Lost in Translation

Lost in Translation
(USA, 2003)

Darsteller: Bill Murray, Scarlett Johansson, Giovanni Ribisi, Anna Faris, Catherine Lambert, Nao Asuka, Takashi Fuji
Musik: Brian Reitzell, Kevin Shields
Kamera: Lance Acord
Drehbuch: Sofia Coppola
Regie: Sofia Coppola

Die Tagline von Lost in Translation lautet: “Everybody wants to be found.” Nachdem ich den Film gesehen habe, würde ich sie noch erweitern wollen: Everybody wants to be needed. Everybody wants to be appreciated. Everybody wants to be happy. Und wenn es nur für einen Moment lang ist.

Lost in Translation erzählt von diesen Momenten. Der Film wirkt nicht wie eine lange Geschichte, die klassisch mit einer Exposition anfängt, einen Spannungsbogen entwickelt und mit einem Höhepunkt endet. Lost in Translation wirkt eher wie ein Fotoalbum, das man versonnen lächelnd durchblättert. Ab und zu hält man an, erinnert sich an bestimmte Augenblicke, erinnert sich, wie man sich gefühlt hat, als diese Momentaufnahme festgehalten wurde.

In ein Fotoalbum werden gerne die glücklichen Momente eingeklebt. In Lost in Translation überwiegen allerdings eher die nachdenklichen, die absurden, die, denen wir verständnislos gegenüberstehen; selbst wenn wir ein bestimmtes Foto ganz genau anschauen, wissen wir nicht, was drauf ist, was es bedeutet, wie es uns ging, als irgendjemand auf den Auslöser gedrückt hat.

In Lost in Translation treffen sich zwei Menschen in einem Hotel in Tokio. Charlotte ist eine junge Ehefrau, die gerade ihr Studium abgeschlossen hat und noch nicht weiß, was sie mit dem großen Leben anfangen soll, das vor ihr liegt. Im Moment begnügt sie sich damit, ihren liebevollen, aber unaufmerksamen Ehemann John nach Japan zu begleiten, wo er seiner Arbeit als Fotograf nachgeht. In einer ihrer schlaflosen Nächte trifft sie Bob, einen abgehalfterten Hollywood-Schauspieler, der für viel Geld einen Werbespot für Whisky dreht und, genau wie sie, nachts schlaflos durchs Hotel irrt. Die beiden kommen ins Gespräch, beginnen, ihre Tage und Nächte gemeinsam zu verbringen, verleben eine kurze, ungewöhnliche Zeit in Tokio und trennen sich wieder, um in ihre eigenen Welten zurückzukehren.

Was erst einmal nach Klischee und vorhersehbarer Sexszene klingt, entwickelt sich ganz anders. Das, was die beiden zusammenführt, ist nicht der Wunsch, sich mit jemand anders als dem Ehepartner einzulassen. Es ist der Wunsch, verstanden zu werden.

Beide scheinen sich täglich die Frage zu stellen: Was mache ich hier eigentlich? Während Bob seinem Dasein eine Berechtigung zu geben versucht, indem er Geld verdient, damit seine Frau davon Teppiche kaufen kann, sucht Charlotte nach etwas Größerem: dem Sinn des Lebens. Scherzhaft wirft sie Bob vor, eine Midlife Crisis zu haben; dabei ist sie es, die gerade dabei ist, ihr Leben umzukrempeln. Welcher Job wird es werden? Ist die Stadt, in der sie lebt, die richtige für sie? Ist die Ehe das, was sie haben wollte? Bob dagegen hat sich mit seinem Leben arrangiert und weiß, dass es leichter wird, je älter man wird: Man regt sich nicht mehr über so vieles auf, und deswegen kommt einem alles einfacher vor.

In ganz kleinen, aber pointierten Dialogen gibt Bob Ratschläge, ohne altklug zu klingen; und Charlotte beflügelt ihn im Gegenzug, über sich nachzudenken und sich vielleicht doch nicht mit allem zu arrangieren, was das Leben einfacher macht.

Kein Satz im Film wirkt gestelzt, keine Geste aufgesetzt. Alles geschieht einfach so, wie es geschehen muss. Man zweifelt nicht an dem, was man sieht; man nimmt es hin, und es ist gut so; genau wie Bob und Charlotte ihre Beziehung nicht hinterfragen, sondern einfach annehmen, was ihnen das Universum so unverhofft geschenkt hat. Und wenn die beiden zum Abschied einen einzigen Kuss teilen, ist das genau das richtige Maß an Intimität und Vertrauen, das die beiden sich für diesen Moment entgegen bringen. Für diesen Moment, der sie für immer verändert.

Was Lost in Translation zu einem besonderen Film macht, ist die Leichtigkeit, mit der er seine eigentlich große Botschaft vermittelt. Die fremde Welt Tokios, in der Charlotte und Bob die einzigen sind, die jeweils die Sprache des anderen sprechen, bildet einen perfekten Teppich aus Geräuschen, Bildern, Klängen und Lärm – wir verstehen die Einsamkeit und Einzigartigkeit der beiden und ihren Wunsch, in dieser Welt nicht allein sein zu wollen, sofort. Wir blättern praktisch ihr Fotoalbum durch und schauen ihnen bei ihrer Suche nach dem anderen und sich selbst über die Schulter. Aber man fühlt sich nie wie ein wissender Zuschauer; zu fremd ist auch für uns die Welt, in die wir geworfen werden.

Und so klammern wir uns an die beiden und laufen ihnen hinterher, wenn Bob verzweifelt aus Werbung Kunst machen will und Charlotte Ikebana ausprobiert. Wir folgen ihnen, wenn sie in Karaoke-Bars zu Roxy Music singen oder fürchterliche Stofftiere in Krankenhäusern kaufen. Und genauso klammern wir uns an sie, wenn sie ganz leise miteinander reden und ihnen und uns immer klarer wird, dass manche Momente wichtiger sind als andere. Dass es ganz besondere Menschen braucht, die uns diese Momente schenken, und dass wir diese nie vergessen werden. Denn das waren die Momente, in denen wir glücklich waren. In denen wir gebraucht und geschätzt wurden. Und in denen uns jemand gefunden hat.

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