Links vom Sonntag, 17. September 2017
Journal Samstag, 16. September 2017 – Wahlhilfeschulung
Die Kaltmamsell beschreibt sehr schön, wie sie sich bei und nach der Wahlhelfer*innen-Schulung fühlte. Das deckt sich sehr mit meinen Gefühlen, die ich bei der Schulung hatte; ich konnte sie aber nicht so gut in Worte fassen, meine eigene Schilderung kam mir viel zu staatstragend vor, ich löschte sie wieder. Aber jetzt bei der Lektüre des Blogeintrags nebenan fiel mir wieder ein, wie „staatsbürgerlich“ auch ich mich gefühlt hatte. Unser Leiter wies mehrfach darauf hin, welch hohes demokratisches Gut wir mit unserer Arbeit unterstützen und verteidigen. Und auch er beschrieb, wie bei der Kaltmamsell anscheinend auch, dass unsere Arbeit öffentlich ist. Wer uns zugucken möchte, wie wir Stimmen auszählen, hat das Recht dazu. (Bringt uns was zu essen mit!)
Was mir vor allem im Gedächtnis geblieben ist – und was ich auch in den öffentlich einsehbaren Schulungsunterlagen noch mal nachlesen werde – ist, dass unsere Hauptaufgabe darin besteht, Menschen wählen zu lassen. Alles andere ist zweitrangig; worum es geht, ist, allen Menschen die Wahl zu ermöglichen. München hat seine Wahlbezirke teilweise neu eingeteilt, um möglichst alle Wahllokale komplett barrierefrei zu machen. Wir bekamen erzählt, wie die Wahl zum Beispiel für Körperbehinderte möglich ist, die den Weg bis zur Wahlkabine aus irgendwelchen Gründen doch nicht zurücklegen könnten (ausgefallene Fahrstühle etc.) und wie wir anderen behilflich sein können, ohne das Wahlgeheimnis zu verletzen.
Apropos Wahlgeheimnis: Selfies mit dem Wahlzettel sind untersagt, denn sie verletzen das Wahlgeheimnis. Ja, auch wenn man das selbst erledigt. Also lasst das bitte.
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Das schöne Spiel im neoliberalen Zeitalter
Tim vom historischen Blog „Ausnahmezustand Neuzeit“ schrieb mir eine Mail, dass er meinen Quellenangaben-Post zu den Fanprotesten im Stadion gelesen habe – ob für mich sein Rückblick auf die Entfremdung zwischen Fans und DFB aus zeithistorischer Perspektive auch interessant wäre? Ist er, danke für den Hinweis.
„Der Fußball in den letzten 25 bis 30 Jahren ist ein Paradebeispiel dafür, welche Entwicklungschancen und welche Problematiken eine entfesselte Wachstumsorientierung mit sich bringt. Wachstum an sich und vielleicht nicht einmal die ungleiche Mittelverteilung sind schädlich, kleine und große Vereine hat es schon immer gegeben. Höchst problematisch sind die schier exponentielle, rasende Entwicklung, die dadurch entstehenden riesigen Größenunterschiede und die fehlenden Korrekturmechanismen.“
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Ta-Nehisi Coates schreibt über die Wahl Trumps. Ja, das haben wir alles schon durchexerziert, aber Coates weist auf den seiner Meinung nach wichtigsten Faktor hin: Er wurde durch Weiße gewählt, die genau das als wichtigstes Kriterium ansehen. Coates scheut sich nicht, diese Tatsache sehr unangenehm zu formulieren.
„For Trump, it almost seems that the fact of Obama, the fact of a black president, insulted him personally. The insult intensified when Obama and Seth Meyers publicly humiliated him at the White House Correspondents’ Dinner in 2011. But the bloody heirloom ensures the last laugh. Replacing Obama is not enough—Trump has made the negation of Obama’s legacy the foundation of his own. And this too is whiteness. “Race is an idea, not a fact,” the historian Nell Irvin Painter has written, and essential to the construct of a “white race” is the idea of not being a nigger. Before Barack Obama, niggers could be manufactured out of Sister Souljahs, Willie Hortons, and Dusky Sallys. But Donald Trump arrived in the wake of something more potent—an entire nigger presidency with nigger health care, nigger climate accords, and nigger justice reform, all of which could be targeted for destruction or redemption, thus reifying the idea of being white. Trump truly is something new—the first president whose entire political existence hinges on the fact of a black president. And so it will not suffice to say that Trump is a white man like all the others who rose to become president. He must be called by his rightful honorific—America’s first white president.“
Coates schrieb schon öfter für den Atlantic über dieses Thema. Ein Artikel, den ich schon mal verlinkt hatte, ist The Case for Reparations, der den systemischen Rassismus in den USA darlegt. Falls ihr keine Lust habt, diesen sehr langen Artikel online zu lesen – das geht jetzt auch auf Papier. Coates neuestes Buch We Were Eight Years in Power: An American Tragedy enthält acht Essays aus den Jahren der Obama-Regierung.
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Das klingt nach einem spannenden, lehrreichen und leckeren Seminar: Studierende recherchieren mittelalterliche Rezepte und kochen sie in einem Kloster nach.
„Wir hatten in der Übung viel über den Einfluss des Christentums – über Brot und Wein – im Hinblick auf den täglichen Speiseplan gesprochen. Daher passte es gut, dass die drei Studenten zunächst als Grundlage ihres Menüs ein Brotrezept entwarfen. Dafür verwendeten sie Weizenmehl, Salz, Hefe und Salbei. War das wirklich mittelalterlich? Wir diskutierten über die Zutaten. Wie nah war man damit am Brot der bäuerlichen Bevölkerung? Warum wurde Weizen und nicht Roggen verwendet, so ein Einwand des Plenums. Hefe ist zwar bereits Bestandteil des althochdeutschen Wortschatzes, doch hat man es im Mittelalter tatsächlich schon als Triebmittel für Brot verwendet? Und was war mit dem Salz?
Es zeigten sich bereits hier Schwierigkeiten bei der Reproduktion mittelalterlicher Speisen. Welche soziale Gruppe möchte man abbilden? Welche Zeit und welche Region des Mittelalters soll kulinarisch reproduziert werden? Da vor dem 14. Jahrhundert Kochbücher nicht greifbar sind – vom antiken Kochbuch des römischen Gourmets Apicius einmal abgesehen – und diese dann der Oberschicht entstammen, war klar, dass eher eine ‚Herrenspeise‘ präsentiert werden sollte. Dies lag auch darin begründet, dass beispielsweise der Auftraggeber des Buches von guter Speise – Autor oder Schreiber sind unbekannt – zum Patriziat der Stadt Würzburg gehörte. Die Entscheidung fiel daher zugunsten des Weizens, des Salzes und auch der Hefe aus.
Die Idee mit dem Salbei entstammte der Lektüre des Capitulare de villis (Krongüterverordnung Karls des Großen, ca. 790er-Jahre), das wir in einer der vorangegangenen Sitzungen gelesen hatten. Freilich wären hier noch mehr Kräuter denkbar gewesen. Das Kapitular führt immerhin etwa 70 Kräuter auf, wenn auch nicht alle davon als Küchenkräuter verwendet wurden. Es stand den Studierenden jedoch frei, nach eigenem Gusto zu entscheiden und möglicherweise ist der heutige, im Vergleich zum Mittelalter eher zaghafte Umgang mit Gewürzen ein weiterer Faktor bei der Entscheidung gewesen.“
Ich konnte nach der Lektüre des unterhaltsamen Blogeintrags meine Küche, meinen Herd und meinen Supermarkt um einiges mehr würdigen als vorher.