Tagebuch Freitag, 27. November 2015 – Don’t cry, work
Ein doppeltes Dankeschön an Jakob, der mich gleich mit zwei Büchern beglückte. Auch wenn ich dafür eine halbe Stunde in der Postschlange stehen musste, denn die Packstation war voll. Aber ich hatte ein Smartphone und natürlich ein Buch dabei, insofern war das okay. Auch komisch, ein Buch dabeizuhaben, wenn man welche abholt. Also ich wusste natürlich nicht, ob im Päckchen Bücher sind, aber wenn irgendwas überraschend in meiner Packstation (oder sonstwo) landet, sind es eben meist Bücher.
Anyway.
(Meine Wortlosigkeit der letzten Tage wird anscheinend gerade mit Stream-of-consciousness-Tippen gekontert.)
Anyway.
Das erste Buch ist Nüchtern von Daniel Schreiber, der von seiner Alkoholerkrankung berichtet. Ich habe ein bisschen Angst davor, dass ich nach dem Buch keinen Wein mehr trinken will, aber das keine-Tiere-mehr-Essen nach der Lektüre von Foer hat sich auch wieder gelegt.
Das zweite Buch ist Jonathan Franzens Purity. Ja, ich weiß, eigentlich sollte man von dem ollen konservativen Knochen nix mehr lesen, aber was soll ich sagen? Ich mag seine Bücher. Bei seinen Interviews komme ich zwar aus dem Augenrollen nicht mehr raus, aber gerade Freedom fand ich großartig, The Corrections eh, und ich meine, hey, ich hab sogar sein blödes Vögelbeobachtenbuch gelesen. Daher landete natürlich auch Purity auf dem Wunschzettel und dann in der Packstation (oder sonstwo).
Ich kam auch gerade vom Lesen zur Post, insofern war das ein thematisch gelungener Tag gestern.
Ich habe in diesem Semester eindeutig zu wenig Unistunden, um mich aus meinem traurigen Loch zu ziehen. Wenn ich an vielen Fronten und mit mir selber kämpfe, hilft es, wenn mich irgendwas ablenkt. Leider kann ich mich selbst nicht immer ablenken, wie ich in den letzten Tagen gemerkt habe, als ich sinnlos vor den Büchern und dem Rechner saß und keine zwei guten Zeilen getippt habe. Das kenne ich noch aus der Werbung; wenn nichts geht, kann ich auch nicht gut schreiben.
Aber ich kann prima zuhören. Und so rettete mich gestern mal wieder ein Seminar, für das ich nur auflaufen musste. Und als ich da war, kam von ganz alleine die Faszination für mein Fach und meine Aufgabe, das Referat war spannend, die Anstöße des Dozenten ja eh, und deswegen war der Tag deutlich besser als die letzten beiden, was mich sehr gefreut hat. Vielleicht sollte ich in meiner derzeitigen Hader-Phase nicht zuhause hadern, sondern mich einfach in die Uni setzen, in irgendeine Vorlesung, gibt ja immer welche. Ein Plan, meine Damen und Herren!
Nach dem Iconic-Architecture-Seminar, in dem wir über Hochhäuser (mindestens fünf Stockwerke) und Wolkenkratzer (ab ungefähr 150 Meter Höhe) sprachen, radelte ich zum Zentralinstitut für Kunstgeschichte und las weiter über das Nationalstation in Peking. Das Blöde an dem Thema ist allerdings, dass ich nicht lesen, sondern dauernd Bilder angucken will, weil das Ding so wunderwunderschön* ist. Ich will zwar in Kunstgeschichte immer Bilder angucken, aber so dringend hatte ich das, glaube ich, seit dem ersten Semester nicht mehr, wo ich mich in den ganzen Memlings und van der Weydens verlor und noch gar nicht fassen konnte, dass ich das jetzt noch länger machen werde.
Anyway.
Vielen Dank für das Geschenk, ich habe mich sehr gefreut.
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Weil der Tag (für mich etwas überraschend) eh schon gut war, gab’s auch noch gutes Essen, für das ich mir beim Kochen anständig Zeit nahm und danach auch nicht in Schlumpfhose auf dem Sofa rumlungerte, sondern in vorzeigbaren Klamotten am Tisch saß.
Den Boden vom Rosenkohl entfernen, die kleinen Racker von oben nach unten halbieren, scharf anbraten und am besten noch zwei, drei Knoblauchzehen, angeknackt, mit ins Öl werfen. In Ruhe dunkel werden lassen, einmal wenden, auch die andere Seite schön bräunen, fertig. Hat rein gar nichts mit dem matschigen Gemüse zu tun, als das ich als Kind Rosenkohl kennengelernt habe.
Dazu gab’s Kartoffelbrei mit Sahne statt mit Milch wie alltags und ein Hühnchen, das ich nicht fix kleinschnitt und hardcore blitzbriet, weil’s so schön schnell geht, sondern dass ich brav laaaangsaaaam vor sich hinschmurgeln ließ, immer schön mit Butter und Bratensaft begießen, schließlich noch ne Runde im Ofen nachgaren, wie sich’s gehört, denn wir haben ja Zeit.
Danach noch einen Espresso – und sicherheitshalber einen Haselnussgeist, bevor ich mit Nüchtern anfange.
(Ich glaube, mein Tisch steht schief.)
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* Die Außenbeleuchtung! Jedesmal, wenn ich in der Allianz-Arena bin, ärgere ich mich über die unförmigen Lichtballons von der U-Bahn auf dem Weg zur Arena, die so gar nichts mit dem Stadion zu tun haben und längst nicht so schick aussehen wie hier. Es geht anscheinend auch anders.