Tagebuch Freitag, 6. November – Bilbao/Peking/München

Im Iconic-Architecture-Kurs hörten wir das erste Referat: Es beschäftigte sich mit der Baugeschichte und der Architektur des Guggenheim Bilbao von Frank Gehry. Eine Schwierigkeit für die Referentin war, wie sie charmant zugab, die Objektbeschreibung. Das ist ja unsere Hauptbeschäftigung als Kunsthistoriker*innen: Erstmal sagen, worum’s überhaupt geht und zwar so genau wie nötig. Das ist bei Barockkirchen zwar viel Arbeit, weil so viel Zeug an ihnen dran ist, aber wir haben Vokabeln gelernt, mit denen wir die einzelnen Bauteile beschreiben können. Bei einem modernen Gebäude wird das schon schwieriger und bei einem, das gefühlt keiner klaren Form folgt, noch mehr.

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Guggenheim-bilbao-jan05” by User:MykReeve on 14 January, 2005. – Own work. Licensed under CC BY-SA 3.0 via Commons.

Die Referentin nahm sich also eine Seite nach der anderen vor bzw. ging mit uns einmal ums Gebäude rum. Auf dieser Seite kann man die ersten Skizzen von Gehry sehen, einen computergenerierten Aufriss und herrliche Aufnahmen der Skelettbauweise. Auf der Guggenheim-Seite sieht man ebenfalls ein Bild aus der Bauzeit; ein ähnliches sahen wir gestern im Kurs und stellten fest: Die Säule, die heute das Dach über der Terrasse an der Nordseite (das ist die Seite zum Wasser hin) stützt, fehlt hier. War sie überhaupt nötig? Steht sie da heute nur, weil das Dach vielleicht doch so aussah, als könnte es eine Stütze vertragen, auch wenn es anscheinend auch ohne hielt? Wir waren uns einig, dass das Gebäude ohne Säule besser ausgesehen hätte, aber das ist natürlich Jammern auf hohem Niveau.

Ich erwähnte bereits, dass ich wirklich kein Gehry-Fan bin, aber das Guggenheim Bilbao finde ich wunderschön. Ich mag allerdings nur die langgezogene Nordfassade. Die Südfassade – das ist die, wo die meisten Menschen reingehen, denn die Seite zeigt zur Innenstadt von Bilbao – ist mir schon wieder zu zerfasert, obwohl Jeff Koons’ Puppy natürlich viel wieder wettmacht. Die Ost- und Westseite sind fast zu vernachlässigen, sie bestehen viel mehr aus dem beigefarbenen Sandstein als aus den titanfarbenen Kacheln, die das Gebäude für mich so hinreißend machen. Seit ich Louise Bourgeois im Haus der Kunst gesehen habe, macht mir auch die neun Meter hohe Maman keine Angst mehr, die nördlich steht. Das dritte Kunstwerk am Museum kannte ich nicht, das ist die Nebelskulptur Fog von Fujiko Nakaya, die laut Referentin einmal pro Stunde inszeniert wird.

Wir sprachen auch darüber, welche Assoziationen das Gebäude weckt. Genannt wurden Schiffsbug, Fischhaut, ein gestrandeter Wal, eine Rosenknospe (für das Gebilde oberhalb der überdachten Terrasse mit der ollen Säule). Ich hatte ausnahmsweise mal keine gegenständlichen Assoziationen; mich fasziniert bei dem Gebäude, dass es die Erde und den Himmel durch den Sandstein und die reflektierende Hülle übernimmt.

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Birds Nest at Night” by chumsdock cheng – originally posted to Flickr as Birds’ Nest at Night. Licensed under CC BY-SA 2.0 via Commons.

Nach der Uni fuhr ich ins Zentralinstitut für Kunstgeschichte, um weiter über Anselm Kiefer zu lesen. Ich fand auch einige sehr gute Texte, war aber irgendwie hibbelig, jetzt doch erstmals genauer über das Gebäude zu lesen, über das ich Anfang Dezember referieren werde: das Nationalstadion in Peking von Herzog & de Meuron (die auch die Allianz-Arena gebaut haben). Praktischerweise haben die Jungs auf ihrer Website schon eine Auswahlbibliografie und auch die technischen Daten, die ich brauche. Trotzdem suchte ich noch weitere Literatur, fand (natürlich) welche und bestaunte eine Stunde lang die unglaubliche Fassade des Stadions. Auf der Website der Mitentwickler (ich glaube, die haben die Statik berechnet) sieht man ganz klein den Umgang, also den begehbaren Zwischenraum zwischen der Fassadenstruktur und dem eigentlichen Baukörper. Darauf bin ich jetzt doch sehr neidisch, denn bei der Allianz-Arena ist das Außen total hui und wird auch nie langweilig, weswegen ich bei jedem Besuch die rote Außenhülle instagramme, aber von innen ist das Ding fürchterlich banal und eher pfui. Zweckmäßig halt. Trotzdem. Mpf. In einem Artikel fand ich ein etwas größeres Bild, auf dem der Fußboden des Umgangs zu sehen war – das war ein Steinfußboden! So mit Mustern! China hat dafür Geld, aber beim FC Bayern latschen wir auf grobem Asphalt oder Beton. Ich bin verstimmt.

Edit: Ein freundlicher Leser, der gerade vor zwei Wochen in Peking war, schreibt mir: „Der Boden des Stadions ist nicht aus Stein, sondern Beton. In den frischen Beton (farbig!) hat man ein Relief gedrueckt und so aushaerten lassen. So kommt die Struktur auf die Oberflaeche.“

(Danke für die Korrektur. Aber immer noch mpf wegen schmuckloser Allianz-Arena.)

Beim Googeln nach Bildern für diesen Blogeintrag bin ich auf diese 45-minütige Doku von National Geographic gestoßen, die ich noch anschauen will. In diesem Zusammenhang: Hat irgendjemand diesen Film auf DVD?

Nachdem ich in den letzten Wochen und Monaten alle Friends-Folgen nochmal geguckt habe, hatte ich Lust auf eine weitere alte Serie, möglichst eine, die ich noch nicht mitsprechen kann. Also fragte ich das allwissende Twitter-Orakel nach irgendwas in Richtung Gilmore Girls – fluffig, unanstrengend, darf gerne rumkitschen. Die folgenden Tipps dienen mir zur Gedächtnisstütze, damit ich in sechs Wochen nicht noch mal fragen muss: Everwood (gestern erste Folge geguckt, gefällt sehr!), Bunheads (die hatte ich schon mal angefangen, aber so richtig warm bin ich nicht mit ihnen geworden. Es schwärmen aber quasi alle davon, also werde ich der einen Staffel wohl noch eine Chance geben), Men in Trees, Cedar Cove, The Astronaut’s Wives Club, Chasing Life, Being Erica und Heartland. Alle anderen Tipps kannte ich schon. Danke fürs Mitspielen!

Abends kam F. vorbei und wie immer, wenn wir „nur noch ein kleines Gläschen“ trinken wollen, ist eine Flasche leer. Aber dafür sind die Flaschen ja da. Gestern gab es diesen äußerst schmackhaften Blaufränkisch.