Was schön war, Donnerstag, 9. Juni 2016 – Nazikunst, 19. Jahrhundert, Küchen-
architektur

Quasi mitten in der Nacht (7 Uhr 55) auf dem Weg ins kunsthistorische Seminar „8-Uhr-Seminare müssen sterben, damit wir leben können“ vor mich hingemurmelt. Dann aber doch froh gewesen, so früh aufgestanden zu sein, denn das Rosenheim-Seminar war wie immer eine Freude.

Nach kurzer Frühstückspause ins Historium gefahren – mit dem Bus, denn es regnete in Strömen. Dort ebenfalls froh gewesen, denn das Kindheitsseminar ist schlicht großartig. Auch wenn mich die 2,0 fürs Referat noch zehn Jahre wurmen wird – ich mag den Kurs sehr gerne. Die Texte zur Vorbereitung sind stets aufschlussreich und überraschen mich jedesmal. Immer wenn ich denke, so, das 19. Jahrhundert hast du drauf, kommt so ein Text um die Ecke und sagt mir, nee, ich hab da ne Gegenposition zum bisher Gelernten, denk mal drüber nach. Die Kursteilnehmer*innen scheinen die Texte auch stets zu lesen, denn bis auf eine Dame diskutieren alle engagiert mit, der Dozent hat gute Fragen und leitet die Diskussion genau richtig. Ich komme aus jeder Sitzung mit dem Gefühl raus, etwas gelernt zu haben – und das habe ich nicht schon an der Historicumstür wieder vergessen, sondern ich merke bei den nächsten Texten, Referaten und Diskussionen, auf was ich alles zurückgreifen kann.

(Stupid 2,0.)

Nachmittags die letzte Folge der derzeitigen Staffel The Americans gesehen. Falls ihr die Serie noch nicht guckt, solltet ihr damit anfangen. Für mich war die jetzige Staffel die beste, weil allmählich klar wird, was alles auf dem Spiel steht.

Zum Runterkommen zwei Folgen Bob’s Burgers. Damit hätte ich schon viel früher anfangen sollen. Ãœberhaupt sollte man alles gucken, was mit Kristen Schaal zu tun hat. Wegen ihr ertrage ich sogar Will Forte in The Last Man On Earth.

Danach ging’s wieder an den Schreibtisch, wo ich mein Wissen über Küchenarchitektur des 20. Jahrhunderts erweiterte. In der Referatsvorbesprechung am Dientag hatte der Dozent mein Konzept abgenickt, das bisher so aussah: Kurzer Ãœberblick über Küchen im 19. Jahrhundert, vor allem der Unterschied zwischen Arbeiter- und Bauernküche vs. Küche im Bürgertum, vulgo Wohnküche (meist nur ein Wohnraum mit offener Feuerstelle, in dem gekocht, gearbeitet und geschlafen wurde) vs. Arbeitsküche, wo hauptsächlich das Dienstpersonal zu Gange war und die neben repräsentativen Räumen existierte, in denen gewohnt wurde. Dann Schwenk ins 20. Jahrhundert, wo vor allem nach dem 1. Weltkrieg viele neue Wohnungen in Städten entstanden, die schnell und günstig hochgezogen wurden.

Dafür wurde unter anderem die Frankfurter Küche konzipiert, die eine reine Arbeitsküche war (kein Aufenthaltsraum mehr). Der Gedanke von Architektin Margarete Schütte-Lihotzky (den Lebenslauf müsst ihr euch durchlesen) hinter dem kleinen Raum war eine möglichst effiziente und ergonomische Arbeit, die den Hausfrauen viele Wege ersparte. Sie wollte die Tätigkeit einer Hausfrau aufwerten, indem sie die Küche zu einem reinen Arbeitsplatz gestaltete; ihr war klar, dass Hausarbeit eben nicht mal so nebenbei erledigt wird, sondern genau das ist, was das Wort schon sagt: Arbeit. Deswegen verzichtete sie auf die damals üblichen breiten und schweren Buffets mit Glaseinsätzen, in denen das gute Geschirr präsentiert wurde, die aber schwer zu reinigen waren, und auf bestickte Handtücher, die ebenfalls gereinigt und gepflegt werden mussten, ohne eine weitere Funktion zu haben (in Arbeiterküchen waren sie allerdings nicht nur Schmuck, sondern dienten auch dazu, die nicht gekachelten Wände vor Fettspritzern zu schützen) und reduzierte alles auf das bestmögliche Minimum.

Heute sind uns Einbauküchen vertraut; bei ihrer Einführung in Frankfurter Siedlungen waren die Bewohner*innen größtenteils nicht überzeugt, obwohl es für diese neuartige Küche Informationsveranstaltungen gab, Vorträge und sogar Radiosendungen. Die Bewohner*innen störten sich daran, dass ihre eigenen Möbel keinen Platz mehr hatten, dass die Hausfrau nun alleine und abgeschieden vor sich hinwerkelte ohne die Möglichkeit, mit ihrer Familie zu interagieren. Und auch die neue Elektrizität traf nicht überall auf Begeisterung: Viele Bewohner*innen kochten auf kleinen Gaskochern, entweder weil ihnen die Elektrizität zu teuer war oder sie schlicht nicht damit arbeiten wollten.

Ich verkürze jetzt etwas; wenn ich das Referat gehalten habe, schreibe ich das länger auf. Zurück zum Konzept: Nach der ausführlichen Vorstellung der Frankfurter Küche und ihrer Innovationen wollte ich damit enden, welche Details wir heute noch nutzen bzw. wie sehr diese Küche die weitere Entwicklung von Küchenarchitektur beeinflusst hat. Der Dozent wünschte sich explizit einen Ausblick auf die Bundesrepublik und die DDR der 50er und 60er Jahre, denn das zweite Referat der Sitzung befasst sich mit den Aktivitäten dieser beiden Länder in dieser Zeit in Bezug auf den dicken Körper. Anfangs war ich etwas missgelaunt, dass ich dieses Thema nicht bekommen hatte, aber ich habe viel zu viel Spaß mit den Küchen, um darüber noch zu quengeln.

Daher suchte ich gestern gezielt nach diesen beiden Ländern und fand auch einiges. Blöderweise bekam ich nach zwei Stündchen am Schreibtisch fiese Kopfschmerzen, die auch nicht durch Tabletten, viel Wasser, anderes Licht und mal ohne Brille lesen wieder weggingen. Also knipste ich überall Licht aus, verließ den Schreibtisch, setzte mich aufs Sofa und guckte ohne Brille nach draußen ins dunkle München, bis F. vorbeikam und wir gemeinsam einschlafen konnten.