Links vom Donnerstag, 19. Januar 2017

The art of learning: Why art history might be the most important subject you could study today

Das ist natürlich Wasser auf allen Mühlen, die ich so rumstehen habe, aber auch wenn man meine persönliche Affinität zu diesem Fach mal weglässt, finde ich die Argumentation spannend – und richtig:

„John Berger, an art historian and television presenter who died on Jan. 2, was best known for his book and 1972 television series, both entitled “Ways of Seeing.” He is the most overt of art historians who taught us how to see differently. […] Part of Berger’s argument is about how to see through mindsets different from our own, sympathetically and with the understanding that doing so reveals truths about what we see, and about ourselves. […]

I cannot think of any discipline more inherently interdisciplinary than art history. Through the context of artworks, we study history, anthropology, sociology, war and politics, biography, literature, theology and critical interpretation, to name a few of the theoretical angles. But we also look at optics (for instance, in analyzing single-vanishing-point perspective), chemistry (how paint was prepared), neuroscience (what happens in the brain when it encounters art), geometry (why some works, based on triangular composition, feel more harmonious), physics and engineering (how Brunelleschi’s dome stays up), and much more. It is a great subject for those who can’t decide what to study. But it is particularly strong in opening one’s mind up to alternative viewpoints.

Psychotherapists Dr. Albert and Lea Mrgole underscore the importance of learning how to learn, that key tool that comes with studying the humanities. “Relevant to each area of work is the ability to acquire knowledge throughout life, attitude to learning and knowledge, which requires an awareness that knowledge changes fast and its development needs to be followed. This means that we need certain traits and skills: adaptability and plasticity, flexibility, curiosity, mobility, creativity, independent thinking.”

That is not to say that you won’t develop these faculties if you study STEM subjects. But humanities subjects are built upon them — this is why a liberal arts education has been considered the finest one can have for nearly a century.“

Wie interdisziplinär Kunstgeschichte ist, habe ich erst gemerkt, als ich noch Geschichte dazu studierte. Auf einmal ergaben sich Querverbindungen, die ich vorher nicht gesehen hatte bzw. auf die man mich erst aufmerksam machen musste. Mit jedem Geschichtskurs – und jedem Buch oder Aufsatz aus Soziologie, Psychologie oder Philosophie – änderte sich meine Art, mich Kunstwerken zu nähern. Und ganz nebenbei änderte sich auch die Art, wie ich inzwischen Nachrichten konsumiere oder das Internet leerlese. Es geht weit über eine bloße Horizonterweiterung hinaus, wobei die alleine ja auch schon großartig ist. Stattdessen hat sich mein Gehirn daran gewöhnt, erstmal alles zu hinterfragen, dann zu schauen, was ich schon über den Sachverhalt weiß und dann notfalls nach neuen Informationen zu suchen, falls meine vorhandenen nicht ausreichen. Jede Frage katapultiert mich zu einer neuen Frage. Ich persönlich kann sagen, dass mich mein geisteswissenschaftliches Studium zu einem kritischeren und aufmerksameren Menschen gemacht hat. Ob ein naturwissenschaftliches das geschafft hätte, vermag ich leider nicht zu sagen. Mal sehen, in welche Vorlesungen ich mich so im Rentenalter reinsetze.

„Fake News“ und der blinde Fleck der Medien

Stefan Niggemeier (seit Jahren) über die BILD und warum er das, Zitat, „niedlich“ findet, dass jetzt auf einmal alle aufgeregt sind:

„Jetzt, auf einmal, entdecken die Medien die Gefahr der „Fake News“ und wollen mit großem Einsatz dagegen kämpfen. Was für eine Heuchelei.

Vor gut zwölf Jahren haben wir damit begonnen, im BILDblog die Zumutungen der „Bild“-Berichterstattung zu dokumentieren; die „kleinen Merkwürdigkeiten und das große Schlimme“, wie es damals hieß. Dafür gab es ein bisschen Aufmerksamkeit von den Kollegen, Schulterklopfen und Preise, aber an fast keiner Stelle das Gefühl, dass das doch eigentlich eine gemeinsame Aufgabe des seriösen Journalismus wäre. Wir hätten auf das Alleinstellungsmerkmal, systematisch gegen die Lügen von „Bild“ zu kämpfen, gerne verzichtet.

Wortreich wird jetzt beschrieben, welche ungeheure Reichweite Falschmeldungen dank Facebook erreichen können. Die Reichweite der Falschmeldungen von „Bild“ war ebenfalls ungeheuer – nicht zuletzt deshalb, weil so viele Medien sie auch noch mit ihrer eigenen Reichweite verbreiteten.“

Yolocaust

Shahak Shapira hat Selfies am Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin verfremdet. Dazu steht bei jetzt.de auch ein Interview:

Was möchtest du mit dem Projekt erreichen?
Ich will den Leuten nicht sagen, was sie machen dürfen und was nicht. Das muss jeder selbst entscheiden. Ich will sie aber zum Nachdenken bringen. Die Bilder zeigen, wie schnell Erinnerung in Vergessenheit geraten kann. Viele sehen das Mahnmal leider immer mehr als Lifestyle-Foto-Objekt und weniger als Stätte der Erinnerungskultur.

Den Gedankengang der @kunstseidenen fand ich in Bezug auf Höckes beknackte Rede interessant:

Und noch ein gedanklicher Schlenker – gestern las ich weiter in James J. Sheehans Kontinent der Gewalt: Europas langer Weg zum Frieden, das eine Art Militärgeschichte Europas ist, und fand eine Frage beantwortet, die ich mir auch schon oft gestellt hatte:

„Why did the Germans keep fighting so long after any chance of victory was extinguished? Some may have believed that the Führer would save them, perhaps with a new secret weapon – like the jet fighters and rockets that came into operation in the last months of the war – which could turn the tide in their favor. Hitler and those closest to him clung to the hope that the enemy alliance would shatter. But even for those without faint hopes, there seemed no choice but to go on fighting. The Nazi leaders, and a great many other Germans besides, knew what they had done – knew about the mass murder of Europe’s Jews, the wicked occupation policy in the east, and the millions of Soviet POWs who had died from mistreatment and neglect. Many realized that they would not outlive the regime, which was now the only thing standing between them and the rage of those who had suffered at their hands. Since the Nazi leadership could not surrender to the enemy, there was nothing to do but to surrender to the war itself.“

(James J. Sheehan, Where Have All the Soldiers Gone? The Transformation of Modern Europe, New York 2008, S. 127.)