Was schön war, Donnerstag, 7. Dezember 2017 – „Coco“
Arbeitslose Studentin zu sein, hat auch Vorteile: Man kann vormittags in fast leeren Kinos rumsitzen und schöne Filme gucken.
Coco ist die neueste Pixar-Produktion, und auch wenn ich kaum noch ins Kino gehe – wenn irgendwas von Pixar kommt, bin ich dabei. Okay, fast: Den ersten Teil von Cars fand ich nur so meh, daher habe ich mir die Teile 2 und 3 geschenkt, und auch die Dinosaurier und Dory wollte ich nicht anschauen. Aber alle anderen Filme des Studios habe ich im Kino gesehen und danach teilweise noch mehrmals auf DVD bzw. als Stream. Seitdem ich mit riesigen und ungläubigen Augen in Toy Story saß, vertraue ich den Pixar-Nasen blind und gucke (fast) alles, was sie mir vorsetzen, weil es (fast) immer toll ist.
Auch Coco war wieder alles, was Pixar ausmacht: eine herzerwärmende Geschichte mit viel Augenpulver, gut getimten Witzchen und so gerade noch erträglichem Moralkleister. Der kleine Miguel stammt aus einer Familie, die seit Generationen Schuhe herstellt, aber er möchte viel lieber Musiker werden. Das passt gerade seiner Oma so gar nicht, und durch Kurzschlussreaktionen und Bockigkeit landet Miguel plötzlich im Reich der Toten – wo er wieder auf seine Familie trifft. Also den Teil, der schon das Zeitliche gesegnet hat.
Nach den Trailern war ich mir nicht so recht sicher, was mich erwartete, aber jetzt, wo ich den Film gesehen habe, ahne ich, wie schwierig es war, sie zusammenzuschneiden, ohne zu viel zu verraten. Wie immer bei guten Geschichten ist vieles nicht so, wie man denkt, und Figuren werden zu Helden, von denen man es nicht erwartet. Manchmal weiß man allerdings schon, was kommt, wenn man fünf amerikanische Filme gesehen hat, und das war fast das einzige, mit dem ich haderte: Ich wusste bei einer Szene genau, dass eine ähnliche nochmal auftauchen und mir das kleine Herz rausreißen will und wird. Das passierte dann auch, aber netterweise saß niemand in meiner Nähe, als ich hemmungslos meine Taschentücher vollheulte. (Wenn ich richtig gehört habe, taten die anderen Zuschauer*innen das gleiche.) Ich war überhaupt dauergerührt von dem Film, weil er vieles ansprach, was mich immer mehr bewegt, je älter ich werde: Menschen, die einem etwas bedeuten, Erinnerungen, Dinge, die einem gut tun – und Musik.
Der Film wirbt mit dem Jenseits-Thema, für mich jedoch stand das Musik-Thema deutlicher im Vordergrund. Natürlich kann man mit Skeletten tollere Scherze machen, aber ich mochte die leisen Momente des Films lieber. Alleine für eine Szene will ich den Film nochmal anschauen: Wenn wir Miguel zum ersten Mal an seiner Gitarre sehen und er konzentriert die Saiten anschlägt, spielt, sich verliert, hat er für eine halbe Sekunde einen derart beseelt-konzentrierten Gesichtsausdruck, dass ich da schon fast angefangen hätte zu flennen. Jede*r, der oder die ebenfalls mal das Glück hatte, sich per Saiten, Tasten, Klanghölzern, Metallklappen oder den Stimmbändern ausdrücken zu können, kennt dieses Gefühl, das sich in raren Momenten einstellt – dieses Völlig-bei-sich-Sein und trotzdem der ganzen Welt etwas mitgeben zu können. Über die Wirkung von Musik auf andere hat der Film übrigens auch etwas zu erzählen.
Das dritte Thema ist die Familie, und das wird leider, wie gern bei Disney, einen Hauch zu dick aufgetragen. Das verzeihe ich Coco allerdings, denn hier muss es sein: Ohne Familie klappt die ganze Story nicht, hier kann man ausnahmsweise nicht die Blutsverwandschaft durch Facebook-Freunde oder alte Bekannte ersetzen.
Was mich von Anfang an erwischt hat, war – natürlich – die Optik. Wie fast immer bei Pixar hat der Film eine ganz eigene Oberfläche. Ich erinnere mich, dass ich bei A Bug’s Life dachte, der Film sieht aus, als ob die ganze Zeit Sonnenlicht durch Blätter fällt. Bei Monsters, Inc. konnte ich mich an den Fellen und Häuten der Fabelwesen nicht sattsehen. Bei Finding Nemo glitzerte das Meer, wie ich es noch nie gesehen hatte, bei den Incredibles schien immer alles zum Zerreißen gespannt und glattgezerrt zu sein, bei Ratatouille war alles pastellig, als ob die Sonne ständig gerade auf- oder untergeht, bei WALL-E stattdessen entweder alles erdig-verdreckt oder weltraumhaft-staubfrei. Bei Coco ist alles bunt. Nein, Moment, es ist alles BUNT. Also BUNT wie in neonfarben, grell, kräftig, satt und gleißend, aber ohne quietschig und billig zu werden. Der Film leuchtet, selbst wenn die Stimmung gerade düster sein soll, er beginnt damit und hört damit auf und man nimmt dieses Leuchten auch aus dem Kinosaal mit. Und den Running Gag mit Frida Kahlo, den ich persönlich sehr zu schätzen gewusst habe, denn viele Frauenfiguren hat Coco nicht zu bieten. Den Bechdel-Test besteht er leider nicht; ich habe während des Films nicht darauf geachtet, aber in der Rückschau meine ich, dass es keinen einzigen Dialog gab, in dem nur Frauen sprechen.
Und womit ich auch richtig gehadert habe, war der blöde Hund, der Miguel begleitet. Das Vieh nervt einfach nur, aber – es heißt Dante und alleine dafür gab’s dann wieder einen Sympathiepunkt. Ach, und vor Coco läuft ein zwanzigminütiger Kurzfilm mit Olaf aus Frozen. Ich liebe Olaf. Ich liebe Frozen. Aber die 20 Minuten Lebenszeit hätte ich gerne zurück. Netterweise vergisst man sie nach 20 Sekunden Coco wieder und hat nach dem Abspann eh einen besseren Ohrwurm als die belanglose Trällerei von Elsa und Anna.