Was schön war, Samstag, 9. September 2017 – Quellenangaben

F. und ich setzten uns mittags in charmanter Begleitung in den Zug nach Augsburg, um das Spiel gegen den 1. FC Köln anzuschauen. Ich mach’s mal kurz: Der FCA gewann mit 3:0, und alle Tore schoss Alfred Finnbogason, dessen Name mein neues Trikot ziert.

Ich fühlte mich schon länger im Stadion unterdressed, so nur mit Schal bzw. im Sommer nicht mal damit, daher musste jetzt endlich ein Trikot her. Eigentlich wollte ich es ohne Spielernamen haben, aber wenn man den weglässt, steht auch der Vereinsname nicht auf der Rückseite, was ich völlig blöd finde. Also musste ich mich für einen der Herren entscheiden und wählte mithilfe von F., der alle Namen der Mannschaft runterbetete, den Herrn Finnbogason. Den hatte ich sogar schon mal außerhalb von Augsburg spielen sehen, nämlich beim EM-Qualifikationsspiel der Niederlande gegen Island, bei dem wir 2015 in Amsterdam waren. Und natürlich hatte ich deswegen auch so ein bisschen Island bei der EM im letzten Jahr die Däumchen gedrückt. Hu!

Was ich neben dem Spiel noch spannend fand: Ein Tweet, den ich beim Einlauf der beiden Mannschaften gemacht hatte, ging ziemlich steil und ist bis heute über einhundertmal retweetet worden – von Fans vieler unterschiedlicher Mannschaften, soweit das anhand der Twitter-Bio erkennbar ist, aus den Ligen 1 bis 4. Der DFB hat es anscheinend geschafft, diverse Kurven so richtig anzupissen; die Proteste laufen seit Wochen. In Minute 50 des Spiels kam es zum bereits von den anderen Spieltagen und aus anderen Stadien bekannten Wechselgesang zwischen den beiden Fankurven: „Scheiß-DFB!“

Wenn ihr das Foto anklickt, erkennt ihr auf den Spruchbändern nicht nur die Texte, sondern auch, in rot, die Medien, aus denen die Texte stammen, denn es sind Zitate. Dank dieser Quellenangaben kann ich euch hier eine kleine Leseliste hinstellen, die verdeutlicht, worum es den Fans geht. Danke, FCA-Nordwand.

„Korruption ist weiterhin ein Kernkonzept“, Deutschlandfunk, 11.3.2017

„Der Fußball macht sich selbst kaputt“, Die Zeit, 9.5.2017

Gewerkschaft rechnet mit 7000 Toten bis zur WM, Die Welt, 18.12.2015

Beim DFB geht es zu wie in einer Bananenrepublik, Die Welt, 22.10.2015

Den Tagesschau-Link habe ich nicht finden können, aber es geht um die WM-Vergabe nach Deutschland 2006; hier andere Links der Tagesschau.

DFB soll Hinweise auf Korruption vertuscht haben, Süddeutsche Zeitung, 27.1.2016

DFB soll Hinweise auf Korruption vertuscht haben, Die Zeit, 28.1.2016 (bezieht sich auf den SZ-Artikel)

Beim letzten Plakat bin ich mir nicht sicher, ich tippe auf Kaiser der Korruption, die tageszeitung, 14.9.2016.

Neben all den genannten Kritikpunkten nervt es mich persönlich zunehmend, dass man als Stadiongängerin nur noch TV-Kulisse ist – und sein soll. Die Kurven sollen Stimmung machen und hübsche, kamerafreundliche Choreos produzieren, aber ansonsten bitte die Klappe halten. Falls etwas nicht genehm ist, werden gerne Kollektivstrafen ausgesprochen, die manchmal schwer nachzuvollziehen sind. Und selbst wenn es nachvollziehbar ist, dass Strafen ausgesprochen werden müssen (Flaschenwürfe auf Gästefans oder ähnliches gehen selbstverständlich überhaupt nicht), dann ist die Sperrung einer ganzen Kurve für 25.000 Fans, von denen sich vielleicht zehn daneben benommen haben, schlicht überdimensioniert.

Was mich auch nervt, ist die hysterische Berichterstattung über derartige Vorfälle. Ich habe mich noch nie in einem Stadion unsicher gefühlt, und ich bin ein totaler Schisser bei Menschenmengen. Jetzt am Samstag sind wir mit einer Hochschwangeren ins Stadion gegangen, die sich im 8. Monat nur wegen ihres Bäuchleins ausnahmsweise für einen Sitzplatz entschieden hatte, ansonsten hätte sie wie immer in der Kurve gestanden. Nein, Pyro braucht kein Mensch, ja, das Zeug ist gefährlich, und jeder, der den Scheiß wirft, darf gerne rausfliegen. Aber wenn man manche Berichte liest, könnte man glauben, in den Stadien wäre jede*r Zuschauer*in quasi konstant gefährdet, und irgendwelche Ultras hätten 70.000 in ihrer Gewalt. Das ist schlicht Quatsch. In Augsburg gibt es einen ganzen Familienblock, der auch immer gut gefüllt ist; neben mir auf der Gegengerade saß ein Opa mit seinem geschätzt dreijährigen Enkel auf dem Schoß, und auch in der Allianz-Arena sehe ich dauernd Eltern mit kleinen Kindern. Und trotzdem hält sich das Gerücht, dass alle Menschen, die zum Fußball gehen, entweder dauerbesoffene Asos mit kurzer Lunte oder stets in Gefahr sind.

Nochmal zur TV-Kulisse. Wie egal dem DFB die Fans sind, die sich teilweise auf lange Auswärtsfahrten machen, zeigen die neuen Anstoßzeiten. Ein Bundesligaspiel am Montagabend ist kompletter Quatsch für jeden Fan, der danach noch irgendwie nach Hause muss, wenn er oder sie Pech hat, durch die halbe Republik. (Ja, ich weiß, in der 2. Liga gibt es diese Zeit schon länger, und auch dort finde ich sie dämlich.) In dieser Saison gibt es erstmals in der 1. Liga bis zu sieben Anstoßzeiten. Bisher wurde Freitags um 20.30, Samstag um 15.30 und 18.30 und am Sonntag um 15.30 und 17.30 Uhr angestoßen. Nun kommen noch einige Spiele am Sonntag um 13.30 dazu – hey, Prime Time in Asien – und eben die Montagsspiele (nicht an jedem Spieltag). Mir fällt kein anderer Grund für diese weiteren Termine ein als: noch mehr Möglichkeiten, Werbung zu schalten. Der Fernsehzuschauer ist dem DFB gefühlt wichtiger als die ganzen Stadiongänger*innen, und das kotzt mich an. Daher kann ich so ziemlich jeden Protest verstehen.

Aber: Es gibt Anzeichen, dass der DFB sich auf die Fans zubewegt: Präsident Grindel signalisierte in einem offenen Brief, dass er auf Kollektivstrafen verzichten will. Klingt erstmal gut, aber ich glaube immer noch nicht an einen großen Gesinnungswandel. Ich denke, dass der DFB schlicht sein schönes, sauberes Produkt in Gefahr sieht.