Tagebuch, Dienstag, 24. Oktober 2017 – Abrüsten
Nach gut einer Woche löste ich mein Krankenlager auf und machte aus der Couch wieder eine Couch, die sich erst abends in ein Bett verwandelt. Ich tauschte meine geliebte Bettdecke (my happy place!) gegen die brave Tagesdecke aus, ordnete die Kissenberge wieder anständig und kaufte erstmal frisches Brot, nach dem ich fiese Entzugserscheinungen hatte. Wenn ich erkältet bin, reicht mir Sandwichbrot. Das strengt beim Essen nicht so an.
Dann verbrachte ich den Tag vor Phoenix, um mir die erste Sitzung des neuen Bundestages anzuschauen. In die Bibliothek traute ich mich noch nicht, denn ich huste zwar längst nicht mehr so häufig wie am vergangenen Wochenende, aber wenn, dann immer noch mit gefühlt 90 Dezibel. Und weil mich selbst in der Bibliothek Leute wahnsinnig machen, die nur laut atmen, huste ich diese Woche lieber weiterhin privat vor mich hin, bevor ich endlich wieder ins ZI radele.
Während des Livestreams rollte ich mit den Augen, als die AfD-Nasen sich in eine Reihe mit Clara Zetkin stellten, die von Göring angeblich daran gehindert wurde, als Alterspräsidentin im Reichstag zu sprechen. (Scheint nicht ganz so gewesen zu sein, also alles wie immer bei der AfD.) Ich sah aber auch erstaunt, wie die AfD mit der SPD und den Linken gemeinsam abstimmte – wie sich also schon vorsichtig Jamaika ankündigte. In den Sitzungspausen standen diverse Parlamentarier*innen am Interviewpult bei Erhard Scherfer, darunter auch gemeinsam Andrea Nahles und Katrin Göring-Eckardt. Mir fiel erst nach wenigen Minuten auf, dass da keine Rot-Grün-Koalition stand, sondern vermutlich zwei Angehörige von zukünftiger Opposition und Regierung.
Ich abonnierte mehrere Newsletter der Partei, der ich bei der letzten Bundestagswahl beide Stimmen gegeben habe und guckte mal, was diese Partei eigentlich so direkt vor meiner Haustür alles macht. Dann klickte ich beim Neuen Deutschland auf Probeabo, um meiner tägliche FAZ-Lektüre etwas entgegenzustellen. Das wird ab nächster Woche ein sehr lustiger Briefkasten. Generell bin ich aber bis auf wenige Ausrutscher immer noch sehr zufrieden mit der FAZ; bei den politischen Kommentaren schnaufe ich meist sehr unwillig, aber ich lese die Rubrik Gegenwart sehr gerne, liebe weiterhin das Feuilleton, gerade die Sachbuch- und Ausstellungsrezensionen, und schmeiße ebenfalls weiterhin den Wirtschaftsteil komplett ungelesen ins Altpapier. Den Finanzteil öffne ich nur, weil da am Ende der Sportteil kommt. Ich mag es immer noch sehr, auf Papier zu lesen, und es ist inzwischen ein kleines Ritual geworden, mich ein Stündchen mit der FAZ hinzusetzen und aufmerksam zu lesen. Ich bin sehr gespannt, wie sehr das Neue Deutschland da reingrätschen wird. (Nein, ich habe nicht Die Linke gewählt.)
Ich lachte sehr über einen Kommentar zu einem Instagrambild von Olly Wainwright, dem Architekturkritiker des Guardian, der über das neue Hauptquartier von Bloomberg in London berichtete: „How will they move it to Frankfurt?“.
Ich freute mich darüber, dass The Dinner Party endlich einen festen Standort gefunden hat.
Ich las auf den Tipp von Herrn Buddenbohm „Verbessern soziale Medien die Welt?“ in der brandeins und lege euch den Artikel auch ans Herz.
Und dann konnte ich nicht schlafen und las weiter Hillary.