Was schön war, Sonntag, 1. April 2018 – „Ach, das ist von dem?“

Erstmal das Unschöne aus dem Weg räumen: Ich bin ernsthaft auf einen Aprilscherz reingefallen. Im Internet. Wie so ne Anfängerin.

Als ich begann, zum FC Augsburg mitzufahren, freute ich mich über die schnuffige Tram, die extra bis zum Stadion verlängert wurde, sowie eben das Stadion, das funktional ist, aber auch angenehm zum Fußballgucken inklusive ordentlicher Toiletten und schneller Fressbüdchen. F. und weitere Augsburger erzählten mir ewig, dass es ein Wunder sei, dass die Tram funktioniert und das Stadion steht. Anscheinend klappt in Augsburg nur alle zehn Jahre mal ein Großprojekt, wenn überhaupt. Ich kann das nicht beurteilen, ich wohne da ja nicht, aber das habe ich mir gemerkt. Und so war ich auch nicht überrascht, sondern fühlte die ganzen Berichte bestätigt, als der FCA gestern auf seiner Website schrieb, dass er aus dem gerade errichteten Verwaltungsgebäude wegen Baumängeln wieder ausziehen müsse. Auch F. sei kurz darüber gestolpert, meinte er, habe sich dann aber clevererweise an das Tagesdatum erinnert. Das hatte ich hingegen vergessen. Well played, FCA.

Lange ausgeschlafen, entspannt vor mich hingebloggt und Brot gebacken, während der Herr noch eine Runde Dösen nachlegte, dann gemeinsam gefrühstückt und den weiteren Tag besprochen. Unsere Tagesplanungen stoßen manchmal zusammen, denn F. macht gerne Kram und geht dauernd weg, während ich gerne rumliege und schön zuhause bleibe, wo die Serien und der Kaffee sind. Manchmal schaffen wir es aber doch, gemeinsam in Ausstellungen zu gehen, so wie gestern. Wir schauten uns Fotos von Richard Avedon, George Hoyningen-Huene und Irving Penn im Kunstfoyer der Versicherungskammer an. Dafür werbe ich gerne mal wieder: Das Foyer ist jeden Tag geöffnet und es ist umsonst. Einfach mal vorbeigehen, da hängt eigentlich immer was Nettes.

Die Ausstellung war ziemlich luftig gehängt, wir waren recht schnell mit ihr fertig. Leider, denn ich fand sie sehr interessant und hätte gerne noch mehr gesehen. Von den drei Herren war mir George Hoyningen-Huene kein Begriff; ich meinte noch so mittendrin, dass ich bis jetzt noch kein Bild von ihm gesehen hätte, das ich kannte – und dann sah ich dieses Foto, nach dem gefühlt jede Parfumwerbung der 80er Jahre modelliert wurde. Ahja. Der ist das also. Ich mag das Bild in seiner grafischen Schlichtheit, die trotzdem viel Sehnsucht, Freiheitsdrang und gleichzeitig Entspannung und Lässigkeit zeigt, sehr gerne. Was ich gestern lernte: dass eines der Models Horst P. Horst ist. Und dass der Herr erst Model war, bevor er Fotograf wurde. Und dass er „Partner“ von Hoyningen-Huene war, wie ein Wandtext vorsichtig formuliert. Über dessen sexuelle Orientierung begann ich recht schnell zu spekulieren, wobei ich nicht weiß, ob das schlicht an der Kuratierung lag; bei den beiden anderen Fotografen dachte ich nicht darüber nach, allerdings wusste ich bei ihnen auch, dass sie verheiratet gewesen waren (was ja gerade in den 1950er Jahren etc. nichts heißen will, aber trotzdem). Bei Hoyningen-Huene ist die Begeisterung für den männlichen Körper recht deutlich sichtbar. Das zeigt sich interessanterweise am eindrücklichsten an den Bildern, die er von Frauen gemacht hat, die mir recht entsexualisiert vorkamen, was immer wieder erfrischend für die Augen ist, gerade in der Modefotografie.

Ein Bild konnte sowohl F. als auch mich sehr faszinieren: eine Porträtaufnahme von Greta Garbo von 1948. F. und ich gehen selten als Paar durch Ausstellungen, jeder von uns mag das eigene Tempo gern, aber dann auch wieder das gemeinsame Betrachten eines Werks. Meist zerrt einer von uns den anderen mal eben irgendwo hin, weil etwas begeistert, dann trennen wir uns, bis wieder jemand zerrt. Ich blieb ewig vor Garbo stehen und ging dann weiter, dann sprach mich F. mit großen Augen auf Garbo an, ich nickte und wir schauten noch einmal gemeinsam. Was ich so spannend am Foto fand: dass es so zeitlos aussieht. Ich hätte nie auf 1948 getippt, und wenn ich ganz ehrlich sein darf, habe ich auf den ersten Blick nicht mal Frau Garbo erkannt, weil es so unglamorös ist. Aus den Augenwinkeln dachte ich, ah, irgendein Model in den 1970er Jahren. (Das Bild ist das rechte in der ersten Reihe, fälschlicherweise auf 1951 datiert, und es wirkt natürlich überhaupt nicht auf 300 Pixel, aber ich wollte es euch wenigstens zeigen.) Ich las mal irgendwo, dass Frau Garbo ein Gesicht habe, das man sofort wieder vergisst, aber wenn es auf der Leinwand vor einem ist, kann man nirgends anders hinschauen. So ähnlich ging es mir vor diesem Foto. Man mag einfach nicht gehen.

Ich betrachtete die Werke von Hoyningen-Huene auch im Hinblick auf die zeitliche Entstehung. Es waren einige Bilder aus den 1920er Jahren zu sehen, und jetzt erst, mit dem ganzen neusachlichen Hintergrund, den ich mir in den letzten Jahren angeeignet habe, konnte ich erfassen, wie radikal diese Fotos waren. Eben waren Frauenkörper noch verhüllt von Kopf bis Fuß, in Korsette gesteckt, mit Haaren bis zur Hüfte und schicklichen Posen. Und nun sah man Bilder wie das vom Ausstellungsplakat von 1930 (Link von oben). Eine Revolution! Ich mochte auch generell die Bildkompositionen von ihm, die entweder fies klassizistisch waren (und manchmal eine Vorahnung auf Bilder à la Riefenstahl weckten) oder aber eben irrwitzig modern, neusachlich halt, sehr klar und unbeeindruckt, kühl und realistisch. Aber selbst die hatten den Glamour, den Modefotografie gerne mal haben möchte. Da werde ich demnächst mal im ZI ein paar Bildbände durchblättern.

Von den Bilder von Penn und Avedon kannte ich viele, aber es war trotzdem schön, sie mal in groß vor sich zu haben und nicht nur als Abbildung in Büchern. Besonders der knarzige John Ford kommt auf 80 Zentimetern sehr eindrucksvoll. Ich freute mich auch über ein Wiedersehen mit einigen der Corner Portraits von Penn, von denen mir besonders Joe Louis gefiel: ein Mann, der mich vermutlich mit seiner schlichten körperlichen Präsenz hätte umpusten können, ganz klein und eingequetscht. Das war zumindest mein erster Gedanke, es ist einfach eine für ihn ungewohnte Inszenierung. Gleichzeitig fiel mir aber auf, dass die meisten weißen Akteure und Akteurinnen sich selbstbewusst in der Ecke Platz schafften, während er plötzlich eingesperrt wirkte. Ich ahne, dass diese Ebene nicht gewollt war, aber im meinem Kopf war sie auf einmal da.

Nach der Ausstellung wollten wir entspannt mit der Tram in die Richtung von F. fahren und beim Ballabeni Eis essen. Als wir das Foyer verließen, regnete es schon – wir waren beide clevererweise in Regenjacken gewandet –, aber auf den wenigen Metern zur Tram kamen noch Hagel und Wind dazu, weswegen wir das Eis verschoben. Auf dem Rückweg riss der Himmel aber wieder auf, es war gefühlt zehn Grad wärmer und die Sonne schien. Eis essen! Ich genoss zwei Kugeln Karamell mit Amarettini sowie Lem-Olive, eine wilde Mischung aus Zitrone und gesüßten Oliven. Das funktioniert als cremiges Etwas gut, aber wenn man auf ein Stückchen Olive beißt, und sei sie noch so umzuckert, fällt einem wieder auf, dass es eine seltsame Zutat ist. Muss ich nicht noch einmal haben. Der Probierlöffel war Kokoseis, von dem ich beim nächsten mal eine ganze Kugel will. Das Anfixen haben sie beim Ballabeni echt gut drauf.

Bei F. zuhause wollten wir eigentlich lesen, aber das schaffte nur F., während ich eine Runde Spätnachmittagsschlaf hielt.

Zum Abendbrot wollte ich eigentlich (gestern war anscheinend der Tag des „eigentlich“) meinen geliebten Avocado-Dingsbums-Salat machen, aber irgendwie zog es uns zu Ruff’s Burger. Dort saßen wir eine knappe Stunde, und in der Zeit waren ungefähr gleich viele Kunden, die dort essen wollten oder sich etwas abholten, im Laden wie Foodora- und Deliveroo-Kuriere (deutlich mehr Foodora).