Was schön war, Mittwoch, 26. April 2017 – Glühbirnen, die über Köpfen leuchten (okay, eine Birne, die über meinem Kopf leuchtet, aber die andere Headlinevariante klingt besser)
Ich verbrachte ein paar ertragreiche Stunden im Zentralinstitut für Kunstgeschichte, wo ich mich weiterhin hauptsächlich an Markus Lüpertz abarbeitete. Meine Masterthese, die sich mit dem Frühwerk von Lüpertz und dem von Anselm Kiefer befasst, klingt inzwischen (noch etwas ungelenk) so: Ich sehe bei Kiefer eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Nachkriegszeit bzw. dem Umgang der Bundesdeutschen mit der NS-Vergangenheit. Ich sehe bei Lüpertz hingegen genau das nicht – stattdessen sehe ich hier eine Auseinandersetzung mit seiner eigenen Tätigkeit als Maler: Was darf man als deutscher Maler zeigen? Was ist überhaupt ein deutscher Maler? Darf man wieder figürlich werden? Muss man? Ich sehe bei Lüpertz eher einen fast hilflosen Fragenkatalog, den er pseudo-selbstbewusst und großspurig auf die Leinwand bringt, indem er den Fundus der europäischen Kunstgeschichte der letzten 2000 Jahre plündert und ihn mit NS-Ikonografie aktualisiert.
Seit gestern kann ich ein paar meiner eigenen Fragen beantworten, die diese vermutlich ebenfalls großspurige These aufgeworfen hat. Dazu versank ich sehr lange im niederländischen Vanitas-Stillleben des 17. Jahrhunderts, Emblemdarstellungen des Barock und Triumphzügen im römischen Reich der Zeitenwende. Viel gelesen, viel gelernt.
Außerdem postete ich um kurz nach 7 Uhr morgens dieses Bild auf Instagram, was ich eigentlich nur F. schicken wollte, dann aber doch dachte, ach, egal, raus damit, mir geht’s grad so gut, ich zeig das der Welt. Ich weiß immer noch nicht, ob das schlau war.
Seit einigen Wochen stehe ich nämlich morgens jeden zweiten Tag sehr früh auf, um noch vor dem ersten Kaffee durch die Gegend zu gehen. Ich sage zwar immer, „Ich geh morgen früh wieder laufen“, weil es schlicht nicht so doof klingt wie „Ich geh morgen früh wieder walken“, aber es ist dann doch überwiegend letzteres. Das ganze mache ich aus Gründen, von denen Abnehmen keiner ist, aber das Thema ist natürlich trotzdem daran angedockt, wenn man sich als dicker Mensch bewegt. Und genau damit hadere ich die ganze Zeit, und seitdem ich das Foto gepostet habe, schon wieder, weswegen ich überlege, es wieder zu löschen. Ich kommentierte selber unter dem Bild, dass ich es wichtig finde, die Zustände „dick“ oder „fett“ in den Zusammenhang mit Sport zu bringen, frage mich inzwischen aber, warum eigentlich. Eigentlich wäre es ganz schön, wenn mein Körper mal nichts aussagen müsste, sondern einfach nur mein Körper sein dürfte.
Generell wäre es ganz schön, wenn dicke Körper keine politischen oder sozialen Konnotationen mehr hätten, wenn sie kein Sinnbild mehr wären für Menschen, die RTL2 schauen, ihren Kindern nicht beibringen, wie Gemüse schmeckt oder als Schreckensvision für unbezahlbare Krankenkassen. Es wäre ein Traum, wenn von einer Körperform nicht mehr auf die Persönlichkeit geschlossen werden würde. Ganz tief in mir ahne ich, dass ich den Doktortitel auch deshalb will, um mit einem Wort – Doktor Gröner – wettzumachen, was in meinem Gegenüber durch einen Blick – oh, eine dicke Frau – vielleicht an Assoziationen aufgerufen wurde.
Netterweise denke ich über all das nicht nach, wenn ich morgens über Kieswege marschiere. Erst wenn ich diesen Zustand des Laufens fotografisch festhalte, ihn ins Internet werfe und ihn damit zur Diskussion stelle, macht er – und mache ich – all diese Fässer auf. Und eigentlich will ich das gar nicht, weil ich es so genieße, morgens den Kopf auszuschalten und einfach nur zu laufen.
(noch nicht zuende gedacht)