Tagebuch, Dienstag bis Freitag, 5. bis 8. September 2017
Was nicht so schön war:
– ein Termin bei meiner Hausärztin, die seit Jahren an meinen Schilddrüsenwerten rumdoktert. Bei mir wurde vor Ewigkeiten Hashimoto diagnostiziert, und seitdem ich Schilddrüsenhormone nehme, geht es mir weitaus besser als jemals zuvor. Bis dahin dachte ich, ich sei halt lethargisch, müde, undiszipliniert und traurig. Bis ich begann, Medikamente zu nehmen, und auf einmal war ich dermaßen besser gelaunt, dass ich mich kaum wiedererkannte. Dass sich mein Leben in den letzten Jahren derart drastisch verändert hat und ich – was viel wichtiger ist – damit klarkomme, liegt meiner Meinung nach auch an den Hormonen.
Trotzdem sind meine Schilddrüsenwerte gerade nicht so okay und mein Stoffwechsel ist seit Monaten total im Keller – O-Ton Ärztin: „Selbst wenn Sie gar nichts essen, würden Sie nicht abnehmen.“ Das will ich ja auch gar nicht, weswegen es mich wahnsinnig macht, dass die Dame neuerdings trotzdem davon anfängt, obwohl das ja, laut ihren eigenen Worten, kaum bis gar nicht möglich ist. Eigentlich fühle ich mich seit Jahren bei ihr wohl, weil sie mich mit dem Thema in Ruhe lässt, aber diese Woche wollte sie mir irgendwelche Ergänzungsprodukte verschreiben, die „slim“ oder sowas im Titel hatten, was mich sehr überrumpelt hat. Online schaffe ich es, jede Diskussion um richtige oder falsche Ernährung oder was irgendwer sich jetzt gerade darunter vorstellt, weiträumig zu umgehen und blocke und mute auch sehr freigiebig bei Dickenwitzen und Clean-Eating-Scheiß. Offline wirft mich sowas doch immer noch sehr aus der Bahn, wie ich feststellen musste.
– ein Termin bei meiner Masterprüferin, deren Gutachten mich zwar sehr gefreut hat, die aber sehr lange mit mir mein Diss-Thema (bei einem anderen Dozenten) auseinandergenommen hat. Eigentlich war das ein 10-Minuten-Termin, aber ich kam erst nach einer Stunde wieder aus dem Raum mit einem sehr großen Fragezeichen über dem Kopf. Sie hatte ein paar schlimme Killer-Argumente gegen meine bisherige Idee, dafür aber auch eine tolle neue Fragestellung. Darüber grübele ich seit Dienstag und weiß gerade nicht so recht, was ich machen soll. Außer mich vier Wochen in der ZI-Bibliothek einzuschließen, worauf es vermutlich ab Montag hinauslaufen wird.
Ich fand es sehr spannend, wie mich verschiedene Dozent*innen wahrnehmen. Sie kennt mich, laut Eigenaussage, als jemand, die sich nicht mit gängigen Forschungsmeinungen zufrieden gibt, sondern immer nach Gegenargumenten sucht, um dann zu einer eigenständigen, neuen Meinung zu kommen; ich lese halt keine zwei Kataloge, sondern 20 und pflüge durch die ganze Bibliothek, um zu meinem Schluss zu kommen. Sie kennt mich auch als jemand, die sich eher mit zeitgenössischer Kunst beschäftigt. Mein Doktorvater kennt mich hingegen als jemand, die nicht nur eine Quelle auswertet, sondern fünf, und nicht nur in einem Archiv sucht, sondern in zehn; er kennt mich als jemand, die gerne mit Originalen arbeitet und eben in der NS-Kunst zuhause ist. Ich wusste selbst nicht, dass ich diese zwei Seelen habe, aber sobald die Dozentin dieses Thema erwähnte, fiel mir auf, dass das absolut richtig ist.
Was schön war:
– die Reaktion von F., als ich ihm das Gespräch mit der Dozentin mailte, auch um für mich selbst alle Punkte festzuhalten:
– ein gutes Vorstellungsgespräch in einer kleinen, netten Agentur gehabt. Ich hatte seit 2004 kein Vorstellungsgespräch mehr und war ein paar Tage lang nervöser als nötig. Das verflog aber, sobald ich im Konfi saß und sich alles wieder vertraut nach Werbung angefühlt hat. Im Gegensatz zu Kunstgeschichte weiß ich da nämlich, was ich kann und dass ich gut bin.
– auf dem Nachhauseweg einen Blick auf die Isar geworfen und mir erstmals überlegt, ob ich mich mit den Lauftights mal hierher trauen oder weiterhin geschützt hinter Friedhofsmauern rumwalken sollte. Dicke Menschen beim Sport irritieren einige Idioten sehr, und ich möchte einfach keine Scheißsprüche abkriegen. Aber am Fluss langlaufen! Das wäre so schön!
– Vorfreude auf die Wiesn mit Stargast am Tisch!
– einen Abend im Lieblingsbiergarten mit der besten Freundin aus Hamburg und ihrer Frau, die sehr spontan in München auftauchten. Gelernt, dass es 0,33-l-Bierkrüge gibt, was ich sofort instagrammen und twittern musste. Seitdem weiß ich, dass man diese Form „Rentnerhalbe“ nennt. In Bayern – oder München, was weiß denn ich, ich lerne das ja alles immer noch – bestellt man eine Halbe (ich) oder Hoibe (Menschen, die baierisch sprechen, also nicht ich, NIEMALS ICH), wenn man 0,5 haben will.
Eben auf Twitter nannte jemand das Krüglein ein Degustationsglas. Sehr gelacht.