Was schön war, Freitag, 10. März 2017 – Entschleunigung
Gemeinsam aufgewacht und nochmal gemeinsam weggedöst.
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Seit wenigen Tagen besitze ich eine Kaffeemühle und mahle mir Bohnen für frischen Kaffee, den ich sogar schwarz trinken kann, weil er schmeckt und ich ihn nicht mit Süße und anderem Geschmack als Kaffee vollballern muss. Darüber blogge ich vermutlich noch mal extra. Das gefällt mir bis jetzt aber sehr gut, diese liebevolle Beschäftigung mit einem Lebensmittel. Mit Tee beschäftige ich mich ja auch länger anstatt auf ein Knöpfchen eines Automaten zu drücken, wieso also nicht mit Kaffee?
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Den Vormittag war ich damit beschäftigt, zu fluchen und durch die Gegend zu rennen, obwohl ich durch die Gegend radeln wollte. Trotzdem gab es natürlich auch hier schöne Momente. Zu Fuß gehen bedeutet für mich immer Entschleunigung, weil ich nicht so hetze wie auf dem Rad. Ich bin über den Alten Nordfriedhof geschlendert und habe nicht nur Pokémon gefangen, sondern mir auch, wie immer, einige Grabsteine und Stelen genauer angeschaut, habe einen Specht gehört, aber nicht gesehen, habe leider aber auch meinen Lieblingsengel nicht mehr auf seinem Sockel gefunden. Ich hoffe, er ist nur im Winterquartier. Einige große Figuren sind noch mit Holzverschlägen geschützt, aber der Sockel meines Engels ist einfach nur leer. Vor der Stele für die französischen Kriegsgefangenen von 1870/71 lag ein halbwegs frisches Gesteck mit Trikolore.
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Tram gefahren. Immer noch toll. Ich liebe Tramfahren. Eine Stunde später saß ich in einem Bus, dessen Fahrer aber glaubte, er führe einen Sportwagen, und deswegen liebe ich Tramfahren so. Es ist wegen der geringeren Bewegung des Fahrzeugs rückenfreundlicher, und man muss sich nicht krampfhaft irgendwo festhalten, weil irgendjemand nicht bremsen, anfahren oder ruhig kurvenfahren kann.
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Immer wenn ich Fitspo-Sprüche lese, texte ich sie innerlich auf Bibspo um (Make your haters jealous – read more books!), dann geht’s wieder.
— Anke Gröner (@ankegroener) 10. März 2017
Aus der Stabi und der Unibibliothek holte ich insgesamt acht Bücher, von denen die meisten leider keine kleinformatigen Taschenbücher waren. Mit schwerem Rucksack und einer ebenso schweren Büchertasche stand ich daher latent nölig an der Bushaltestelle. (Deswegen radele ich zu Bibliotheken – dann können die Bücher in meinen praktischen Korb auf dem Gepäckträger und ich muss sie nicht schleppen. Bücher sind toll, machen aber viel Arbeit.) Als der Bus kam, ließ mich ein Student mit eleganter Handbewegung vor sich in den Bus einsteigen, was ich sehr freundlich fand. Ich behaupte, man sah mir meine schwere Tasche an. Auf Twitter wurde Respekt vor dem Alter vermutet. Nehme ich auch.
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Nachmittags an meinem vorerst letzten Text zu Leo von Welden geschraubt. Für unsere Ausstellung „Vermacht, verfallen, verdrängt. Kunst und Nationalsozialismus“, die vom 23. September bis 19. November 2017 in der Städtischen Galerie Rosenheim läuft, schreibt unser ganzes Seminar den Katalog (dazu gibt’s einige Aufsätze von Externen). Wir sind für die Künstlereinträge verantwortlich, ich dementsprechend für Leo. Vor mir liegt die nicht unspannende Aufgabe, aus zwei Hausarbeiten zu 50.000 und 70.000 Zeichen und einem Berg an Fakten im Hinterkopf, die es nicht in die Arbeiten geschafft haben, nun einen Katalogtext mit höchstens 27.000 Zeichen zu zaubern. Gestern bastelte ich ein erstes Gerüst, um mir selbst darüber klarzuwerden, was mein Text will. Mein Publikum ist jetzt nicht mehr mein Dozent, dem ich verdeutlichen möchte, wie toll ich geforscht habe und wie brav ich unsere Regeln für wissenschaftliches Arbeiten umsetzen kann, sondern eine interessierte Leserschaft aus hauptsächlich Laien, deren bisheriges Leo-Bild ich leider etwas ankratzen muss. Mein Fokus liegt dem Ausstellungstitel entsprechend auf der NS-Zeit und da werde ich den bisherigen Forschungsstand gehörig umkrempeln können.
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Den Abend verbrachte ich beim ehemaligen Mitbewohner. Der Mann hat genau zwei Einträge auf seinem Festnetztelefon: „Eltern“ und „Pizza“. Ich bin da sehr gut aufgehoben. (Pizza war gut.)