Links vom 7. April 2015
The Slow Death of the University
Terry Eagleton schreibt unterhaltsam, aber deprimiert über den Niedergang der Geisteswissenschaften an den englischen Universitäten, wo inzwischen eher Manager*innen statt Dozent*innen gesucht werden:
„Universities, which in Britain have an 800-year history, have traditionally been derided as ivory towers, and there was always some truth in the accusation. Yet the distance they established between themselves and society at large could prove enabling as well as disabling, allowing them to reflect on the values, goals, and interests of a social order too frenetically bound up in its own short-term practical pursuits to be capable of much self-criticism. Across the globe, that critical distance is now being diminished almost to nothing, as the institutions that produced Erasmus and John Milton, Einstein and Monty Python, capitulate to the hard-faced priorities of global capitalism. […]
In the midst of this debacle, it is the humanities above all that are being pushed to the wall. The British state continues to distribute grants to its universities for science, medicine, engineering, and the like, but it has ceased to hand out any significant resources to the arts. It is not out of the question that if this does not change, whole humanities departments will be closed down in the coming years. If English departments survive at all, it may simply be to teach business students the use of the semicolon, which was not quite what Northrop Frye and Lionel Trilling had in mind. […]
As professors are transformed into managers, so students are converted into consumers. Universities fall over one another in an undignified scramble to secure their fees. Once such customers are safely within the gates, there is pressure on their professors not to fail them, and thus risk losing their fees. The general idea is that if the student fails, it is the professor’s fault, rather like a hospital in which every death is laid at the door of the medical staff. One result of this hot pursuit of the student purse is the growth of courses tailored to whatever is currently in fashion among 20-year-olds. In my own discipline of English, that means vampires rather than Victorians, sexuality rather than Shelley, fanzines rather than Foucault, the contemporary world rather than the medieval one. It is thus that deep-seated political and economic forces come to shape syllabuses. Any English department that focused its energies on Anglo-Saxon literature or the 18th century would be cutting its own throat.
Hungry for their fees, some British universities are now allowing students with undistinguished undergraduate degrees to proceed to graduate courses, while overseas students (who are generally forced to pay through the nose) may find themselves beginning a doctorate in English with an uncertain command of the language. Having long despised creative writing as a vulgar American pursuit, English departments are now desperate to hire some minor novelist or failing poet in order to attract the scribbling hordes of potential Pynchons, ripping off their fees in full, cynical knowledge that the chances of getting one’s first novel or volume of poetry past a London publisher are probably less than the chances of awakening to discover that you have been turned into a giant beetle. […]
What if the value of the humanities lies not in the way they conform to such dominant notions, but in the fact that they don’t? There is no value in integration as such. In premodern times, artists were more thoroughly integrated into society at large than they have been in the modern era, but part of what that meant was that they were quite often ideologues, agents of political power, mouthpieces for the status quo. The modern artist, by contrast, has no such secure niche in the social order, but it is precisely on this account that he or she refuses to take its pieties for granted.“
(via mediumflows FB)
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„Volkskultur“ und „Popkultur“ oder: das Vergnügen an Widersetzlichkeit
Dietlind Hüchtker vergleicht Volkskultur, wie zum Beispiel Karneval und Räubergeschichten, mit der deutlich jüngeren Popkultur:
„Volkskultur und Popkultur beziehen sich auf historische Zeiten, die sich in ganz zentralen Aspekten unterscheiden: in den Kommunikationsweisen und technischen Möglichkeiten, ökonomischen Strukturen, Lebensstandards und Wissenssystemen. Bei der Beschäftigung mit frühneuzeitlicher Volkskultur gilt es, die langen Kommunikationswege zu beachten, die einen geringeren Vergesellschaftungsgrad bedeuteten, geringere Verflechtung und geringere Integration. Daraus ergaben sich Spielräume für lokale Welten, deren Potenz und Eigenlogik die Grundlage für die Deutung als Gegenwelten darstellen. Popkultur hingegen beruht auf globalen Konsummöglichkeiten und der Technisierung des Alltags, auf schneller Kommunikation, die Jugend als distinkten Lebensstil überhaupt erst ermöglicht und die Kommerzialisierung aller Lebensbereiche vorantreibt. In dieser Hinsicht erscheint Popkultur eher als Subkultur, denn als Gegenwelt, das heißt, eher als Affirmation vorherrschender Bedingungen, denn als deren radikale und grundsätzliche Ablehnung, auch wenn Normen und Regeln infrage gestellt werden.“
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umstandslos, das Magazin für feministische Mutterschaft, schreibt in seiner neuen Ausgabe über kinderlose Frauen. Hier geht’s zum Editorial. Darin wird auf ein eBook von Sonja Schiff aufmerksam gemacht: Vom Älterwerden und generativen Verhalten kinderloser Frauen:
„Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel, Einblicke zu erhalten in das Älterwerden kinderloser Frauen. Es wird der Frage nachgegangen, ob die Entstehung der Kinderlosigkeit auf den Alternsprozess wirkt und ob kinderlose Frauen auch generativ tätig sind. Dabei wurde auf mögliche Unterschiede zwischen gewollt und ungewollt kinderlosen Frauen geachtet. […]
Die Ergebnisse zeigen, dass der Weg zur Kinderlosigkeit als Schlüsselprozess im Leben kinderloser Frauen zu betrachten ist. Eine bewusste Entscheidung für ein Leben ohne Kind beeinflusst den biographischen Verlauf und das Älterwerden der Frau positiv. Gewollt kinderlose Frauen erleben in der retrospektiven Betrachtung kaum Wehmut, sie haben einen positiveren Blick auf ihr Altern und klarere Pläne für den Fall von Pflegebedürftigkeit. Unabhängig ob gewollt oder ungewollt kinderlos, sind Frauen ohne Kinder im Alter wirtschaftlich abgesichert, wissen um ihr Risiko im hohen Alter alleine zu sein und legen großen Wert auf ihre Selbständigkeit. Sie haben Kontakte zu Jüngeren und bringen sich in vielfältiger Weise, bis hin zu materiellem Transfer, für jüngere Generationen ein.“
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In diesem Zusammenhang ein Artikel von Esther Göbel in der SZ über Mütter, die in der Rückschau lieber keine geworden wären:
„Die Wissenschaftlerin untersucht ein Phänomen, das sie “regretting motherhood” nennt. Ãœbersetzt heißt das so viel wie “die Mutterschaft bereuen”. Donath widmet sich in ihrer Forschung Frauen, die bewusst Mutter geworden sind und von sich sagen, sie liebten ihr Kind oder ihre Kinder – die sich gleichzeitig aber in ihrer Mutterrolle so unglücklich fühlen, dass sie den Schritt, ein Kind bekommen zu haben, zutiefst bereuen. Nicht nur in den ersten schwierigen Wochen und Monaten nach der Geburt, sondern nachhaltig, bis in das Erwachsenenalter der Kinder hinein. Und zwar so sehr, dass sie die Geburt ihrer Kinder rückgängig machen würden, wenn sie nur könnten.
Mit dieser Forschung steht Donath allein auf weiter Flur: Das Phänomen wird wissenschaftlich kaum untersucht. In der Entwicklungspsychologie beispielsweise wird eher zum Thema pränatale Angst oder postnatale Depression von Frauen geforscht. Auch in der Soziologie und der Anthropologie hat man die bereute Mutterschaft nie groß verfolgt. Langzeitstudien und quantitative Untersuchungen fehlen bisher. […]
Erst im Zuge der industriellen Revolution ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ergab sich die Rollenaufteilung zwischen beiden Geschlechtern, da erstmals der Arbeitsplatz und der private Raum zu Hause auseinanderfielen. Wo vorher Vater und Mutter gemeinsam die Arbeit auf dem Feld bestellt und die Kinder mitgenommen hatten, blieb die Frau nun allein mit den Kindern zurück, während der Mann jeden Tag seinen Gang in die Fabrik antrat. Die Frau wurde zur Haupterziehungsperson.
Das romantische Mutterbild, wie es heute noch immer in den Köpfen festsitzt, bekam unter den Nationalsozialisten weiter Vortrieb: Gebären und Kinder großziehen für den Führer, im Dienste der arischen Rasse – darin sollte sich das Potenzial einer jeden Frau erschöpfen. Dafür bekam sie Respekt. In der Nachkriegszeit seit den Fünfzigerjahren wurde dann das Private verklärt, “ein Rückzug in die eigenen vier Wände”, sagt Christina Mundlos. Auch in dieser Zeit hatte die Frau vor allem eines zu sein: Mutter.“