Tagebuch 17. September 2015 – Zwischenstopp
Ich hatte morgens einen Termin bei meiner Hausärztin, der eigentlich nur ein normaler Kontrollbesuch werden sollte, dann aber etwas ausartete. Plötzlich war die Rede von Krankheiten, die ich ganz dringend nicht haben wollte, und mir wurde Blut abgenommen, was bis auf meine unsichtbaren Venen nicht so schlimm ist, aber danach ist mein Kreislauf gerne memmig, und so war es auch gestern. Zur körperlichen Schlappheit kam die Nervosität durch die medizinischen Vermutungen, die Traurigkeit darüber, dass F. gerade nicht da ist, um mich mit sonorer Stimme zu beruhigen, und als ich eh schon angeknockt auf dem Sofa lag, kam alles hoch, wozu ich in den letzten Tagen keine Zeit hatte, weil ich schließlich ein Bücherregal zu befüllen hatte.
Ich war schon beim Kisteneinpacken in der letzten Woche nah am Wasser. Beim Umzug habe ich in Etappen den ganzen Montag verheult – morgens beim Abschied vom Kerl, vormittags während die Umzugsjungs das Wohnzimmer leerräumten, nachmittags auf dem Weg zum Flughafen Hamburg, abends in der S-Bahn vom Flughafen in Richtung Maxvorstadt und dann nochmal spätabends bei F., als ich endlich zur Ruhe gekommen war. Es war ein Abschied auf Raten, denn der Kerl und ich haben uns schließlich schon im März getrennt und ich unternahm mehrere Versuche, einen Strich unter Hamburg zu kriegen, aber erst in dem Moment, wo der Möbellaster unten stand, wurde mir so richtig klar, dass es das jetzt war.
Dienstag überwog dann die Vorfreude darauf, dass endlich mein ganzes persönliches Zeug in München ankommt. Die Münchner Wohnung hat sich nie so richtig wie ein Zuhause angefühlt, sondern immer wie ein Ferien-Appartement. Auch, weil mein Studium mir wie Ferien vorkommt (ich schrieb darüber). Jetzt packte ich meine Lieblingsvasen aus, meine Lieblingskaffeetasse, die Knoblauch- und die Zitronenpresse, die ich in Hamburg in viel tolleren Versionen hatte als hier, weswegen ich endlich die M-Versionen wegschmeißen konnte, die Zweierbettwäsche (ich hatte nach M nur Singleversionen mitgenommen) und eben meine ganzen Bücher.
Da mir das Wohlfühlen in der eigenen Wohnung sehr wichtig ist, begann ich direkt nach dem Ausladen durch die Jungs, Regale aufzubauen und sie einzuräumen. Innerhalb von anderthalb Tagen waren alle Kisten leer und mein Wohn-/Schlafzimmer sieht bis auf winzige Details schon so aus, wie ich es haben will. Ich habe es Mittwochabend sehr genossen, alleine auf meiner Riesencouch zu lümmeln, eine Flasche Le 7 zu leeren und mich rundum zuhause zu fühlen. Ja, Küche und Bad sehen noch sehr chaotisch aus, aber ich habe schon eine kleine Oase aus Büchern und gemütlichen Sitzgelegenheiten. Mehr brauche ich eigentlich gar nicht.
Den Schwung vom Dienstag und Mittwoch wollte ich gestern eigentlich mitnehmen, um den Rest der Wohnung fertigzukriegen. Nach dem Arzttermin reichte es aber nur noch zum Gang in den Feinkost- und in den Blumenladen, denn gutes Essen und Blumen retten immer den Tag. Das hat gestern nicht ganz funktioniert. Ich konnte und irgendwann wollte ich mich nicht mehr aufraffen. Ich wollte nur hier liegen und an die Decke gucken. Nicht an Hamburg denken, nicht an den Kerl, nicht an F., der meinen Trennungsschmerz uneifersüchtig und liebevoll begleitet, dann doch an F., weil ich mich gerne in ihn verkrochen hätte, nicht an die noch fehlende Studienplatzzusage und vor allen Dingen nicht an die wilden Vermutungen meiner Ärztin. Nicht mal ein paar Folgen Friends konnten mich aufheitern; die Serie steckt leider doch voller schlimmer Geschlechterklischees, was mir erst mit dem Abstand von 20 Jahren (und viel Internetlektüre) klargeworden ist.
Ich habe den Tag schließlich verstreichen lassen. Mir noch das gute Essen gegönnt, Fußball geguckt und darauf gewartet, dass der Tag einfach vorbeigeht.