Tagebuch, Samstag/Sonntag, 30. April/1. Mai – Wellental
Hochmotiviert vom Freitag ins Bett gegangen, den Schwung noch zum samstäglichen Einkauf genutzt – und dann versackt.
Wochenende ist manchmal noch anstrengend, weil ich jahrelang den Rhythmus verinnerlicht hatte „Montag bis Freitag sehe ich Kai morgens und abends, aber am Wochenende sehe ich ihn den ganzen Tag, yay!“ Dann wurde Wochenende zum Zwei-Tage-Urlaub in Hamburg, was sich nach zwei Jahren nicht mehr so entspannt anfühlte wie am Anfang, weil ich immer öfter das Gefühl hatte, aus meinem Hauptleben rausgerissen zu werden, von meinem Schreibtisch weg, aus meiner Stadt, um in eine andere Stadt zu fliegen, die mir nicht mehr am Herzen lag und um eine Beziehung zu retten, von der wir beide ahnten, dass sie nicht mehr zu retten war.
Mit ein bisschen Abstand weiß ich, dass das Ende der Beziehung nicht dadurch kam, weil wir uns plötzlich doof fanden (das ist auch immer noch nicht so), sondern weil wir beide sehr unterschiedliche Vorstellungen von unseren nächsten fünf oder zehn Lebensjahren hatten. Diese beiden Vorstellungen passten schlicht nicht zusammen, und deswegen passten wir schlicht nicht mehr zusammen.
Das ist meinem Kopf auch alles klar, aber manchmal vermisst der Bauch noch dieses wohlig-heimelige Gefühl der Gewohnheit, weil die Wochenenden bei uns meist recht gleich aussahen, was ich immer sehr mochte. Ich musste nicht über meinen Tag nachdenken, weil jeder Tag gleich war; Montags bis Freitags Agentur, Wochenende mit Kai, fertig.
Inzwischen ist jeder Tag bei mir anders und er ändert sich alle sechs Monate wieder. Gerade wenn ich einen festen Ablauf verinnerlicht habe – und ich muss zugeben, ich mag feste Tagesabläufe –, bastele ich mir einen neuen Stundenplan, und alles ist anders. Die Referate liegen in jedem Semester anders, so dass sich auch die Arbeitsbelastung immer anders verteilt. Ich kann keine Routine entwickeln, weil das schlicht nicht vorgesehen ist.
Manchmal erwischt mich die Sehnsucht nach der Routine noch. Manchmal denkt mein Bauch, er ist in Hamburg, wir gucken gleich gemeinsam Fußball und du verdienst einen Arschvoll Geld, bis ihm auffällt, nein, du bist in München, lebst größtenteils von deinen Ersparnissen und müsstest echt mal diese 15 Bücher auf deinem Schreibtisch durcharbeiten. Eigentlich macht er das ja gerne, aber gestern und vorgestern wollte er nicht. Ich habe gerade drei Aufsätze geschafft, und ansonsten habe ich meinen Kopf damit beruhigt, dass mein Unterbewusstsein weiterarbeitet, während der Rest von uns auf dem Sofa liegt und alte West-Wing-Folgen guckt.
Die Grundtraurigkeit konnte das aber auch nicht vertreiben. Gut, dass heute Montag ist. Montags habe ich keine Zeit mehr für Wochenendgefühle.