Tagebuch Mittwoch, 18. November 2015 – Teamscheiß
Den Morgen mit viel Kaffee im Bett verbracht und gelesen. Genossen, dass mein (unser) Referat steht, mich auf die Uni gefreut. Um 12 das Lieblingsseminar besucht und knurrend bemerkt, dass mein Referatmitstreiter nicht da war, mit dem ich verabredet war, um alles festzuzurren. Wir müssen nächsten Mittwoch unser Handout abgeben und in zwei Wochen das Referat halten und ich habe noch nichts von ihm gesehen; meinen Kram hatte ich ihm gestern abend zugemailt. Innerlich habe ich mich gefreut, dass ich vielleicht alleine vor dem Kurs sitzen werde, auch wenn das natürlich total unkameradschaftlich ist. (Whatever.)
Nach dem Kurs zur Packstation gefahren, wo überraschend schnell ein Paket voller Schokolade und Patisseriezeug auf mich wartete. Gleich mal drei Ganaches angerührt, die jetzt über Nacht aromatisieren. Zu viel vom hellen Nougat genascht, da musste schnell ein Konterkäsebrot her.
Abends dann eine Mail vom Mitstreiter: Kein Kommentar zu meinem Teil, er würde den jetzt aber mit seinem ergänzen und mir das bis Dienstag schicken. (Also am Tag, bevor wir das Handout abgeben müssen.) Heißt für mich: Er hat meinen Kram nicht gelesen und quasi noch nix gemacht. Was mir egal ist, weil ich mit meinem Teil glücklich bin, aber das Problem ist: Es ist eben nicht nur mein Teil, sondern das ganze Referat.
Wir hatten das bei unserer leider einzigen Besprechung aufgeteilt: Er die Mythologie, ich dann die Bilder. Ich habe aber beim Ausarbeiten gemerkt, dass die Aufteilung Quatsch ist, weil ich die Bilder natürlich nicht besprechen kann, wenn ich nicht über die Mythologie, die ihnen zugrunde liegt, Bescheid weiß. Also habe ich mir den Kram auch angelesen – muss ich für die Hausarbeit ja eh und wissen will ich’s sowieso – und dann eben das ganze Referat gemacht. Natürlich brauche ich noch seinen Input, gerade über den Nicht-Wagner’schen Parzifal weiß ich quasi nichts und über die Nibelungen nur das, was mir ein einziges Buch und die Wikipedia verraten haben (was in meinen Augen nichts ist). Aber seine Mail klang jetzt so, als wollte er zu meinen (vorgestern probegestoppten) 23 Minuten noch 10 Minuten über deutsche Sagen und Epen des Mittelalters reden, und das braucht in einem kunstgeschichtlichen Seminar über die Bundesrepublik und die DDR ab den 1960er Jahren wirklich niemand.
Ich hoffe, ich habe das halbwegs nett in meiner Mail formuliert (habe noch keine Antwort) und ich ahne, dass er sich komplett überfahren fühlt. Wieder ein Lernprozess: Wie macht man gemeinsam ein Referat? Das hätten wir wahrscheinlich schlauer anfangen können.
Und noch eine Erkenntnis, die allerdings nicht mehr ganz neu für mich ist: Ich bin kein Teamplayer und ich werde anscheinend auch keiner mehr. Ich mache meinen Kram lieber alleine. Das war der Teil, den ich am Texterinnenjob am liebsten hatte: in meiner Ecke sitzen und schreiben, schreiben, schreiben. Das gemeinsame Konzipieren war die Pflicht, das einsame Ausformulieren die geliebte Kür. Vermutlich genieße ich es deshalb so, in Bibliotheken oder am Rechner zuhause zwischen Bücherbergen zu sitzen: Ich kann einfach alleine vor mich hinschreiben.
Im letzten Semester wurde mir von mehreren Seiten beigebracht, dass die Wissenschaft ein Gemeinschaftssport ist, dass man netzwerken muss, Kontakte knüpfen blablabla. Dann wird aus mir wohl keine Wissenschaftlerin werden. Das ahnte ich auch schon länger, weil keine einzige Bewerbung (auch die nach Dozierendeneinladungen) auf eine Hiwi-Stelle was ergeben hat. Da es mit meiner fachlichen Qualifikation nicht zusammenhängen kann (wir erinnern uns: Ich gehöre zu den besten zehn Prozent meines Abschlussjahrgangs), wird es wohl das doofe Alter sein, das mich rauskickt, und das kann ich den Profs nicht mal richtig übelnehmen. Ich glaube, ein Hiwi-Job ist der Start in eine wissenschaftliche Karriere, und die dürfte für mich eher ein Fantasiegebilde sein. Wenn ich den Master nach der Regelstudienzeit in der Tasche habe, bin ich 48, wenn ich mir dann noch eine Promotion gönne, mindestens 51, 52, keine Ahnung, wie lange man da pi mal Daumen für rechnet. Das ist dann doch ein großer Unterschied zu meinen Kommiliton*innen, die, wenn sie Glück haben oder richtig gut sind, noch in ihren 20ern promovieren und damit noch viel Zeit haben, die Unileiter raufzuklettern. Die Zeit habe ich schlicht nicht mehr.
Aber gut. Ich bin ja eh kein Teamplayer. Dann studiere ich halt weiter leicht deprimiert alleine vor mich hin, mache mein Ding, freue mich über meine Noten, die eben meine sind und nicht unsere, und gehe mit 50 wieder in die Werbung.
Haha.