Tagebuch, Donnerstag, 23. Februar 2017 – Halber Tag frei
Vormittags eine Stunde hirntot auf mein Manuskript gestarrt und ein paar vermutlich sinnlose Korrekturen gemacht; dann entschieden, eine Runde spazierenzugehen und den Kopf auszumachen. Diese Tätigkeit geschickt damit verbunden, ein Päckchen zur Post zu bringen, einzukaufen und ein paar Pokémons zu fangen. Danach war ich allerdings immer noch nicht so recht konzentriert, weswegen ich mir selber den Rest des Tages freigab. (Dieser Luxus ist mir sehr bewusst.)
Da ich von den Buttermilk Pancakes am Dienstag noch Buttermilch im Kühlschrank hatte, hatte ich morgens nach weiteren lustigen Verwendungsmöglichkeiten für diese Zutat gesucht und landete beim Buttermilk Chicken. Um die Mittagszeit legte ich daher das soeben entstandene Hähnchenfilet, in mundgerechte Stücke geschnitten, in eine Marinade aus Buttermilch, Cayennepfeffer, Knoblauchsalz und Zwiebelpulver ein und ließ es ein paar Stunden in einem Gefrierbeutel im Kühlschrank stehen. Abends wälzte ich die Stücke in Mehl und briet sie in Butterschmalz aus (keine Lust auf Öl). Ich war überrascht davon, wie zart und frisch das Huhn schmeckte und wie schön die Panade wurde – für ein anständiges Wiener Schnitzel (bestes Essen ever) braucht es ja immer noch Semmelbrösel und Ei, aber hier reichte auch Mehl. Dazu gab’s für F. und mich frisch gestampften Kartoffelbrei, Salat, ein Bierchen und danach einen dringenden Birnengeist. Weil es so gut schmeckte, vergaß ich, es zu fotografieren.
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Bei der Hausarbeit mal wieder gemerkt, dass ich längst nicht alles unterkriege, was ich schon über Leo weiß. Nachdem ich in der letzten Woche in Bibliotheken gearbeitet habe, konnte ich in dieser Woche am heimischen Schreibtisch sitzen und alles runterschreiben, was ich an biografischen und künstlerischen Daten über ihn rausgefunden hatte. Weil ich schon so lange über den Herrn nachdenke, musste ich dafür meist nicht mal meine Notizen verwenden, ich hatte das alles schon im Kopf. Das war ein sehr schönes Gefühl, mitzukriegen, wieviel ich mir so nebenbei gemerkt hatte.
Ich war allerdings auch ein bisschen traurig, eben weil ich merkte, was ich wegen der Zeichenbegrenzung alles nicht aufschreiben kann. Es fühlt sich ein bisschen an, Leo bewusst zu vergessen – all die Daten und Ausstellungen und Bildernamen und biografischen Details, die jetzt einfach weiter in den Archiven und Heimatmuseen liegen, bis vielleicht der oder die nächste Kunstgeschichtsstudi nach ihnen wühlt. Oder eben auch nicht. Und schon war ich in der deprimierenden Gedankenschleife, was uns alles an Wissen verlorengeht, weil a) Menschen nichts aufschreiben oder b) Studis ihre Hausarbeiten nicht veröffentlichen, weswegen vermutlich schon tausendmal über die Dinge geschrieben wurde, über die ich jetzt schreibe, es aber niemand mitkriegt.
Ich war sehr froh, als ich mich an den Herd stellen und kochen konnte, um nicht weiter sinnlos darüber zu trauern, wen und was wir alles schon vergessen haben.