Mad Men
Um Mad Men habe ich mich länger rumgedrückt, obwohl die erste Staffel bereits 2007 lief. Die Serie spielt in den 60er Jahren in den USA (warum soll ich das heute gucken?) – und in der Werbung (muss ich gucken). In den 60er Jahren hatten Frauen ja noch nicht so wahnwitzig viel zu sagen, weswegen ich einfach mal angenommen habe, dass ich mich wieder schrecklich über die doofen Frauenrollen aufregen werde. Und Filme über Werbung erzählen ja auch immer Müll. Dank der Satellitenschüssel des Kerls können wir BBC/ITV empfangen, wo Mad Men lief, und so habe ich es immerhin bei zwei Folgen mal geschafft, reinzugucken. Und war not overwhelmed. Fantastisch ausgestattet, ja gut, aber ansonsten passierte nicht viel. Jedenfalls nichts, womit ich etwas anfangen konnte.
Ich glaube, ich habe mich schlicht vom frisch verliehenen Emmy für die beste dramatische Serie (und einer bezahlten Rechnung = gut aussehendes Konto) beeinflussen lassen und vor einigen Tagen spontan die erste Staffel bestellt. Am Wochenende hab ich mich hingesetzt – und bin erst wieder vom DVD-Player weggegangen, als ich alle zwölf Folgen durch hatte.
Ja, die Frauenrollen tun weh, aber nicht, weil sie doof angelegt sind, sondern weil die meisten Mädels sich deswegen mehr Sorgen um ihre Frisur als ihre Karriere machen, weil sie gar keine andere Wahl haben. Und die, die eine Wahl haben, sehen meist auch nicht viel glücklicher aus. Überhaupt sieht man recht wenige glückliche Menschen in Mad Men – aber dafür sehen sie unglaublich gut aus. Die Ausstattung, gerade die Kleidung, hat mich in jeder Sekunde fasziniert. Und auch wenn ich selbst nie Pumps und Petticoats oder Bleistiftröcke tragen möchte, hätte ich nichts dagegen, wenn alle Männer das wunderbare Accessoire „Manschettenknöpfe“ wiederentdecken würden. (Und die Zigarettenetuis! Die Halsketten der Frauen! Die Tapetenmuster! Die Lampen!)
Mad Men hat beim mir im Fernsehen nicht funktioniert, und ich ahne, dass auch Serien wie The Wire oder 24 bei mir nicht funktioniert hätten, wenn immer eine Woche Zeit zwischen den Folgen gelegen hätte. In einer Mad-Men-Folge passiert nicht so wahnsinnig viel, aber alle Folgen zusammen zeichnen ein sehr dichtes Bild: die Jungs in der Madison Avenue, ihre Gattinnen, die zuhause die Kinder hüten und den Braten pünktlich auf den Tisch bringen, die Affären, die ausgesprochene oder stumme Geringschätzung von Frauen und Farbigen, die Machtspielchen, die kleinen Freiräume. Es entsteht gemeinerweise genau das Bild, das die selbsternannten mad men, die Werber aus New York, Amerika verkaufen wollen: Kauf dir den amerikanischen Traum. Und entdecke erst nach dem Kauf, ob dieser Traum wirklich einer ist.
Nebenbei: Wie Werbung geht, erfährt man natürlich auch nicht aus Mad Men. Aber immerhin zeigt die Serie in Meetings echte Spots aus der Zeit; die heute unfassbare Diskussion um Tabak und die damaligen, legalen medizinischen Testimonials („Rauchen ist gesund“) wird geführt, es gibt Wahlwerbung von Kennedy und Nixon zu sehen – und die legendäre Lemon–Anzeige von Bill Bernbach, die noch heute jedem Texter mit der Anmerkung „So geht gute Copy“ unter die Nase gehalten wird. Zu recht.