns berieseln lassen. Ich weiß nicht, ob es daran gelegen hat, aber ich habe mich dauernd dabei erwischt, wie meine Gedanken plötzlich ganz woanders waren und nicht mehr bei Coles The Course of the Empire oder Hoppers Nighthawks. Vielleicht war mein Kopf auch noch erkältet, ich weiß es nicht. An der Vortragsweise oder dem Stoff kann’s nicht gelegen haben. Mal sehen, wie es nächsten Mittwoch wird.
Nach der Uni reichte die Zeit noch für ein Käsebrot zuhause, bevor ich mich matschig und hustend zu Herrn @probek schleppte, der meine Eintrittskarte fürs Champions-League-Spiel Bayern gegen Pilsen hatte. Der Marsch ins Stadion ging körperlich deutlich besser als ich dachte, das Spiel selbst war auch ganz nett (Jammern auf hohem Niveau: Es ist 5:0 ausgegangen, aber wir hätten auch 10:0 gewinnen können), aber mein Sitzplatz war nicht ganz so der Bringer. Der Block 108 ist eigentlich okay – er liegt in der Verlängerung der Eckfahne neben der Südkurve –, in dem saß ich schon mal, aber dieses Mal nicht entspannt in der Mitte, sondern genau am Zaun zu den Blöcken, in denen eigentlich gestanden wird. Darf man bei CL-Spielen ja nicht, aber das war den Leuten natürlich egal, sie ignorierten die Sitze und standen. Was bedeutete, dass ich im Sitzen genau bis zu dem Mast gucken konnte, an dem das Fangnetz hinter dem Tor befestigt ist. Kein Blick mehr auf den Strafraum, was bei einem Fußballspiel eher doof ist. Also stand ich des Öfteren auf, wenn die Bayern in Tornähe kamen, was sie recht oft kamen, bis ich beim dritten Aufstehen von meinem Hintermann rüde angepampt wurde – mit dem Klassiker: „ICH HAB FÜR DIESEN PLATZ BEZAHLT!“ Ich war zu krank, um zurückzupöbeln „ICH AUCH, SPACKO!“, sondern habe mich in den nächsten 40 Minuten darauf beschränkt, mich sehr weit im Sitz vorzubeugen, bis ich so gerade das Tor sehen konnte. Der Typ hinter mir war inzwischen damit beschäftigt, sich mit den Stehenden im Nachbarblock anzulegen, was nervte, mich aber immerhin aus der Schusslinie nahm. In der Pause stand ich dann komplett, auch weil mein Rücken die Allianz-Arena-Sitze irgendwie nicht so toll fand wie sonst, während der Nachbarblock sich geschlossen hinsetzte. Ich konnte die Ironie immerhin würdigen, aber genießen konnte ich den Abend nicht, denn zu allem Überfluss hatte ich mal wieder Kettenraucher um mich rum, dieses Mal wirklich von überall: vor mir, hinter mir, zu beiden Seiten neben mir. Rechts sogar zur Feier des Tages Zigarre. Ich hustete so demonstrativ wie möglich und hielt mir den Fanschal vors Gesicht, das brachte aber leider gar nichts. Das alkoholfreie Bier (gibt nix anderes) im Fantreff nach dem Spiel wurde ausnahmsweise eine Cola, und es gab auch keinen standesgemäßen Sieges-White-Russian, denn es war spät und der nächste Uni-Tag fing früh an. Um 8. Seufz.
Das Aufstehen lohnte sich aber sehr, denn der Kurs nennt sich „Geschichte und Journalismus – ein Annäherungsversuch“ und wird von einem Journalisten gegeben, der beim Münchner Merkur arbeitet. Im Laufe des Seminars lädt er Kollegen und Kolleginnen ein, die uns von ihrer Arbeit erzählen. Gestern zeigte uns ein freier Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks, wie er historische Magazinbeiträge erstellt, welche Anforderungen an sie gestellt werden, wie man überhaupt mit geschichtlichen Stoffen umgehen kann, vor allem die, für die es keine Zeugen mehr gibt – hierfür war ein Massengrab aus dem 30-jährigen Krieg ein Beispiel, um das dann fast eine Detektivgeschichte gesponnen wurde mit Aussagen von Forensikern, die die Knochen hübsch in die Kamera hielten oder über Insektenlarven Auskunft gaben. In einem weiteren Beitrag ging es um einen französischen Fotografen, der alte Aufnahmen aus einem Kriegsgefangenenlager in Bayern gefunden hatte. Hier war die Schwierigkeit, dass der Beitrag zu wenig Lokalbezug hatte – man hätte als Augenzeuge nur den Franzosen gehabt –, weswegen zusätzlich eine bayerische Archivarin zu Wort kommen durfte. Wir unterhielten uns über Zuschaueransprüche, HistorikerInnen vor der Kamera, Bebilderungen von Stoffen, Hintergrundmusik und vieles mehr. Alles sehr kurzweilig und spannend. Das könnte mein Lieblingsseminar werden – vor allem, weil ich für die ECTS-Punkte entweder eine Buchrezension oder einen Zeitungsartikel schreiben soll. Ha! Müsste ich hinkriegen.
Zwei Stunden später ging’s ins 17. und 18. Jahrhundert: „Die Medien der Aufklärung: Zeitschriften und Journale in Europa, 1660–1800.“ Hier sprechen wir darüber, wie sich die Wahrnehmung auf Sachverhalte ändert, wenn neue Medien oder Verbreitungsweisen hinzukommen. In diesem Kurs findet auch mein erstes Referat in diesem Semester statt, denn lustigerweise steht Walter Benjamins Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit auf dem Seminarplan, das ich im letzten Semester ja schon freiwillig gelesen hatte. Sehr praktisch. Gleich mal den Termin gesichert; nächsten Donnerstag versuche ich meine geschätzten KommilitonInnen davon zu überzeugen, warum man dieses Buch dringend gelesen haben sollte.
Zwei Stunden Pause gaben mir zuhause kurz die Gelegenheit für ein schnelles Nickerchen, denn als fit wollte ich mich nach nur fünf Stunden Schlaf und vier Stunden Konzentration nicht bezeichnen. Das Wieder-Aufraffen zur Uni hätte ich mir allerdings sparen können, denn die letzte Vorlesung meiner Uni-Woche „Die Stadt in Süddeutschland. Von den Anfängen urbaner Kultur bis ins 20. Jahrhundert“ fiel leider aus. Die Zeit nutzte ich, um mir endlich mal in Ruhe die Sophie-Scholl-Büste im Lichthof anzuschauen. Auf der anderen Wandseite hängt noch eine Tafel, die auf die anderen Mitglieder der Weißen Rose hinweist, aber davor stand gerade die übliche Tourigruppe. Direkt vor dem Haupteingang ist außerdem ein Denkmal in den Boden eingelassen, das unter anderem die Flugblätter der Weißen Rose zeigt. Ich weiß nicht, ob es eine stille Übereinkunft gibt, da nicht draufzutreten, aber ich mache es nicht.