Hallo, Brigitte-LeserInnen!

Schön, dass ihr gerade von meinem Artikel „Dicksein ist keine Charaktereigenschaft“ hier rüberklickt. Macht’s euch bequem und nehmt euch nen Keks. Nein, hier gibt es keine Reiswaffeln, sorry.

Unter meinen Artikel tauchen, wie zu erwarten war, die üblichen „JA, ABER …“-Kommentare auf. Ich habe keine Lust, mich da drüben in eine Kommentarschlacht zu werfen und werde daher hier auf ein paar der Bemerkungen eingehen. Enjoy. Achtung, da kommen ein paar Kraftausdrücke, die ich mir in der Brigitte brav verkniffen habe.

Edit am 3.11.: Dieser Eintrag entstand am 26. Oktober, und seitdem habe ich auch nicht mehr in die Kommentare bei der Brigitte geguckt. Der letzte, den ich gelesen habe, ging in die Richtung „Dicke sollten im Bus stehen, damit Dünne nicht unter ihnen leiden und Kalorien verbraucht’s auch, das schadet uns ja nicht“. Damit dürfte der Bodensatz an Arschigkeit erreicht sein, dachte ich mir so, und meinem Seelenheil zuliebe habe ich deswegen da drüben nicht mehr weitergelesen.

Weil ich des Öfteren gefragt wurde: Die Brigitte hat sich am 30.10. per Mail bei mir gemeldet. Ich zitiere:

„Einerseits freut es uns natürlich, dass der Artikel so viel gelesen wird, andererseits stellen wir auch wieder mal fest, das nicht alle unserer Leserinnen und Leser nette Menschen sind und daher unakzeptable Kommentare absetzen. Wir möchten Ihnen versichern, dass unsere Kolleginnen von Brigitte.de dies genau beobachten und unangemessene, beleidigende Kommentare so schnell wie möglich löschen.“

Das freut mich, heißt aber natürlich auch, dass nicht im Vorfeld moderiert wird, was gerade bei derartigen Artikeln dringend nötig ist. Denn sobald man sich hinstellt und es wagt, sein Dicksein und seine Selbstakzeptanz, ja sogar Selbstliebe als positiv hinzustellen, hat man das komplette Kommentarfeld voll mit Dickenhass. Werde ich nie verstehen.

Aber zurück zu meinen Antworten auf die ersten 30 Kommentare:

Das nervt total, neben dicken Menschen in Zügen/Bussen/Flugzeugen zu sitzen!

Ja, tut es. Was aber auch ein winziges bisschen an den äußerst knapp bemessenen Sitzen liegt. Ich habe netterweise die finanziellen Möglichkeiten, im Zug die 1. Klasse zu buchen, weil ich selbst auch ungern Leuten auf die Pelle rücke. Im Bus habe ich diese Möglichkeit nicht, da müssen wir beide leider damit leben, dass sich unsere Oberschenkel zehn Minuten lang berühren.

Nochmal zu den Sitzen: Ich fliege recht oft und sehe auf jedem Flug, dass auch ein durchschnittlich gebauter Mann über 1,80 m Körpergröße nicht wirklich bequem und entspannt in der Economy unterwegs ist. Und außerdem: Mich nervt es viel mehr, neben Menschen zu sitzen, die offensichtlich Kettenraucher sind oder nicht wissen, wie ein Deo oder eine Dusche funktioniert. Dagegen kann ich aber nichts machen. Menschen sind verschieden. Kommt damit klar. Mache ich ja auch.

Dicksein ist ein Lifestyle, der nicht gefeiert werden sollte.

Äh … was? Echt jetzt? In unserer schlankheitsfixierten Welt ist Dicksein garantiert nichts, was wir Body-Acceptance-Menschen feiern. Wir haben es nur nach meist jahrelangem, aussichtslosen Kampf gegen die Kilos akzeptiert, dass wir nicht in euer Schönheits- und Akzeptanz-Raster fallen. Das feiern wir nicht, aber wir freuen uns, dass wir uns selber nicht mehr so hassen wie ihr uns anscheinend. Und das fühlt sich sehr befreiend und wohltuend an. Sich selber nett zu finden, ist eine wirklich tolle Sache. Solltet ihr auch mal ausprobieren, wenn ihr wieder damit hadert, angeblich drei Kilo zu fett zu sein (was ihr garantiert nicht seid).

Dicksein ist wohl eine Charaktereigenschaft: ihr habt keine Selbstdisziplin, um dünner zu werden, so bäh!

Seufz. Ich kenne keine/n Dicke/n, der nicht einmal, mehrmals, dauernd, sein Leben lang versucht hat, den Zustand des Dickseins zu ändern. Wirklich keine/n. Immer wieder. Das nenne ich Selbstdisziplin.

Jeder, der sich mal etwas länger als eine Bild-Schlagzeile mit dem Thema Abnehmen beschäftigt hat, kennt auch die Zahlen: 95 Prozent aller Menschen, die mal abgenommen haben, nehmen alles wieder zu und packen gerne noch ein paar Kilo drauf. Wenn du mir nicht glaubst, frag deine nächste Beratungsstelle für Essstörungen, die werden dir die Zahl gerne bestätigen. Das heißt: Auch mit aller Selbstdisziplin der Welt werde ich wahrscheinlich nicht dünner werden. Außer ich lege mir eine entspannte Essstörung zu, denn darauf läuft’s hinaus: Um dein hart erkämpftes, niedriges Gewicht zu halten, musst du nämlich weiterhin immer (ich sag das noch mal: immer) weniger essen, als dein Körper will. Drastisch ausgedrückt: Ich muss für den Rest meines Lebens hungern, um nicht wieder zuzunehmen. Das klingt für mich, ehrlich gesagt, deutlich ungesünder als dick zu sein.

Apropos gesund: Ihr Dicken kostet die Krankenkassen voll viel Geld!

Ich zitiere dafür aus dem sehr guten Buch Dick, doof und arm: Die große Lüge vom Ãœbergewicht und wer von ihr profitiert von Friedrich Schorb: Leicht übergewichtige bzw. adipöse Menschen bis zu einem BMI von 35 haben keine signifikant höheren Krankheitskosten als normalgewichtige (BMI 20–25). Erst die wirklich schweren Menschen kosten Geld. Allerdings auch nicht so viel, wie man vielleicht glaubt: Die Behandlungskosten* dieser Menschen belaufen sich auf 530 Millionen. Hört sich irrwitzig viel an, aber: Die Gesamtkosten im Gesundheitswesen liegen bei 240 Milliarden. Wenn ich richtig gerechnet habe, betragen die Kosten also gut 0,2 Prozent des Gesamtetats. Nebenbei: Der Prozentanteil der Menschen mit einem BMI über 35 liegt bei ungefähr zwei Prozent der deutschen Bevölkerung. Im Klartext: Es gibt längst nicht so viele fette Menschen, wie ihr glaubt, und wir kosten viel weniger, als ihr denkt. Geht’s euch jetzt besser?

(*Wobei noch nicht mal klar definiert ist, welche Krankheiten überhaupt durch Übergewicht entstehen. Auch schlanke Menschen haben hohen Blutdruck, Diabetes und Rückenschmerzen.)

Dicke essen den ganzen Tag Junk Food und trinken Limo dazu!

Ich persönlich tue das nicht, bin aber trotzdem dick. Aber selbst wenn ich mich nur von Fertigpizza und Dr. Pepper ernährte, sollte dir das egal sein. Mir ist es auch egal, ob du den ganzen Tag Salat isst. Es geht dich, mit Verlaub, einen Scheiß an, was ich esse. Genau wie es mich einen Scheiß angeht, was du isst.

„Vielleicht ist der Druck für Übergewichtige noch nicht groß genug.“

Das meinst du nicht ernst, oder?