Was schön war, Samstag, 27. August 2016 – Ergebnisoffenes Fußballspiel
Eigentlich wollten F. und ich gestern einen längeren Augsburg-Ausflug machen; der Herr kommt aus der Ecke, kennt die Stadt gut und hätte mir bestimmt viel zu erzählen gehabt. Ein Blick auf das Thermometer ließ mich aber alle Pläne streichen – bis auf einen Punkt, auf den ich mich sehr gefreut hatte: das Fußballspiel Augsburg gegen Wolfsburg.
Wolfsburg hatte kurz vor der Saison Herrn Gomez verpflichtet, dessen Name mein Bayerntrikot ziert und so hegte ich die winzige Hoffnung, dass ich ihn mal wieder spielen sehen könnte. Ich ignorierte den Begriff „Trainingsrückstand“ bis eine Stunde vor Spielbeginn, als der VfL die Mannschaftsaufstellung twitterte und Gomez nicht mal auf der Bank saß. Wusste ich eigentlich, klar, aber die irrige Hoffnung stirbt zuletzt. Bei einem Tweet. Mpf.
Machte aber nichts. Wir waren gutgelaunt am Hauptbahnhof in München in einen klimatisierten Zug eingestiegen, knappe 40 Minuten später waren wir in Augsburg, wo uns eine ebenfalls klimatisierte Tram in gefühlt zehn Minuten zum Stadion fuhr. Dort ging es ungefähr 500 Meter bis vor die Tore – allerdings durch die pralle Sonne. Ich hatte mich zwar brav zuhause eingecremt, aber die blöde Sonnencreme nicht eingesteckt. Nach dem Generve mit dem Rucksack in der Allianz-Arena guckte ich dieses Mal lieber auf die Website des FCA, wo aber nichts davon stand, dass man keine Taschen etc. in die Arena mitbringen dürfte. Ich kam auch entspannt durch die Kontrolle, F. lotse mich fürsorglich von einer Schattenecke zur nächsten und besorgte auch erstmal was zu essen. Die Stadionwurst wurde von mir mit „sehr schmackhaft“ bewertet. Zu unseren Füßen stehen Apfelschorle und Radler.
Dann war ich natürlich erstmal mit Architekturgucken beschäftigt. F. erzählte, dass die Fassade noch verkleidet werden soll, was ich sehr bedauern würde; ich mag es, wenn man Gebäuden ihre Konstruktion ansieht. Gerade bei solchen Kolossen wie Stadien gucke ich Säulen und Streben sehr gerne an. Und Dächer! Ich liebe Dächer. Und so clever ich es finde, dass man in der gewaltigen Allianz-Arena nicht sieht, wie die weite Vorkragung in den Innenraum funktioniert, so sehr mag ich es in kleineren Stadien (in die WWK-Arena gehen 30.000 rein, in die Allianz-Arena 75.000), dass man es sieht.
Das Spiel selber hat mir gefallen, weil es ergebnisoffen war. Das ist jetzt Jammern auf sehr fiesem Niveau, aber wenn man Bayernspiele in der Liga guckt, fragt man sich eigentlich nur noch, wie hoch der FCB gewinnt und nicht, ob überhaupt. Ich persönlich freue mich immer auf Leverkusen, Gladbach und Dortmund, weil ich den Mannschaften zutraue, gegen die Bayern anzustinken. Bei allen anderen muss die Tagesform schon verdammt gut und bei Bayern verdammt schlecht sein, wenn da was gehen soll. Das Jammern ist: Es ist langweilig, wenn die Mannschaft immer gewinnt. So, jetzt hab ich’s gesagt.
Ich erinnere mich bei derartigen Anwandlungen allerdings immer an Steffi Graf, die nach einem Sieg mit 6:1, 6:1 oder so über die Pfiffe des Publikums irritiert war, das gerne ein längeres Match gesehen hätte: „Was wollt ihr denn?“ Womit sie natürlich recht hatte. Es geht in erster Linie um den Sieg, genau wie im Fußball. Trotzdem ist es allmählich nervig, wenn man sich als Bayernfan eigentlich nur noch auf die K.O.-Phase der Champions League freut, weil da endlich richtige Gegner auflaufen. In der Liga stellen sich so gut wie alle hintenrein, hoffen, nicht allzuviele Tore zu kassieren und dass die 90 Minuten schnell rum sind.
Deswegen hat mir das Spiel gestern wirklich Spaß gemacht, weil beide Mannschaften die Möglichkeit hatten, zu gewinnen. Dass Wolfsburg mit 2:0 nach Hause gegangen ist, war dann natürlich trotzdem doof, weil gerade das erste Tor, so hübsch es auch anzusehen war, total aus dem Nichts kam. Beide Mannschaften hakelten sich gerne im Mittelfeld fest, was ich als Bayernfan ja kaum noch kenne. Überhaupt ist mir erst gestern klar geworden, dass die ganzen Kommentatoren recht haben, wenn sie sagen, dass Bayern in einer anderen Liga spielt. Wie brutal gut sie sind, merkt man erst, wenn man sich andere Mannschaften länger anguckt als in der fünfminütigen Zusammenfassung bei „Alle Spiele, alle Tore“. Ballannahme, Ballbehandlung, Spielübersicht, Passgenauigkeit, das gnadenlose Streben nach vorne, kaum Querpässe und natürlich der eiskalte Abschluss – das ist wirklich ein Klassenunterschied. Das weiß ich jetzt auch zu schätzen. (Trotzdem: Spannung, niggeldi, niggeldi.)
Was mir das Spiel in den letzten 20 Minuten etwas verleidet hat, war die olle Sonne, die nicht brav auf der Fankurve geblieben ist, sondern wanderte, das Mistding. Irgendwann saßen wir in der prallen Sonne und trotz Basecap, Sonnenbrille, langer Hose und Fächer, mit dem ich irgendwann wenigstens einen Unterarm bedeckte anstatt zu fächern, meinte ich meine Haut wimmern zu hören. Direkte Sonneneinstrahlung ist etwas, das ich sehr großflächig vermeide, ich wechsele ohne nachzudenken die Straßenseite, wenn da drüben Schatten ist, und wenn ich im Sommer nicht raus muss, dann mache ich das auch nicht. Ich empfinde Hitze als lästig, und die Sonne direkt abzukriegen, ist für mich wirklich körperlich unangenehm. Die Idee, mich an einen Strand zu legen und stundenlang vor mich hinzubraten, lässt mich nur fassungslos zusammenzucken. Wenn ich mit Leuten unterwegs bin und der unvermeidliche Satz fällt „Ach, lasst uns doch draußen sitzen, es ist so schön“, denke ich immer nur, aber da drinnen ist es dunkel und kühl und man muss nicht dauernd Insekten vom Essen verscheuchen, DAS ist schön. Auch ein Grund, warum ich selten mit Leuten unterwegs bin.
Aber gut. Jetzt weiß ich, wo in Augsburg die Sonne hinwandert und kann mich mit langärmigen Dingen und einem größeren Hut vorbereiten. Der Rucksack bleibt nächstes Mal auch zuhause, denn die Sitze sind enger als in der Allianz-Arena, die ich auch als dicker Mensch als durchaus bequem empfinde. Ein nächstes Mal wird es bestimmt geben; das hat – bis auf die letzten 20 Minuten – wirklich Spaß gemacht. Natürlich auch wegen der Kleinigkeiten, die den FCA so charmant machen: dass der gegnerische Kapitän keinen blöden Wimpel kriegt, sondern eine Marionette aus der Puppenkiste, die sich von Saison zu Saison ändert – derzeit ist es die Prinzessin Li Si – und dass das Kasperle vor jedem Spiel den Ausgang tippt. (Meist falsch. Egal.)