Bowling for Columbine
Bowling For Columbine (2002)
Drehbuch: Michael Moore
Kamera: Brian Danitz, Michael McDonough
Regie: Michael Moore
Ich habe schon in vielen Weblogs gelesen, wie berührt die Leute waren, als sie aus Bowling For Columbine gekommen sind.
Hm.
Ich war, ehrlich gesagt, total angepisst, als ich aus dem Kino kam. Ich muss den Inhalt dieses Dokumentarfilms (ich wollte das offizielle Genre nur noch mal erwähnen) wohl nicht mehr wiedergeben. Jeder weiß inzwischen, dass Michael Moore, der Regisseur des Films, sich gegen den freien Verkauf von Schusswaffen und Munition einsetzt. Gute Sache, keine Frage. Und dass Michael Moore jeden, der meint, dass Waffen vielleicht doch nicht so blöd sind, für einen weltfremden Trottel hält, wird auch ziemlich deutlich, vor allem zum Schluss, als er sich mit Charlton Heston, dem Vorsitzenden der National Rifle Association (NRA) unterhält. Beziehungsweise ihm ständig ins Wort fällt, wie Moore das sowieso den ganzen Film lang mit seinen Interviewpartnern macht, weil er gar keine Lust auf eine Auseinandersetzung hat, sondern nur seinen Punkt machen will.
Das, was mich so dermaßen genervt hat, ist, dass das gute Anliegen des Films völlig untergeht in entweder einer emotionalen Soße aus Zeitlupenbildern, pathetischen Gesten und A Wonderful World im Hintergrund oder einer generellen Abrechnung mit dem politischen System Amerikas, seiner Gesetzgebung, seiner Nachrichtensender, seiner Bewohner.
Moore beginnt gleich mit den klischeemäßigen Rednecks, die im wahren Leben Immobilienmakler sind, aber trotzdem eine geladene .44er unter dem Kopfkissen haben. Genau, wie wir es sehen wollen. Dann kommen die erschütternden Bilder aus der Columbine High School, die von der Überwachungskamera während des Massakers aufgenommen wurden. Gute Sache, hätte Moore nicht noch einen dramatischen Score unter die Bilder gelegt, damit auch der Depp in der letzten Reihe im Kino kapiert, dass hier gerade etwas ganz Furchtbares abgeht. Im Folgenden sehen wir lustige Montagen, die die generelle Waffenverrücktheit der Amerikaner belegen sollen, viele unattraktive Menschen, denen praktisch „High School Dropout“ auf der Stirn steht, und die uns erzählen, dass sie echt gerne Waffen tragen oder zuhause Napalm herstellen, und ein paar Jugendliche aus Kanada, die schuleschwänzend bei Taco Bell rumlungern und uns, quasi in Vertretung für ganz Kanada, berichten, dass bei ihnen im hohen Norden alles ganz anders ist.
Ja, mag ja alles sein. Aber wieso, verdammt nochmal, greift Moore auf so völlig nutzlose Aussagen, die niemals repräsentativ sein können, und auf billige Taschenspielertricks zurück, wenn sein Anliegen doch ein gutes und wahres ist? Wieso muss er eben A Wonderful World unter die Auflistung der amerikanischen Sünden der Vergangenheit packen, um uns ein fassungloses Tränchen abzuringen? Wieso muss er – Gipfel der Peinlichkeit – das Bild eines getöteten Mädchens theatralisch bei Charlton Heston liegen lassen, damit der alte Mann sich vielleicht doch noch besinnt? Wieso verdammt er zuerst alle amerikanischen Medien in Grund und Boden, um sie dann ganz selbstlos für seine Mission „Keine Munition bei K-Mart“ einzuspannen? Wieso hat er das nötig, wo er seinen Punkt doch bereits nach wenigen Filmminuten klar gemacht hat? Waffen töten unschuldige Menschen, nirgendwo mehr als in Amerika, was als Konsequenz bedeutet: Schaffen wir das 2. Amendment ab, und wir haben eine Menge weniger Probleme. Darum geht’s, und das hab ich auch kapiert. Dafür muss ich nicht noch den Rundumschlag über den unterschwelligen Rassismus haben, die verfehlte Sozialpolitik, den Zeigefinger auf die Rüstungsindustrie und die Heiligsprechung von Marilyn Manson. Meine Güte.
Von einem Dokumentarfilm erwarte ich, dass er mir die Chance gibt, mir selber eine Meinung zu bilden. Natürlich wird jeder Regisseur mich in die Richtung kriegen, in die er mich haben will – dafür sorgt schon seine Bildauswahl und welche Fakten er mir präsentiert. Aber selbst wenn ich vorher weiß, aha, dieser Film ist gegen freie Waffenverkäufe, dieser Film ist gegen Rechsradikalität, dieser Film ist gegen den Grünen Punkt, möchte ich wenigstens das Gefühl haben, dass mir ein paar Widerworte präsentiert werden. Und das abschließende Urteil würde ich gerne selber fällen.
Ich habe vor einiger Zeit mal einen Dokumentarfilm, der seinen Namen auch verdient und nicht in billige Polemik abrutscht, gegen die Todesstrafe gesehen. Er heißt A Hanging und besteht nur aus Interviews. Mit den Eltern der zwei jugendlichen Opfer, mit dem Bruder des Mörders, mit den Gefängniswärtern, die den Täter schließlich hinrichten. Nur Interviews. Keine wackelige Kamara, keine Musik, nur die eindringlichen Worte aller Beteiligten. Bei diesem Film habe ich Rotz und Wasser geheult, weil er ehrlich war, weil er mich sehr berührt hat und weil er mich nicht manipuliert hat, wie Bowling For Columbine das meiner Meinung nach ganz widerlich gemacht hat. Es geht also. Ich brauche den ganzen buntbildrigen Overkill nicht, den Michael Moore mir anbietet. Ich brauche nur die Fakten, und die hatte ich bereits nach ein paar Minuten.
Und was ich nebenbei auch nicht brauche, ist das abfällige deutsche Gutmenschengelächter in den Reihen hinter mit über die ach so doofen Amis. Ihr wollt auch keine Schwarzen neben euch in der Wohnung haben, ihr wollt auch nur ganz banal euer kleines Leben leben, und wenn ihr könntet, würdet ihr euch auch eine Knarre unters Bett legen, damit euch niemand den Fernseher klaut. Jede Wette. Also haltet die Klappe.
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Anke am 13. March 2005