Was schön war, Samstag, 26. August 2017 – Buch, Fußball, Essen, alles
Gestern hatte der FC Augsburg sein erstes Heimspiel. Das erste Saisonspiel auswärts gegen den HSV (ausgerechnet, grmpf) wurde dusseligerweise verloren; gestern war Borussia Mönchengladbach zu Gast. Ich freute mich sehr auf das kleine Puschelstadion im Vergleich zur Monster-Allianz-Arena, auf den FCA-Knacker (Stadionwurst), auf den fähnchenschwingenden Kid’s Club, die Stadionhymne und alles, sogar auf den Rumpelfußball, der einen vermutlich erwartete.
Wir fuhren um halb zwei von München aus in Richtung Augschburg. Um uns herum plapperte eine kleine Gruppe Russen, während neben uns eine Dame Percussionsübungen mit einem Notenheft ausführte, indem sie sich rhythmisch aufs Brustbein oder den Unterarm schlug, klatschte oder mit den Fingern schnippte. F. und ich guckten amüsiert-augenrollend, wollten uns aber nicht umsetzen. Der Herr genoss sein Wegbier (wegen der Hitze ein Wegradler), während ich mein Zugbuch zückte.
Ich lese gerade Alexander Masters A Life Discarded: 148 Diaries Found in a Skip, das mir meine Bekannte von neulich geschenkt hatte. Die Dame wohnt nicht in Deutschland und fragte deshalb vor der Bestellung, ob sie mit Karte zahlen könne, die Bedienung bejahte, und ihr ahnt schon, was kommt: Meine Bekannte meinte Kreditkarte, die Bedienung EC-Karte, weswegen meine Bekannte am Ende unseres Treffens nicht zahlen konnte und sich nach dem nächsten Geldautomaten erkundigte, woraufhin ich natürlich meinte, Quatsch, ich lad dich ein. Als Ausgleich lag ein paar Tage später dieses Buch in der Packstation, worüber ich mich sehr gefreut habe. Das passte nämlich so gerade ins Stadiontäschchen, wofür die Radium Girls viel zu groß sind. Und ohne Buch gehe ich ja in kein Fußballstadion.
Wir kamen akustisch leicht überfordert, aber ansonsten vorfreudig in Augschburg an, erwischten zwei Sitzplätze in der Tram zum Stadion und waren in einer Minute durch die Einlasskontrollen. Dieses Mal hatte ich noch eine Eintrittskarte aus Papier dabei, aber beim nächsten FCA-Heimspiel gehe ich damit durch die Drehkreuze:
Ich teile mir in dieser Saison eine Dauerkarte mit F.s Sitznachbar, der so oft geschäftlich unterwegs ist, dass er nur die Hälfte der Spiele schafft. F. hat in dieser Saison erstmals eine eigene Dauerkarte beim FC Bayern, worüber der Mann sich seit Wochen kindlich-niedlich freut. Seit gestern kann ich diese Freude nachvollziehen, denn obwohl auf der Dauerkarte nicht mein Name steht, ist es doch gefühlt meine. Ich hoffe, der FCA bleibt noch ein paar Saisons erstklassig, dann gönne ich mir eventuell mal eine eigene Dauerkarte. Ich will seit gestern auch meinen Namen auf Plastik sehen.
Beim FCB werden die Dauerkarten unter Freunden überschrieben oder innerhalb der Familie vererbt, ansonsten besteht kaum eine Chance auf das Ding. Beim FCA kauft man die einfach. Für mich wäre eine Dauerkarte dort nur in der ersten Liga sinnvoll, denn bei den Anstoßzeiten der zweiten Liga am Freitag und Montag ist es etwas anstrengend bzw. zeitlich kaum möglich, bei einem regulären Arbeitstag rechtzeitig von München aus zum Spiel im Stadion zu sein.
Aber das ist Zukunftsmusik. Gestern freute ich mich dann über alles, worauf ich mich im Vorfeld gefreut hatte, bis auf die Stadionwurst, auf die hatte ich bei 30 Grad keine Lust. Wegen der Temperaturen trank ich auch erstmals einen Liter Wasser im Stadion; normalerweise trinke im Stadion nichts, weil ich keine Lust habe, in der Halbzeit aufs Klo zu gehen, ich stehe da lieber am Platz und gucke in der Gegend rum. Dieses Mal musste ich aber eh aufs Klo, um Sonnencreme nachzulegen, denn in der zweiten Halbzeit liegt der Dauerkartenplatz in der Sonne. Während ich in der letzten Saison noch vor mich hinlitt und auf den Hitzschlag wartete in meinen üblichen dunklen Klamotten, hatte ich dieses Mal vorgesorgt und saß in einem überhaupt nicht meiner Farbpalette entsprechenden mintgrünen Shirt und einer ebensolchen Hose im Stadion. Ich hatte zur Sicherheit noch eine weiße Bluse dabei, die ich mir wie ein Zelt hätte überwerfen können, so dass nur noch mein Gesicht Sonne abkriegt, aber das war nicht nötig, die hellen Klamotten halfen schon sehr. Auch wenn ich aussah wie eine Zahnpastatube. Dass ich heute keinen Sonnenbrand habe und gestern gute Laune hatte, zeigt, dass die Investition in diese Kleidung eine gute war. Trotzdem frage ich mich im Nachhinein, warum ich nicht gleich weiße gekauft habe.
(Da drüben vor dem Tor dreht der Kid’s Club seine Runde, während das Publikum die Fähnchen schwenkt, die für Mitglieder kostenlos verteilt wurden.)
Das Spiel war spannend, begann gleich nach 35 Sekunden mit einem Tor für den FCA, dann führte Gladbach plötzlich 2:1, und erst in der 89. Minute fiel der Ausgleich. Ich bin heute zwar sonnenbrandlos, aber ein bisschen heiser. Da habe ich wohl doch mehr gebrüllt als gedacht.
Gegen kurz nach 19 Uhr waren wir wieder in München. Ich tauschte die Zahnpastaklamotten gegen Lieblingsrock und violettes Shirt (eindeutig mehr meine Farbe), denn F. und ich wollten dringend zum Afghanen, weil wir unerklärlichen Heißhunger auf Gewürzreis hatten. Der dortige Kellner ist stets eine Ausgeburt an Höflichkeit, und gestern hat er nochmal Punkte gemacht, als er die Klimaanlage anwarf, sobald er sah, dass ich mir Luft zufächelte. Ich freute mich zudem darüber, dass er einen, so vermute ich, Landsmann mit „Servus“ begrüßte, bevor die beiden dann (ebenfalls vermutlich) Paschtunisch miteinander sprachen.
Wir ließen den Abend mit einem Radler auf F.s Balkon ausklingen und guckten im Aktuellen Sportstudio nochmal die Highlights des FCA-Spiels. Nicht gezeigt wurde, dass auch Simon im Stadion war. Zwei Jahre nach seinem Unfall schob ihn seine Mutter im Rollstuhl vor die Nordkurve und erhielt einen Spendenscheck der Fans.