Bücher Oktober 2014
Bettina Suleiman – Auswilderung
Da bin ich auf die Besprechung in der Zeit reingefallen, denen das Buch sehr gut gefallen hat. Ich fand, es war eine okaye Zuglektüre, die man von Hamburg bis München durchkriegen konnte, auch wenn ich die letzten Seiten nur noch quergelesen habe. Die Grundidee ist allerdings spannend: WissenschaftlerInnen bringen Gorillas Zeichensprache bei, lassen sie bei Menschen leben, die Gorillas ziehen sich irgendwann sogar Kleidung an, weil sie sich ihren ArtgenossInnen anpassen – und scheitern dann kläglich, als sie wieder in die Wildnis versetzt werden sollen, woraufhin das Programm mit den vermenschlichten Tieren irgendwie anders zuende gebracht werden muss.
Marti Perarnau – Herr Guardiola. Das erste Jahr mit Bayern München
Das Ding hat 382 Seiten auf meinem iPad und ich bin nach 150 ausgestiegen. Das ist alles sehr faszinierend, wie nah Perarnau dem Trainerstab und den Spielern kommt, aber irgendwann reichte mir das dann auch, zum zwanzigsten Mal zu lesen, wie genau Guardiola die Videos der Gegner analysiert, dass Müller nie ein Mittelfeldspieler wird und Lahm und Schweinsteiger vor Spielintelligenz nur so triefen.
Dirk von Gehlen – Eine neue Version ist verfügbar. Update: Wie die Digitalisierung Kunst und Kultur verändert
Großartig. Von Gehlen setzt Kunst und Kultur mit Software gleich, die dauernd ein Update bekommt – bekommen muss – und daher stets im Fluss bleibt. Für mein Referat in digitaler Kunstgeschichte, das über Software und Open Source gehen sollte, bohrte ich einige seiner Thesen weiter auf, indem ich sie auf die veränderten Bedingungen für uns KunsthistorikerInnen abklopfte. Ich sprach über verbesserte Recherche- und Publikationsmöglichkeiten, wies aber auch darauf hin, dass die Digitalisierung uns ein bisschen das Hoheitswissen klaut. Wie sind nicht mehr die WächterInnen der Hochkultur, die der arme Pöbel braucht, um ein Werk zu verstehen – wir sind quasi nicht mehr die Compiler, die aus dem Quelltext Kultur eine verständliche Sprache für das Publikum machen; wer heute ins Museum geht, kann immer sein Smartphone zücken und braucht weder Audioguides noch lange Erklärungstafeln. Die Allgegenwart von Smartphones ist natürlich auch eine Chance, aber Museen haben recht lange gebraucht, die digitalen Helferlein zuzulassen. Der Wissenschaft fällt das noch schwerer, denn wo kommen wir denn da hin, wenn die Studis nur noch online recherchieren anstatt sich in der Bibliothek um ein einziges Buchexemplar zu prügeln? Meine Grundthese war: Die digitalen Möglichkeiten sind da und wir wären doof, sie nicht zu nutzen. Unsere Stunde war leider viel zu schnell rum, aber ich erntete eher Widerspruch als Zustimmung, gerade was gemeinsames Arbeiten oder Publizieren anging (Open Source, Open Content, Publish first, filter later usw.). Gerade deswegen fand ich es lustig, dass von Gehlens Buch gemeinschaftsfinanziert war und man ihm beim Schreiben über die Schulter gucken konnte. Und es ist kein Murks geworden, sondern im Gegenteil ein Buch, das den Kopf schön weit aufmacht.
Anne Wizorek – Weil ein Aufschrei nicht reicht: Für einen Feminismus von heute
Da verweise ich extrem faul auf die Rezension meiner Druckeschwärzeschwester Kaltmamsell, denn sie sagt genau das, was ich auch sagen würde.
Tl;dr: Bitte lesen, lohnt sich, ist wichtig, bitte lesen, bitte lesen.
Katharina Greve – Hotel Hades
Wunderbar. Ich bin ja ein gnadenloser Fan von Greve, ich mag alles (wenn ich an Ein Mann geht an die Decke und Patchwork erinnern darf?), und das hier mochte ich besonders. Wir erfahren nämlich, dass das Elysion der VIP-Bereich des Hades ist, in das man nur unter besonderen Umständen reinkommt. Dafür kann man dort ewig Oktoberfest feiern, wenn man will, was ich schon mal sehr hoffnungsvoll finde (ich plane selbstverständlich einen Aufenthalt da oben). Wir sind dabei, als ein Imbissbudenkoch, seine Kundin und deren Liebhaber ermordert werden und nun auf die Bereiche der Nachwelt verteilt werden. Das ganze passiert in den üblichen hervorragenden Greve-Dialogen, die komisch, rührend oder gnadenlos krachig sind. Wie immer ist auch dieses Buch nicht nur lustig und nicht nur traurig und nicht nur zum Nachdenken, sondern alles, und deswegen kriegt es, knapp vor von Gehlen, auch den Stempel „Lieblingsbuch des Monats“.
Okay, die Widmung hat geholfen.
(Leseprobe bei Egmont)
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